zum Hauptinhalt
In München wird ein rundherum mit Solarzellen bestücktes Auto entwickelt. Dass die Energieausbeute geringer ist als auf einem Süddach, wird zumindest teilweise dadurch ausgeglichen, dass der Strom ohne Umwege direkt in die Autobatterie fließt.

© Sono Motors

Fahren mit der Kraft der Sonne: Das Auto, das seine Energie selbst gewinnt

In München und den Niederlanden basteln Start-ups am Solarmobil. Die Erfolgsaussichten sind noch dürftig – nun soll eine Crowdfunding-Kampagne helfen.

Die Idee ist alt: Ein Auto wird mit Solarzellen bestückt und fährt mit dem so generierten Strom. Was bislang auf die Straße kam, waren aber ziemlich unpraktische Dinger. Extremer Leichtbau, nerdige Optik, oft nur Platz für eine Person.

Unter der gleißenden Sonne Australiens rollten die Kisten dahin, ein ernsthaftes Solarauto in Mitteleuropa erschien illusorisch. Das soll sich ändern, meinen zumindest die Gründer von Start-ups wie „Sono Motors“ in München und „Lightyear“ in Helmond in den Niederlanden.

Beide wollen 2021 mit Autos in Serie gehen, die zwar auch noch Strom aus der Steckdose laden können, aber doch mittels Solar viele Extrakilometer schaffen. Dazu kommt das Versprechen klimafreundlicher, nachhaltiger Mobilität. Ist all das realistisch?

Begonnen habe es 2012, sagt Laurin Hahn, einer der Gründer von Sono Motors. „Angesichts der Klimakrise haben wir uns entschieden, nicht länger nur zuzuschauen, sondern etwas zu tun.“

Die Elektromobilität hat drei Probleme: Preis, Reichweite, Ladeinfrastruktur

Gemeinsam mit Jona Christians habe er die bislang fossilbasierte Mobilität verändern wollen: „Rund 60 Prozent des Erdöls werden für Transport verwendet, werden einfach verbrannt, kommen nicht zurück“, sagt er. Das spreche für die Elektromobilität. Doch die hatte und hat drei Probleme: Preis, Reichweite, Ladeinfrastruktur.

Die Lösung von Hahn und Christians heißt „Sion“: ein Fünfsitzer für 25 500 Euro, dessen Außenhaut mit Solarzellen besetzt ist, die im Stand und während der Fahrt Strom für den Elektroantrieb liefern. Im besten Falle – München, Sommer, Sonnenschein, schattenfreier Parkplatz – soll ein Sion so 34 Kilometer am Tag schaffen.

Das Solarmobil der niederländischen Firma Lightyear setzt auf Hightech und CW-Wert.
Das Solarmobil der niederländischen Firma Lightyear setzt auf Hightech und CW-Wert.

© Lightyear

Übers Jahr und alle Wetter modelliert sollen es immerhin noch 16 Solarkilometer am Tag sein. Bei 20 Kilometern durchschnittlicher Pendlerstrecke in Deutschland könne Sion den Großteil mit Sonnenenergie bewältigen. Tatsächlich ist das Auto eher für den Kurzstreckenbetrieb geeignet, die Batterie reicht nur für 255 Kilometer gemäß WLTP-Standard, der weltweit für Leichtfahrzeuge gilt.

Im Sinne der Nachhaltigkeit soll die Batterie mit einem geringeren Kobaltanteil als vergleichbare Akkus auskommen. Das Metall wird unter anderem in Zentralafrika unter oft menschenunwürdigen Bedingungen im Kleinbergbau gewonnen. „Wir achten beim Einkauf auf die Herkunft der Materialien“, sagt Christians.

Nur ein Viertel des Gewichts üblicher Solarzellen

Auffälligstes Merkmal des Autos sind die 248 in die Karosserie integrierten Solarzellen. Während herkömmliche Zellen in Glas eingebettet sind, nutzen die Münchener ein eigens entwickeltes Polymer. Dadurch wiegen die Module nur rund ein Viertel verglichen mit herkömmlichen Modulen.

Das Polymer sei stabil genug, um große Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit zu überstehen, versprechen die Entwickler. Selbst kleine Rempler, etwa von einem Einkaufswagen auf dem Parkplatz, soll es überstehen. Zudem ermöglicht die Materialkombination leicht gewölbte Module.

„Die Ingenieure und Designer haben eng zusammengearbeitet, um möglichst viele Solarzellen auf dem Auto unterzubringen“, sagt Mathieu Baudrit, zuständig für die Solarintegration. Dank spezieller Elektronik gelinge es, auch bei wechselnden Lichtverhältnissen viel Strom zu erzeugen. Wenn etwa das Auto unter einem Baum parke, würden direkt beleuchtete und im Schatten liegende Bereiche erkannt und die Stromgewinnung entsprechend optimiert.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Solarzellen sollen auch ersetzbar sein, etwa nach einem Unfall. Die Firma will dies möglichst einfach machen. Über Steckverbindungen seien die Module mit der Elektronik leicht zu verknüpfen. Technische Unterlagen sollen zudem frei zugänglich sein, damit man Reparaturen selbst erledigen könne oder diese in jeder Werkstatt möglich seien.

Crowdfunding-Kampagne bis 20. Januar soll Finanzierung sichern

Doch ob überhaupt je ein Sion aus der ehemaligen Saab-Fabrik im schwedischen Trollhättan, die für die Produktion ausgewählt wurde, rollen wird, ist fraglich. Damit Sono Motors weitermachen kann, ist frisches Geld nötig. Die Bedingungen eines Großinvestors, mit dem die Verhandlungen weit fortgeschritten waren, hätten zur Folge gehabt, dass der Sion in Europa nicht auf den Mark gekommen wäre, sagt Christians. Details könne er nicht nennen, es gehe um Patente und Entwicklungen.

„Es wäre die schlechteste Variante gegenüber allen gewesen, denen wir uns verpflichtet fühlen und die den Sion auf der Straße sehen wollen.“ Das wären mindestens jene mehr als 10.000, die ein Auto reserviert und dafür mindestens 500 Euro angezahlt haben. Die Chefs entschieden sich, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, die nach einer Verlängerung nun noch bis zum 20. Januar um Mitternacht 50 Millionen Euro bringen soll, damit es weitergeht.

Knapp 48 Millionen haben Besteller, kleinere Investoren und Unterstützer bereits verbindlich versprochen. Sollte es am Ende trotzdem nicht reichen, so gebe es verschiedene Strategien. „In jedem Falle würde es dazu führen, dass der Sion sehr viel später kommt“, sagt Christians. „Oder gar nicht.“

Solaranlage sei „ein Gimmick“

Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der TU München mit Schwerpunkt Elektromobilität, verfolgt die Aktivitäten bei Sono Motors seit Jahren und attestiert „riesiges Engagement“. Aus seiner Sicht ist die Solaranlage aber eher ein Gimmick. Wenn das Auto in einer Garage oder einem Carport stehe, bringe sie nichts. „Sie bauen im Grunde ein normales Elektroauto wie Renault oder VW, die jetzt auf den Markt kommen, und damit ist es aussichtslos.“

Die großen Automobilunternehmen könnten mit Zulieferern wesentlich geringere Preise vereinbaren. Bei einem Start-up, von dem keiner weiß, ob es in zwei Jahren noch existiert, wäre es zudem naheliegend, Vorkasse zu fordern. Hinzu komme die Entwicklung des Autos, Zulassungsverfahren, Crashtests. „Man braucht mindestens einen Milliardenbetrag, um ein Auto auf die Straße zu bekommen“, sagt Lienkamp.

Den Sion als Fahrzeug für den Massenmarkt „zu dem Preis anzubieten wie eine große Automobilfirma“, sei unrealistisch. Die Sono-Gründer dagegen behaupten, bei ihrem Konzept mit gut 250 Millionen Euro bis zur Serienreife auszukommen.

„Solarzellen gehören auf Haus-, nicht auf Autodächer“

Achim Kampker, Professor für „Production Engineering of E-Mobility Components“ an der RWTH Aachen, sieht in den Solarzellen ebenfalls eher ein Marketinginstrument, das den Anspruch auf Nachhaltigkeit unterstreicht. Er ist Mitgründer von „Streetscooter“, bekannt für die kleinen E-Lieferfahrzeuge der Post. „Wir haben damals durchgerechnet, ob es sich lohnt, auf das Dach der Frachtbox Solarmodule zu bringen“, sagt er.

„Die Materialkosten lassen sich durch den gesparten Strom ausgleichen, aber wir waren trotzdem nicht überzeugt.“ Für den kommerziellen Einsatz sei eine solare Reichweitenverlängerung aufgrund des wechselnden Wetters zu unzuverlässig. Das große Plus einer kleineren Batterie sei also nicht umsetzbar gewesen. Zudem müssen alle Bauteile die fahrzeugtypischen Vibrationen aushalten und dürfen bei Unfällen keine scharfkantigen Splitter bilden.

Solarzellen gehören nach Kampkers Meinung auf Hausdächer. „Auf einem freien Dach wird mehr Strom produziert als auf einer gleich großen Fläche auf einem Auto“, sagt er. „Nutzt man diesen Strom fürs E-Auto, vielleicht kombiniert mit einem stationären Speicher, bringt das mehr.“

Sympathisches Konzept, aber für die Nische

Sono Motors nennt er dennoch ein „cooles Projekt“. Den Ansatz, „auf Nachhaltigkeit zu setzen von der Produktion bis hin zu Sharing-Konzepten bei der Nutzung, finde ich sympathisch“. Doch auch er glaubt, dass Solarautos allenfalls als Nischenprodukt eine Chance haben.

Dies könnte dem „Lightyear One“ gelingen. Bei einem angestrebten Stückpreis von 149.000 Euro wird die Nachfrage überschaubar sein. Dafür gibt es dann echte Hightech: Dank konsequentem Leichtbau soll das Leergewicht bei 1300 Kilogramm liegen, das Design werde den geringsten Luftwiderstand eines Serienfahrzeugs bringen, verspricht die Firma.

Dazu gibt es fünf Quadratmeter Solarfläche, die Zellen sind durch Sicherheitsglas geschützt – stabil genug, dass angeblich ein Erwachsener darauf laufen kann. Pro Stunde Sonnenschein soll die Reichweite um zwölf Kilometer erhöht werden, sodass am Ende bis zu 725 Kilometer möglich sind, heißt es. Erfahrung mit langen Distanzen hat das Team ausreichend, das Unternehmen ist ein Spin-off der Uni Eindhoven, die bei zahlreichen Rennen von Solarfahrzeugen, etwa in Australien, sehr erfolgreich ist. Ob das auch Lightyear im Automobilmarkt sein wird, wird sich zeigen.

Vielleicht machen am Ende doch wieder die großen Firmen mit ihren finanziellen und technologischen Ressourcen das Rennen. Toyota, Hyundai und Tesla etwa arbeiten auch an Autos mit Solarzellen.

Zur Startseite