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Unter anderem wegen der Corona-Pandemie wird sich der Start der Ariane 6 wohl bis 2022 verzögern.

© David Ducros/ESA/dpa

Europäische Raumfahrt: Esa-Chef tritt früher ab

Warum Esa-Chef Johann-Dietrich Wörner bereits Ende Februar seinen Posten für den Nachfolger Josef Aschbacher räumen will.

Der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, Johann-Dietrich „Jan“ Wörner, möchte seinen Posten früher räumen. Offiziell geht seine Amtszeit bis zum 30. Juni. Nun möchte der 66-Jährige die Geschäfte bereits Ende Februar übergeben, schreibt er in seinem Blog.

Der Bauingenieur und ehemalige Präsident der TU Darmstadt war von 2007 bis 2015 Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und wechselte dann auf den Chefposten der Esa. In dieser Position war er einmal wiedergewählt worden; für eine weitere Verlängerung, über die der Esa-Rat im Dezember entschied, hatte Wörner nicht mehr kandidiert. Als sein Nachfolger wurde der Österreicher Josef Aschbacher gewählt, der seit 2016 Esa-Direktor für Erdbeobachtung ist. Die Amtsübergabe sollte „nicht nach dem 1. Juli“ erfolgen, wie die Esa unmittelbar nach der Entscheidung vor drei Wochen mitteilte.

Johann-Dietrich „Jan“ Wörner.
Johann-Dietrich „Jan“ Wörner.

© Oliver Berg/dpa

Wörner erklärte damals, er wolle sein Amt bis zum Ende des Mandats ausfüllen. „Erwarten Sie keine Probleme zwischen uns, wir werden zusammenarbeiten“, sagte er mit Blick auf Aschbacher. Der hatte zuvor von einem „sanften Übergang“ gesprochen. „Es wird nicht zwei Generaldirektoren geben, sondern einen, das ist Jan Wörner.“

Plötzlich doch ein schneller Wechsel

Nun soll es doch schnell gehen mit dem Wechsel. Wörner begründet das unter anderem damit, dass sein Nachfolger bereits Esa-Direktor ist, was so viel heißt wie: mit den Besonderheiten der Esa-Leitungsebene vertraut. Zudem sei eine kurze Übergangszeit günstiger, sowohl nach innen wie nach außen und auch für die Vorbereitung der nächsten Esa-Ministerratskonferenz 2022, wo über das Esa-Budget der kommenden Jahre verhandelt wird.

Die letzte Veranstaltung dieser Art im November 2019 gilt als großer Erfolg Wörners. Die Esa-Mitgliedsstaaten haben praktisch alle Pläne der Agentur unterstützt und eine entsprechende Finanzierung zugesagt. Normalerweise wird während der Verhandlungen kräftig gekürzt. Warum der Hesse trotz dieses Triumphs nicht weitermachen wollte, dazu gibt es keine offiziellen Begründungen.

Aber es gibt einige Puzzleteile, die ein Bild ergeben können. Da ist der besondere Arbeits- und Kommunikationsstil Wörners, der bereits im DLR und dem übergeordneten Bundeswirtschaftsministerium bei manchen super ankam, bei anderen aber gar nicht. Zu den Gepflogenheiten im Esa-Hauptquartier in Paris, so hörte man, passte die zuweilen hemdsärmlig-humorvolle Art noch weniger. Die Agentur gilt als kompliziertes Gebilde, in dem die 22 beteiligten Länder neben Raumfahrt auch viel Politik machen. Vor allem Frankreich, Italien und Deutschland spielen eine besondere Rolle, weil diese Staaten viel zum Esa-Budget beitragen und über den sogenannten Geo-Return entsprechend Aufträge für ihre Industrie zurückbekommen. Wörner wurde nicht allein als Esa-Chef, sondern auch als Deutscher gesehen, seine Entscheidungen auch danach beurteilt. Der Österreicher Aschbacher hat es in dieser Hinsicht leichter.

Josef Aschbacher.
Josef Aschbacher.

© Promo/Esa

Wörner hatte schließlich auch Rückhalt in der deutschen Politik verloren. Als er vor einem Jahr seinen Rückzug andeutete, reagierte der Koordinator für Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Thomas Jarzombek (CDU), recht sachlich. Auf eine aktuelle Anfrage des Tagesspiegels teilt Jarzombek mit: „Ich stehe mit Professor Wörner im engen Austausch. Er hat mich informiert, dass er bereits einige Monate früher sein Amt zur Verfügung stellen und an seinen Nachfolger Dr. Josef Aschbacher übergeben möchte.“ Dieses Angebot werde entsprechend der Regularien im Kreis der Esa-Mitgliedsstaaten beraten. „Professor Wörner hat sich langjährige Verdienste für die deutsche und europäische Raumfahrt erworben, zunächst als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und seit 2015 als Generaldirektor der Esa.“

Als Erfolge von Wörners Amtszeit sind beispielsweise die Wissenschaftsprogramme und die Erdbeobachtung zu nennen. Auch das Thema Wiederverwertbarkeit – man denke an die Mehrfachstarts von SpaceX-Raketen – hat er endlich angeschoben, obwohl die Europäer hier noch weit hinterher sind.

 Aschbacher hat eine „Esa Agenda 2025“ angekündigt

Mit der Ariane 6, deren Erstflug sich weiter verzögert, die immer teurer wird und bisher kaum Interessenten hat, muss sich nun bald Aschbacher plagen. Er will, so sagte er im Dezember, sich zudem um die Kommerzialisierung der Raumfahrt und die komplizierten Beziehungen zwischen Esa und EU-Kommission kümmern. Beide sind in der Raumfahrt aktiv, wie etwa der gemeinsame Aufbau des Satellitennavigationssystems Galileo zeigt, die Grenzen müssen mühsam verhandelt werden. Nach seiner Wahl hatte Aschbacher angekündigt, am ersten Tag eine „Esa Agenda 2025“ vorlegen zu wollen. Dafür bleiben jetzt nur noch sieben Wochen.

Johann-Dietrich Wörner will ins Bauingenieurwesen zurückkehren. Bezogen auf die vergangenen 25 Jahre als Führungsperson in öffentlichen Organisationen werde er es unterlassen, Erfolge und Misserfolge aufzuzählen, schreibt er ins einem Blog. „Ich zitiere lieber den großen Frank Sinatra und belasse es hierbei: ,I did it my way’“.

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