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Alles andere als makellos: Erwin Schrödinger.

© IMAGO / United Archives International

Erwin Schrödinger vor 61 Jahren gestorben: Gefeierter Physiker, ungenierter Missbrauchstäter

Teenager müssten sein Genie befruchten: So verteidigte der Mitbegründer der Quantenphysik sein übergriffiges Verhalten.

Ein Kasten, eine Katze, Radioaktivität, Giftgas und die Frage: Lebt das Tier in der „Höllenmaschine“ noch? 1935 formulierte der Physiker Erwin Schrödinger sein berühmtes Gedankenexperiment, für das er heute wohl am bekanntesten ist. Durch die Katzenmanie der Internetzeit und Serien wie „The Big Bang Theory“ hat es der Nobelpreisträger sogar zu geradezu ikonischem Ruhm gebracht.

Am Dienstag vor 61 Jahren starb Schrödinger in Wien. Dabei war er nicht nur ein Begründer der Quantenmechanik, Philosoph und Vorreiter der Molekularbiologie, sondern hat, wie die Tageszeitung „taz“ berichtet, Mädchen und junge Frauen bedrängt und sexuell missbraucht. Dies werde in den meisten Biografien jedoch verschwiegen oder verharmlost. Auch im Wikipedia-Eintrag Schrödingers werde nur auf seine „offen außerehelichen Beziehungen“ verwiesen.

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Nach seinem Studium in Wien, Forschungsaufenthalten an diversen Universitäten emigrierte Schrödinger mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten – zunächst nach Oxford, dann nach Graz, dann nach Dublin. 17 Jahre blieb Schrödinger dort, leitete die Abteilung für Theoretische Physik am Dublin Institute for Advanced Studies und kehrte 1956 zurück nach Wien. Den Nobelpreis erhielt er schon 1933.

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Doch habe er außerdem seine Macht über Mädchen ausgenutzt, die ihm untergeben waren, schreibt die „taz“. Mit 39 Jahren habe er als Mathematiklehrer die damals 14-jährige Ithi Junger über Jahre missbraucht. Mit 17 Jahren sei sie schwanger und nach einer Abtreibung unfruchtbar geworden. Schon früh habe er junge – zu junge – Frauen begehrt: mit 24 die 15-jährige Felice Krauss, mit 25 die 16-jährige Annemarie Bertel.

Missbrauch in den Biografien verharmlost

Die „Irish Times“ berichtete bereits im Dezember über die Taten des Physikers. In der Biografie Walter Moores von 1989 werden sie verharmlosend als „‚Lolita-Komplex‘“ Schrödingers beschrieben. Während seiner Zeit in Irland habe er sich der erst 12-jährigen Barbara de Brún zu nähern versucht, der Nichte eines guten Freundes von ihm. Später habe er eine 26-jährigen Frau zum Sex genötigt, die danach schwanger geworden sei. „Schrödinger war ein Serien-Missbrauchstäter, dessen Verhalten auf das Profil eines Pädophilen passt“, heißt es in der irischen Zeitung.

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In einer anderen Biografie – der John Gribbins' von 2012 – sei Schrödingers Missbrauch Ithi Jungers als „‚Streicheln und Kuscheln‘“ heruntergespielt worden. Auch habe Schrödinger versucht, sein Verhalten intellektuell zu begründen. Die Unschuld von Teenager-Mädchen passe ideal zu seinem natürlichen Genie. Ihre erotische Energie befördere seinen Intellekt. In seinem Tagebuch habe er zudem ein detailliertes Protokoll seiner Eroberungen geführt.

Umfeld tolerierte seine Taten

„In Deutschland war etwas, wenn es nicht erlaubt war, verboten“, zitiert ihn das Blatt. „In England war etwas, wenn es nicht verboten war, erlaubt. In Österreich und Irland taten sie es, egal ob es erlaubt oder verboten war.“ Nur dadurch, dass sein Umfeld seine Vergehen toleriert habe, sei Schrödinger überhaupt dazu in der Lage gewesen, so rücksichtslos zu handeln.

Die Öffentlichkeit war lange Zeit wenig interessiert an dieser Seite Schrödingers. Noch im September 2021 wurde ein Radweg in Irlands Hauptstadt Dublin eröffnet, der auf neun Stationen durch das Leben Schrödingers führt. Der Missbrauch finde dort keine Erwähnung, schreibt die „Irish Times“.

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