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Eine islamische Religionslehrerin mit ihren Schülerinnen und Schülerinnen im Klassenraum.

© Rolf Haid/picture alliance/dpa

Expertise zu Studierenden der Islam-Theologie: Deutsche Islam-Studierende wollen positives Bild ihrer Religion vermitteln

Erstmals wurden die Studierenden der Islam-Theologie an deutschen Universitäten soziologisch untersucht. Viele haben Diskriminierungen erfahren.

Von Amory Burchard

Als das Bundesbildungsministerium vor neun Jahren begann, bundesweit zunächst fünf Zentren für Islamische Theologie zu fördern, waren die politischen Erwartungen hoch. Das Fach sollte auf Empfehlung des Wissenschaftsrats in die staatlichen Universitäten eingegliedert werden. Verbunden war dies mit dem Ziel eines deutschen oder europäischen Islam, der sich von ausländischen Einflüssen emanzipieren sollte.

Bis heute sind die mittlerweile zehn Islam-Theologien ein Experiment mit offenem Ausgang. Denn dafür, dass aus ihnen auch Imame und Seelsorgerinnen universitärer Prägung hervorgehen können, fehlen noch viele Voraussetzungen. Erste Ansätze zu der dafür unerlässlichen Zusatz-Ausbildung der Geistlichen in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften in Kooperation mit einer Universität entstehen gerade erst in Osnabrück.

Auf fehlende Berufsperspektiven für Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge hinzuweisen, ist denn auch eines der Hauptanliegen einer am Montag veröffentlichten Expertise der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) in Frankfurt am Main.

Klare Wege in den Beruf fehlen zumeist

Selbst für Lehramtsstudierende in der Islamischen Theologie fehlten vielerorts klare Wege in den Beruf, weil das Fach an den Schulen nicht flächendeckend etabliert ist. Hinzu kommt der bundesweite Streit um Lehrerinnen, die Kopftuch tragen.

Die Expertise der AIWG zeigt jetzt erstmals, wer die jungen Musliminnen und Muslime sind, die das bekenntnisgebundene Fach in Deutschland studieren. Mit welchen Voraussetzungen kommen sie an die Uni, warum studieren sie Islamische Theologie und wo soll es nach dem Studium beruflich hingehen?

Einen Schwerpunkt legt die Studie auf den Bildungshintergrund der Studierenden: Drei Viertel sind die Ersten in ihren Familien, die studieren, und bei 80 Prozent war Deutsch nicht die Erstsprache. Welche Herausforderungen sich aus dieser Zusammensetzung ergeben, erfuhren Lena Dreier, Religionssoziologin und Bildungsforscherin an der Universität Leipzig, und Constantin Wagner, Juniorprofessor für Erziehungswissenschaften an der Uni Mainz, in narrativen Interviews mit 71 Studierenden an vier Standorten des Fachs.

Dass die Studentinnen (80 Prozent sind weiblich) und Studenten überwiegend aus Familien "mit geringem Bildungskapital" kommen, sei eine didaktische Aufgabe für die Institute, heißt es. Sie müssten - mehr als bisher - "nachholende Qualifizierung" leisten, also den Studierenden die Lese- und Schreibkompetenzen nahebringen, die für ein akademisches Studium erforderlich sind. Ansonsten würden die Universitäten durch Studienabbrüche die Erstakademiker, die sie mit dem neuen Fach anziehen, wieder verlieren.

Sie wollen akademisch gebildete Islamexperten werden

Gefragt haben Dreier und Wagner auch nach der Motivation, Islamische Theologie zu studieren. Wenig überraschend fühlen sich 90 Prozent dem Islam sehr stark oder stark zugehörig. Doch nur gut 50 Prozent sehen sich an eine Gemeinde gebunden, 20 Prozent davon sehr stark. 68 Prozent geben an, den Studiengang aus "Interesse an religiösen Fragen" gewählt zu haben.

Doch fast ebenso viele (64 Prozent) sagen, dass sie "gesellschaftsverändernd wirken wollen". Was hat es damit auf sich? Das Autorenteam erklärt, die Studierenden hätten "den gesellschaftspolitischen Anspruch, mit dem erworbenen Wissen in Religionsgemeinschaften und in die Gesellschaft hineinwirken zu wollen".

Sie strebten an, "akademisch gebildete Islamexperten" zu werden, um "positiv gestaltend zur Rolle des Islam in Deutschland beizutragen". Dahinter stehen auch negative Erfahrungen, die viele Studierende als Muslime in der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft machen.

Wie die Studierenden diesen Ausgrenzungserfahrungen begegnen können, wie der "Umgang mit Fremdzuschreibungen" professionalisiert werden kann, werde in den Curricula bislang nicht thematisiert.

Werden aber die Erwartungen der Bundespolitik an die universitäre Islamische Theologie eingelöst? Zumindest ansatzweise, lässt sich aus der Studie herauslesen. So geben die Studierenden an, dass ihr bestehendes Wissen über den Islam hinterfragt und ihre Überzeugungen "kontextualisiert und pluralisiert" wurden.

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