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Studierende auf dem Campus der Beuth-Hochschule Berlin.

© IMAGO

Fachhochschulen in Berlin: Sehnsucht nach dem Promotionsrecht

Bleibt die kooperative Promotion mit Uni-Profs in Berlin der Königsweg für Fachhochschul-Absolventen? FH-Leitungen und Teile der Politik wollen weiter gehen.

Ist Berlin auf dem Weg zum Promotionsrecht für die Fachhochschulen? Darauf gibt es zumindest Hinweise. In den Hochschulverträgen für die Jahre 2018 bis 2022 heißt es zwar, die Promotionsmöglichkeiten für FH-Absolventen sollten durch die Stärkung von kooperativen Promotionen mit den Universitäten verbessert werden. Dafür stellt der Senat beiden Seiten finanzielle Anreize in Aussicht. Die Rede ist dort auch von gemeinsamen Graduiertenschulen der Fachhochschulen und Universitäten „in ausgewählten Bereichen“. In den Kollegs würde ebenfalls kooperativ promoviert, jedoch in institutionalisierter Form.

Beide Wege werden in Berlin aber weiterhin nur zögerlich beziehungsweise noch gar nicht beschritten. Deshalb denken FH-Leitungen jetzt erneut über die Einführung eines eigenen Promotionsrechts für einzelne Fachgebiete nach. Im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses steht am Montag eine Anhörung dazu an. Neben FH- und Univertretern ist als Gast Karim Khakzar, Präsident der Fachhochschule Fulda und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eingeladen. Dies kann als Zeichen gelten, wohin die Reise unter Rot-rot-grün gehen könnte.

Hessen könnte das Vorbild sein

Denn in Hessen erhalten Fachhochschulen seit 2016 „ein eigenständiges Promotionsrecht für Fachrichtungen mit ausreichender Forschungsstärke“. Khakzars Hochschule wurde es bislang unter anderem für Informatik, Soziale Arbeit und Public Health zuerkannt. Hessens FHs üben ihr Promotionsrecht in hochschulübergreifenden „Promotionszentren“ aus – ohne Mitwirkung der Universitäten. Der Fuldaer Präsident und HRK-Vize macht sich auch dafür stark, dass NRW das dortige Graduierteninstitut, in dem bislang gemeinsam mit Univertretern promoviert wird, zu einem eigenständigen Promotionskolleg weiterentwickelt. Dort sollen nach Plänen der FHs und der CDU-FDP-Regierungskoalition solche Fachbereiche das Promotionsrecht bekommen, deren Forschungsstärke vom Wissenschaftsrat bestätigt wurde.

Sind das Vorbilder für Berlin? Monika Gross, Präsidentin der Beuth-Hochschule wünscht sich eine Art Hybrid der Entwicklung in NRW – „ein zentrales Promotionskolleg, an dem wir kooperativ promovieren“. Dabei sollte – wie in NRW geplant – die Forschungsstärke der beteiligten FH-Forschenden regelmäßig evaluiert werden, sagt Gross. Gleichzeitig werde ein eigenes Promotionsrecht aber für Disziplinen gebraucht, die an Unis schlicht nicht vertreten seien, etwa soziale Arbeit, Augenoptik oder Verpackungstechnik. „Da haben wir zunehmend Probleme, Professoren zu berufen, deshalb müssen wir unseren eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs gewinnen“, sagt Gross.

Kooperative Promotion nur "zögerlich umgesetzt"

Der Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Andreas Zaby, plädiert für ein zeitlich gestuftes Verfahren. „Wie in den Hochschulverträgen vereinbart, sollten wir zunächst ein gemeinsames Graduiertenkolleg gründen.“ Langfristig müsse „die Öffnung für das Promotionsrecht der Fachhochschulen diskutiert werden, allerdings qualitätsgesichert und für die forschungsstarken Bereiche so wie in anderen Bundesländern auch“, wie Zaby betont. Doch er sei optimistisch, dass es in den laufenden Verhandlungen mit den Unis über die kooperative Promotion bis Ende Mai ein gutes Ergebnis geben werde.

Ob dabei ein gemeinsames Kolleg herauskommt, ist allerdings fraglich. TU-Präsident Christian Thomsen, Sprecher der Landesrektorenkonferenz, setzt vielmehr auf „eine effiziente Form, in der Promotionswillige und Betreuende beider Seiten besser zusammenfinden“. Dabei könne es sich etwa um ein Internetportal zur Vernetzung handeln, ergänzt durch Vortragsreihen und Beratungsangebote.

Die kooperative Promotion jedenfalls bleibe der „Königsweg“, sagt Thomsen, gibt aber auch zu, dass es in einzelnen Fakultäten nur „zögerlich umgesetzt“ werde. Da aber die Universitätsleitungen hinter dem Konzept stünden, sei es nur noch „eine Frage der Bewusstseinsbildung“ auf der Ebene der Hochschullehrenden.

Unis: Nachwuchs für FH-Professuren bilden wir aus

Ein FH-Promotionsrecht aber ist mit den Berliner Unis Thomsen zufolge nicht zu machen. Die Notwendigkeit, wissenschaftlichen FH-Nachwuchs zu gewinnen, sei das falsche Argument: „Der wissenschaftliche Nachwuchs der Hochschulen für angewandte Wissenschaften kommt aus den Universitäten.“ Das Promotionsrecht müsse exklusiv bei den Universitäten bleiben, sagt Thomsen. „Promotionen sind für uns immer mit Forschung und mit Zeit und Geld verbunden, die im Allgemeinen an den Fachhochschulen nicht vorhanden sind.“ So fehle es etwa den technischen Disziplinen an der FH an der nötigen Geräte- und Laborausstattung. Die „klugen Köpfe“ aber seien selbstverständlich vorhanden – „und die können und sollen bei uns und mit uns promovieren“.

Die Fachhochschulen sehen ihre Geduld arg strapaziert, auf einen Durchbruch bei den kooperativen Promotionen zu hoffen. „Die Zahl der Promotionen steigt, aber nicht mit den Berliner Universitäten“, sagt Monika Gross, Präsidentin der Beuth-Hochschule. Dieses Bild wird durch eine aktuelle bundesweite Abfrage der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) unter den Mitgliedsuniversitäten bestätigt. Danach meldeten die Unis für die Jahre 2015 bis 2017 1575 abgeschlossene Promotionen von FH-Absolventen, die alleine durch Universitätslehrende betreut wurden – 26 Prozent mehr als 2012 bis 2014.

Berlin gehört zu Schlusslichtern bei Kooperationen

Die Zahl der kooperativen Verfahren mit je einem FH- und einem Uni-Betreuer liegt 2015 bis 2017 bei 551 – 47 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum. Für Berlin allerdings sind die absoluten Zahlen eher mau. Gemeldet wurden 97 Unipromotionen von FHlern (2015-17) gegenüber 22 in den Vergleichsjahren und gerade einmal 18 kooperative Verfahren (gegenüber einem einzigen Verfahren 2012-14). In NRW dagegen waren es zuletzt 270 Unipromotionen, in Baden-Württemberg 230. Bei den kooperativen Verfahren liegen Sachsen mit 123 und Hessen mit 87 weit vor Berlin. Unter den 18 genannten Universitäten, die die meisten FH-Absolventen promovieren, führen Dresden, Kassel und Darmstadt; Berliner Unis tauchen in dem kleinen Ranking gar nicht auf.

Am entschiedensten für ein FH-Promotionsrecht plädiert indes die Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Der Einigungsprozess zwischen Unis und Hochschulen ist zäh und es sieht nicht so aus, dass beide Seiten ihn forciert angehen“, sagt Tobias Schulze, hochschulpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Unterdessen machen uns andere Bundesländer vor, wie es geht.“ Von der Koalitionsvereinbarung und den Hochschulverträgen geht Schulze zufolge ein „klarer Appell“ an die Unis aus: „Wenn es mit dem kooperativen Promotionsrecht schlecht läuft, werden wir über das alleinige Promotionsrecht für die Fachhochschulen neu nachdenken.“ Dass die Fachhochschulen zunehmend unter Druck gerieten, in bestimmten Fachrichtungen Personal zu rekrutieren und im Ausland suchen müssten, „ist ein Zustand, den wir nicht länger hinnehmen wollen“, sagt Schulze.

Linke will nicht, dass Berlin hinter anderen Ländern zurückbleibt

„Wir haben besonders forschungsstarke und große Fachhochschulen in Berlin und die haben Nachwuchsprobleme: Da steht es Berlin nicht gut an, hinter anderen Bundesländern zurückzubleiben.“ Bei den Verhandlungen des Senats über die anstehende Novelle des Berliner Hochschulgesetzes, die im Herbst beginnen sollen, werde es jedenfalls auch um das Promotionsrecht gehen.

Die Wissenschafts-Sprecherin der Grünen, Catharina Pieroth, ist dafür, „ein Promotionsrecht an Fachhochschulen zu erleichtern“. Angesichts des Fachkräftemangels in Gesundheits- und Pflegeberufen, die derzeit akademisiert werden und die an den Unis nicht vertreten sind, sei es „wichtig die Fachhochschulen auf diese Weise zu stärken“.

Staatssekretär dämpft Hoffnungen

Doch Steffen Krach (SPD), Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, dämpft die Hoffnungen der Koalitionspartnerinnen: Die Koalition habe „die Stärkung der kooperativen Promotionen vereinbart“. Das sei ganz klar in den Hochschulverträgen verankert, nach denen die Fachhochschulen zudem mit zusätzlichen Mitteln für wissenschaftliche Stellen ausgestattet wurden. Krach appelliert: „Jetzt erwarten wir natürlich, dass die Universitäten und Fachhochschulen das auch gemeinsam erfolgreich umsetzen“. Die kooperative Promotion also soll endlich ihre Chance bekommen. Wie nicht nur die HRK-Umfrage zeigt, ist dabei in Berlin noch viel Luft nach oben.

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