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Ein Ort für Leben? Der kürzlich entdeckte Planet Kepler-186f könnte wie die Erde flüssiges Wasser haben und sogar Leben. Die Illustration zeigt wie die Künstlerin Danielle Futselaar sich diese Welt vorstellt.

© Abb.: p-a/dpa/Science

Exoplaneten: Ein Himmel voller Erden

Lange galt unser Sonnensystem als einzigartig. Doch inzwischen finden Astronomen eine Vielzahl von Planeten um andere Sterne. Bald könnten sie auf einer dieser Welten auch Leben nachweisen.

Von Rainer Kayser, dpa

Es war eine unglaubliche Behauptung: Im 16. Jahrhundert erklärte der Mönch, Forscher und Philosoph Giordano Bruno, die Erde sei nicht einzigartig, sondern es gebe tausend mal tausend, ja unendlich viele belebte Welten im Kosmos. Die Vorstellung war so ketzerisch, dass Bruno unter anderem wegen dieser Aussage im Jahr 1600 auf einem Scheiterhaufen mitten in Rom verbrannt wurde.

1995 wurde der erste Exoplanet nachgewiesen

Tatsächlich war Bruno seiner Zeit weit voraus. Allein in unserer Milchstraße könnte es tatsächlich Milliarden belebter Welten geben – und die nächste davon ist vielleicht nur zehn bis zwanzig Lichtjahre von uns entfernt. Schon die folgende Generation von großen Fernrohren auf der Erde und im Weltall könnte erstmals Leben außerhalb der Erde nachweisen. Dabei wussten die Astronomen noch vor zwei Jahrzehnten nicht, ob es überhaupt „Exoplaneten“ gibt, Planeten also, die andere Sterne umkreisen.

Erst im Jahr 1995 gelang es den Forschern Michel Mayor und Didier Queloz einen Planeten nachzuweisen, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist. Er trägt die Bezeichnung 51 Pegasi b. Inzwischen haben Astronomen 1800 Planeten in 1100 Planetensystemen entdeckt. Zahlreiche weitere Kandidaten warten auf ihre Bestätigung. Es ist eine Vielzahl von Welten: winzige Felsplaneten, große Gasplaneten, heiße und kalte Welten, mit und ohne Atmosphäre.

Aus besseren Tagen. Die Illustration zeigt wie die Nasa-Sonde Kepler ferne Sterne beobachtet, um dort Exoplaneten aufzuspüren.
Aus besseren Tagen. Die Illustration zeigt wie die Nasa-Sonde Kepler ferne Sterne beobachtet, um dort Exoplaneten aufzuspüren.

© dpa

Dabei waren die ersten Funde recht einseitig. Die Planetenjäger stießen zunächst fast ausschließlich auf Riesenplaneten ähnlich Jupiter, die jedoch auf extrem engen Umlaufbahnen mit Perioden von nur wenigen Tagen um ihre Zentralgestirne sausten. „Das war für uns völlig unerwartet“, erinnert sich Queloz. Planetensysteme schienen im Kosmos keine Seltenheit zu sein, aber unserem Sonnensystem in keiner Weise zu ähneln.

Beim Aufspüren hilft die "Torkel-Methode"

Doch dieser erste Eindruck war eine Täuschung, hervorgerufen durch das von den Planetenjägern eingesetzte Verfahren. Direkt lassen sich weit entfernte Planeten kaum beobachten, denn ihre Sterne leuchten millionenfach heller. Der schwache Schein der Begleiter ertrinkt hoffnungslos im hellen Glanz ihrer Zentralsterne. Deshalb müssen die Planetenjäger bei ihrer Suche indirekte Verfahren anwenden. Ihre ersten Erfolge erzielten die Himmelsforscher mit der „Torkel-Methode“: Ein Planet kreist genau betrachtet nicht um seinen Stern, sondern beide Himmelskörper umrunden im Gleichtakt ihren gemeinsamen Schwerpunkt.

Auf der Suche nach einer zweiten Erde. So arbeitet die Sonde Kepler.
Auf der Suche nach einer zweiten Erde. So arbeitet die Sonde Kepler.

© Tagesspiegel/Bartel

Dieser Schwerpunkt liegt zwar selbst bei großen Planeten noch innerhalb des viel massereicheren Sterns – trotzdem bewegt sich eben auch der Stern, er torkelt. Und diese periodische Bewegung können die Astronomen im Licht des Sterns über den Doppler-Effekt nachweisen. Die Wellenlänge des vom Stern ausgesendeten Lichts wird kürzer, wenn er sich auf uns zu bewegt, und länger, wenn er sich von uns entfernt, ähnlich dem Martinshorn eines vorbeifahrenden Feuerwehrfahrzeugs.

2009 startet der Planetenjäger Kepler

Naturgemäß fanden Wissenschaftler mit dieser Methode vor allem große Planeten auf engen Umlaufbahnen, da diese ihre Zentralsterne am stärksten in Bewegung versetzen. Inzwischen können die Forscher mit dem Verfahren dank einer stetigen Verbesserung der Teleskope und Detektoren auch kleinere Planeten auf größeren Bahnen aufspüren. Doch den großen Durchbruch brachte erst ein neues Weltraumteleskop, das mit einem anderen Verfahren nach Exoplaneten Ausschau hält.

Im März 2009 schoss die US-Weltraumbehörde Nasa das 1000 Kilogramm schwere Kepler-Teleskop ins All. Seine Aufgabe: die permanente Überwachung der Helligkeit von 150 000 Sternen in einer kleinen Himmelsregion in den Sternbildern Schwan und Leier. Denn winzige periodische Schwankungen der Sternhelligkeit im Bereich von hundertstel Prozent können die Anwesenheit von Planeten um einen Stern verraten. Die Astronomen setzen dabei auf den Zufall. Da die Bahnen der Planeten völlig regellos im Weltraum orientiert sind, sollten sie bei einigen genau so liegen, dass die Planeten von der Erde aus gesehen bei jedem Umlauf einmal vor dem Stern vorüberziehen. „Transit“ nennen die Forscher ein solches Ereignis, bei dem der Planet einen kleinen Teil des Sterns verdeckt und dadurch dessen Helligkeit geringfügig abschwächt.

Kepler war ein gewaltiger Erfolg. Knapp eintausend Planetenentdeckungen gehen auf das Konto des Teleskops, 3000 weitere Kandidaten warten auf ihre Bestätigung durch weitere Beobachtungen. Zwar bevorzugt auch das Transit-Verfahren große Planeten mit kurzen Umlaufzeiten, aber je länger die Messreihe von Kepler wurde, desto mehr kleinere Planeten mit längeren Perioden konnten die Astronomen anhand der Helligkeitsschwankungen entlarven.

400 erdähnliche Planeten

Die neue Methode hat noch einen weiteren Vorteil. Aus der Verringerung der Helligkeit bei einem Transit können die Himmelsforscher unmittelbar die Größe des Planeten ablesen. Damit sind die Astronomen in der Lage, zwischen Gasplaneten und Gesteinsplaneten ähnlich unserer Erde zu unterscheiden. Und es zeigte sich, dass solche erdähnlichen Planeten keineswegs selten sind. Fast 400 Planeten hat Kepler aufgespürt, die etwa so groß wie unsere Heimatwelt sind oder gar kleiner. Den Rekord als kleinster bekannter Exoplanet hält gegenwärtig Kepler-37ba. Seine Masse und sein Durchmesser sind nur geringfügig größer als die des irdischen Mondes. Er umkreist seinen 210 Lichtjahre entfernten sonnenähnlichen Stern alle 13 Tage in etwa einem Zehntel des Abstands Erde-Sonne. Die Nasa-Wissenschaftler schätzen die Temperatur auf seiner Oberfläche daher auf 425 Grad Celsius – Leben dürfte auf dieser Gluthölle nicht möglich sein.

Für Leben, zumindest für Leben, wie wir es kennen, gilt flüssiges Wasser als unabdingbare Voraussetzung. „Der heilige Gral der Exoplaneten-Forschung ist es, einen Planeten zu finden, der seinen Stern genau im richtigen Abstand umkreist: Nicht so nah, dass das Wasser verdampft, und nicht so weit weg, dass es gefriert“, sagt Kepler-Forscher Steven Vogt vom Lick-Observatorium der University of California.

Kepler-186f - eine zweite Erde?

Zumindest fünf von Kepler aufgespürte Planeten scheinen sich in dieser „habitablen“, also lebensfreundlichen Zone zu befinden. Auf den ersten davon stieß das Weltraumteleskop bereits drei Tage, nachdem die Nasa es betriebsbereit meldete. Doch erst zwei Jahre später, nach zwei weiteren Transits, waren sich die Forscher sicher: Kepler-22b ist mit einem Durchmesser von 30 500 Kilometern zwar deutlich größer als die Erde, aber mit seiner Umlaufzeit von 290 Tagen umkreist er sein sonnenähnliches Zentralgestirn in der richtigen Entfernung für flüssiges Wasser.

Im April verkündeten Forscher im Fachblatt „Science“ die Entdeckung des bislang erdähnlichsten Exoplaneten, Kepler-186f. Der Planet hat nahezu den gleichen Durchmesser wie die Erde und seine Oberflächentemperatur könnte knapp über dem Gefrierpunkt liegen. Allerdings umkreist er einen Stern, der deutlich kleiner ist als unsere Sonne. Solche roten Zwergsterne stellen die Mehrheit der Sterne in der Milchstraße dar und sie besitzen sogar häufiger Planeten als große Sterne. Trotzdem sind sie möglicherweise nicht die besten Orte, um nach außerirdischem Leben zu suchen. Die starken Magnetfelder der kleinen Sterne stauchen die schützende Magnetosphäre von Planeten in der vermeintlich lebensfreundlichen Zone derart zusammen, dass sie keinen ausreichenden Schutz mehr gegen zerstörerische Strahlung aus dem All bieten. Zudem kommt es auf roten Zwergen häufig zu starken Strahlungsausbrüchen, die die Planeten lebensfeindlicher Ultraviolett- und Röntgenstrahlung aussetzen.

Zehn Milliarden lebensfreundliche Planeten in der Milchstraße

Die Statistik der Kepler-Entdeckungen deutet jedoch darauf hin, dass erdähnliche Planeten nicht nur bei Zwergsternen, sondern auch bei Sternen ähnlich unserer Sonne die Norm sind. „Planeten mit dem ein- bis zweifachen Erddurchmesser sind außerordentlich häufig und etwa ein Viertel der sonnenähnlichen Sterne besitzt vermutlich einen erdähnlichen Planeten in der lebensfreundlichen Zone“, sagt der Planetenjäger Geoffrey Marcy von der University of California in Berkeley. Unsere Milchstraße enthält etwa 200 Milliarden Sterne, von denen etwa ein Fünftel der Sonne ähneln. Das ergibt rund zehn Milliarden potenziell lebensfreundliche Planeten allein in unserer Heimatgalaxie.

Kepler ist kaputt, doch es gibt einen Nachfolger

Doch bevor Kepler solche Planeten aufspüren konnte, ging das eine halbe Milliarde Euro teure Gerät 2013 kaputt. Zwei Steuerungskreisel waren ausgefallen, möglicherweise waren sie schon beim Start beschädigt worden, oder die kosmische Strahlung hatte ihre Elektronik zerstört. Nun läuft Kepler mit einer abgespeckten Ersatzmission weiter. Aber ein Nachfolger ist bereits in Sicht. Für 2017 plant die Nasa den Start von „Tess“, dem „Transiting Exoplanet Survey Satellite“. Das Observatorium soll bei 500 000 sonnenähnlichen Sternen nach Planeten suchen. Und mit dem „James Webb Space Telescope“ sollte ab 2018 ein neues Weltraumteleskop zur Verfügung stehen, das den Astronomen einen Blick in die Atmosphäre erdähnlicher Planeten bei anderen Sternen erlaubt.

Damit rückt der Nachweis von Leben auf fernen Welten in greifbare Nähe. Wie die Planeten selbst werden Forscher auch extraterrestrisches Leben zunächst nur indirekt nachweisen können. Denn biologische Prozesse verändern die Atmosphäre eines Planeten. Ein hoher Sauerstoffanteil wie in der irdischen Lufthülle könnte das erste Zeichen für eine belebte Welt sein. Und ein weiterer Hinweis darauf, dass Bruno mit seiner Vermutung richtig lag.

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