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Hand am Erbgut: Das Crispr-Cas-Verfahren erlaubt Genabschnitte eines Embryonen auszutauschen, fehlerhafte Gene zu reparieren, aber theoretisch auch gewünschte Eigenschaften einzuführen.

© picture alliance / Gregor Fische

Expertenrat warnt vor gesundheitlichen Risiken: Wie weit darf die Wissenschaft für ein gesundes Baby gehen?

Der Wunsch nach einem gesunden, ja sogar „perfekten“ Kind ist groß. Rechtfertigt er aber auch einen Eingriff ins Erbgut? Eine Kommission hat Bedenken.

Es klingt erstrebenswert: Würde das Kind eines Paares wahrscheinlich an einer schweren genetischen Störung leiden, würde der Defekt im Erbgut einfach im frühen Embryo repariert.

Eine internationale Kommission aus Frauen und Männern, die in der Grundlagenforschung, im Gesundheitswesen sowie in Bereichen wie Ethik, Psychologie und Recht arbeiten, hat nun aber vorgeschlagen, auf solche Verfahren zu verzichten. Vorerst zumindest, und in den allermeisten Fällen.

Aus den bereits Jahre andauernden Diskussionen über das Thema ist bekannt, dass Gründe für die Ablehnung der Techniken sehr unterschiedlich sein können.

Sie reichen von einem grundsätzlichen Einwand gegen vermeintliches Gott-Spielen über Zweifel am Recht der Eltern alles Mögliche zu tun, um ein gesundes Kind zu bekommen, bis hin zu Bedenken bezüglich der gesundheitlichen Risiken für einen so erzeugten Menschen.

Der jetzt vorgelegte Report führt vor allem Letzteres als Begründung an. Es sei derzeit nicht sicher, ob „effizient und zuverlässig“ präzise Änderungen vorgenommen werden könnten, ohne „unerwünschte Veränderungen bei menschlichen Embryonen“ zu erzeugen. Die Kommission lehnt die Techniken aber nicht „ein für allemal“ ab. Es gelte, die Laborforschung auf dem Gebiet weiterhin intensiv zu verfolgen und zu evaluieren.

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Grundsätzlich seien in Zukunft Anwendungen in Ausnahmefällen denkbar. Dies könne etwa für Paare gelten, denen es mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln nicht oder kaum möglich sei, Kinder zu bekommen, die dann kein hohes Risiko für schwerwiegender Erkrankungen haben.

Zu den bereits genutzten und in vielen Ländern gesetzlich geregelten Verfahren zählen vor allem die künstliche Befruchtung und das Einsetzen eines Embryos in die Gebärmutter, welcher zuvor auf genetische Fehler untersucht worden ist, die In-vitro-Fertilisation und Präimplantationsdiagnostik.

Langzeitfolgen unbekannt

Bezüglich der gentechnischen Methoden, vor allem auf Basis des so genannten Crispr-Cas-Systems, gebe es „viele Wissenslücken, und weitere Forschung ist erforderlich“, sagte die Genetikerin Kay Davies von Universität Oxford, Co-Vorsitzende der Kommission.

Tatsächlich ist in Tierversuchen vielfach nachgewiesen, dass es mit Hilfe der Crispr-Cas-Methode und auch ähnlichen Verfahren möglich ist, folgenreiche Gendefekte beim Nachwuchs zu vermeiden. Allerdings kann es, obwohl die Technik deutlich präziser funktioniert als ältere Varianten, auch zu Fehlern kommen.

Zudem ist die Methode noch neu. Langfristige Ergebnisse bei langlebigen Tieren, die mit dem Menschen ansatzweise vergleichbar wären, sind also bislang nicht verfügbar. Deshalb gilt als möglich, dass es noch bislang unbekannte negative Effekte geben könnte.

Die erste bekannte entsprechende Anwendung bei Menschen machte der chinesische Arzt He Jankui 2018 publik. Bei den beiden von ihm behandelten Embryos wurde allerdings keine Erbkrankheit korrigiert. He versuchte vielmehr, deren Genome so zu verändern, dass die Personen dann resistent gegen eine Infektion mit HIV wären. Er verbüßt, weil er nach Ansicht eines Gerichts damit gegen chinesisches Recht verstoßen hat, eine Gefängnisstrafe.

Unbedenkliche Alternative

Die Reaktionen von Fachleuten in Deutschland sind gemischt. „Die Kommission hatte einen recht eingeschränkten Arbeitsauftrag, nämlich zu fragen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, damit in technisch-wissenschaftlicher Hinsicht verantwortliche Keimbahneingriffe vorgenommen werden können“, sagte Alena Buys, Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin and der Technischen Universität München dem Science Media Center Deutschland (SMC).

Es fehle daher „eine Antwort auf die wichtigen ethischen Fragen, also ob man das überhaupt machen sollte und wenn ja, welche ethischen Anforderungen erfüllt sein müssten.“ Sie nennt das Papier der Kommission „hilfreich“, es gehe darin aber eben nur um einen kleinen Teil des Feldes.

Ähnlich sieht es auch Robert Ranisch, Leiter der Forschungsstelle „Ethik der Genom-Editierung“ am Universitätsklinikum Tübingen. Er gab gegenüber dem SMC auch zu bedenken, dass Grundlagenforschung nicht ausreichen werde, um „auf die sicheren Seite“ zu gelangen: „Wir können erst in der Anwendung und vielleicht erst nach mehreren Jahren oder gar Jahrzehnte sehen, ob Eingriffe wirklich glückten.“ Es sei unmöglich, sicher vorherzusehen, „ob solche Maßnahmen wirklich einmal dazu führen, dass ein Kind nicht mit Nebenwirkungen geboren wird.“

Nur ein Schritt in einer langen Debatte

Zudem sei es eigentlich ja schon heute möglich, dass auch schwer erbbelastete Eltern Kinder ohne erhöhtes Risiko für Erbkrankheiten haben können: durch Adoption.

Es gehe hier also gar nicht um den Wunsch nach einem gesunden Kind, sondern den „nach einem gesunden und biologisch verwandten Kind“, so Ranisch. Man müsse hier die Frage stellen, ob dieser Wunsch es rechtfertigen kann, dass eine hoch risikobehaftete Technologie eingesetzt wird.

Der Vorschlag der Kommission wird letztlich nur ein Schritt und ein Aspekt in einer noch lange währenden Debatte sein. Die Weltgesundheitsorganisation hat ein Gremium eingesetzt, das sich mit den rechtlich-ethischen Rahmenbedingungen auseinandersetzt und Grundsätze für zukünftige Regulierungen eruieren soll.

Hintergrund der Diskussion ist auch die künftig wahrscheinlich bestehende Möglichkeit, mit Hilfe solcher Techniken Designermenschen zu erzeugen, bei denen es nicht um die Vermeidung von Krankheiten, sondern um „gewünschte“ Eigenschaften wie Intelligenz, Augenfarbe oder Sportlichkeit ginge.

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