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Im Zentralbereich des Quasars 3C 279 in fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung schießt ein Schwarzes Loch einen Jet ins All, von dem die internationale Forschungskooperation "Event Horizon Telescope" jetzt ein erstes Bild zusammengesetzt hat.

© Foto: J.Y. Kim (MPIfR), Boston University Blazar Program, und die EHT-Kollaboration

Erstes Bild eines Jets: Vermeintlich schneller als das Licht

Supermassive Schwarze Löcher schießen ionisierte Gase rasend schnell ins All. Von diesem „Jet“ gibt es jetzt so scharfe Bilder wie nie zuvor..

Fast genau vor einem Jahr faszinierte ein Bild aus den Weiten des Weltalls die Menschen auf der ganzen Erde. Es war aufgenommen worden mit dem „Event-Horizon-Telescope“ (EHT) und zeigte zum ersten Mal direkt ein Phänomen, von dem Astronominnen und Astronomen zuvor nur Bilder malen konnten: den Umriss eines Schwarzen Lochs. Nun veröffentlicht das EHT neue, nicht minder spektakuläre Bilder von einem Ereignis, das von den Gravitationskräften eines Schwarzen Lochs ausgelöst wird: von einem Jet.
Die EHT-Forscher nutzten Radiowellen, die von Teleskopen an acht weit auseinander liegenden Orten der Erde aufgefangen worden waren. Zusammengenommen entsprechen diese acht einem Radioteleskop mit einer Auffangfläche, die etwa so groß ist wie Erde. Mit diesem Trick können die vom EHT aufgefangenen Radiowellen selbst sehr weit entfernte Himmelsobjekte in erstaunlicher Schärfe abbilden – etwa so als würde man von Berlin aus eine Zeitung in New York lesen.

Ein Bild von einem Phänomen fünf Milliarden Lichtjahre entfernt

Das Schwarze Loch in der Galaxie M87, das das EHT im vergangenen Jahr abbildete, ist etwa 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Die aktuellen Bilder stammen von einem Himmelsobjekt, das fast hundert Mal weiter, fünf Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist: der Quasar 3C 279. „Quasar“ ist ein Kunstwort, das die beobachteten Eigenschaften dieser Sorte von Himmelsobjekten zusammenfasst: Sie sehen aus wie Sterne, die überdies Radiowellen aussenden, sind also „quasi-stellare Radioquellen“.

In Wahrheit aber sind Quasare keine Sterne, sondern die heißen hellen Zentren von weit entfernten Galaxien. Quasare gehören zu den leuchtkräftigsten Himmelsobjekten, die wir kennen. Schon seit mindestens 20 Jahren sind sich die Astronomen so gut wie sicher, die Energiequelle für ihre große Leuchtkraft herausgefunden zu haben: In der Mitte jedes Quasars sitzt ein gewaltiges supermassives Schwarzes Loch. Die Masse des Schwarzen Lochs von 3C 279 dürfte etwa eine Milliarde Mal so groß sein wie die Masse der Sonne.

Das 12m-APEX-Teleskop auf dem Chajnantor-Plateau in Chile ist eines der acht an den Beobachtungen von 3C 279 beteiligten Radioteleskope.
Das 12m-APEX-Teleskop auf dem Chajnantor-Plateau in Chile ist eines der acht an den Beobachtungen von 3C 279 beteiligten Radioteleskope.

© Carlos A. Durán, Europäische Südsternwarte (ESO)

Und so arbeitet das Kraftwerk eines Quasars: Angezogen und beschleunigt von der gigantischen Gravitation in der Umgebung eines Schwarzen Lochs stürzt ununterbrochen Gas und Staub auf das Schwarze Loch zu. Wegen ihres Drehimpulses strömt die Materie jedoch nicht direkt in das Schwarze Loch hinein. Es entsteht vielmehr eine sogenannte Akkretionsscheibe, in der die Materie immer schneller herumwirbelnd auf das Schwarze Loch zufällt. Durch den wirbelnden Fall der Materie im Gravitationsfeld des Schwarzes Lochs werden große Mengen an Gravitationsenergie frei.

Ausbrüche von Gammastrahlen

Und genau dies ist die Energiequelle für die unvorstellbare Leuchtkraft der Strahlung eines Quasars. „Die Gravitationsenergie des aus der Akkretionsscheibe auf die Zentralquelle einfließenden Materials wird dank starker Magnetfelder in der Jetbasis in elektromagnetische Wellen umgewandelt, die in einem weiten Wellenlängenbereich abgestrahlt werden – von kurzwelligem Röntgen- und UV-Licht über sichtbares Licht bis hin zu Radiowellen“, beschreibt Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, einer der Ko-Autoren der Studie, den Vorgang. „Immer wieder beobachtet man sogar Strahlungsausbrüche von harter extrem kurzwelliger Gammastrahlung.“ Im Durchschnitt leuchtet ein Quasar wie 3C 279 daher heller als viele Billionen Sonnen zusammen. In den inneren Bereichen der Akkretionsscheibe eines Quasars nahe am Schwarzen Loch besteht die Materie aus einem heißen Plasma aus positiv geladenen Ionen und negativ geladenen Elektronen. Die sich schnell bewegenden Ladungsträger bauen starke Magnetfelder auf. Und diese Magnetfelder beeinflussen umgekehrt die Bewegungen des auf das Schwarze Loch zuströmenden Plasmas. Die Folge dieser komplexen und bei weitem noch nicht vollkommen verstandenen Wechselwirkungen zwischen Magnetfeldern und Plasma ist: Kurz vor seinem endgültigen Absturz in das Schwarze Loch wird ein Teil des Plasmas umgelenkt. Von Magnetfeldern beschleunigt und gebündelt schießt es in zwei entgegengesetzten sogenannten Jets jeweils senkrecht aus der Akkretionsscheibe heraus. Die Jets können einige tausend Lichtjahre lang werden und die Geschwindigkeit der Materie in einem Jet kann fast Lichtgeschwindigkeit erreichen.

Zuvor nie erreichte Bildschärfe

Genau einen solchen Jet aus der Akkretionsscheibe des Quasars 3C 279 zeigen die neuen Bilder des EHT nun in vorher „nicht erreichter Bildschärfe“ – teilt das MPIfR mit. Als Grundlage der Bilder dienten Radiowellen aus dem Jet von 3C 279. Sie wurden ausgesendet von Elektronen im Jet, die von Magnetfeldern auf krumme Bahnen gezwungen wurden und dabei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Dadurch sendeten die Elektronen eine sogenannte Synchrotronstrahlung in Form von Radiowellen aus, die nun, fünf Milliarden Jahre später, von den Radioteleskopen des EHT aufgefangen wurden. In mühsamer Datenanalyse wurden mit den Supercomputern des Bonner MPIfR und des MIT-Haystack-Observatoriums in den USA die in den schwachen und zudem verrauschten Radiowellen enthaltenen Informationen herausgelesen und zu Bildern des Jets verarbeitet. „Wir haben 3C 279 mit seinem Schwarzen Loch im Zentrum und dem von dort ausgehenden Jet bis jetzt als den vielleicht am besten untersuchten und auch verstandenen aktiven Galaxienkern ausgewählt“, sagte Jae-Young Kim vom MPIfR, der dass Forschungsprojekt leitet, dem Tagesspiegel. „Aber erst mit der höchsten Winkelauflösung, die zur Zeit in der Astronomie überhaupt möglich ist, gewinnen wir einen Einblick in das besondere Aussehen und mehr noch, in die komplizierte Dynamik des Plasmas in der Zentralregion der Quelle.“

Schneller als das Licht? Eine Täuschung!

Überraschenderweise scheinen sich manche der im Jet beobachteten Strukturen mit Überlichtgeschwindigkeit zu bewegen. Sollten etwa in der Umgebung Supermassiver Schwarzer Löcher wie bei Quasar 3C 279 die Gesetze der Einsteinschen Relativitätstheorie nicht mehr gelten, in denen die Lichtgeschwindigkeit eine universell gültige Höchstgeschwindigkeit ist? Doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die Überlichtgeschwindigkeiten im Jet eines Quasars als eine Art optischer Täuschung. Sie ergibt sich immer dann, wenn der Materiestrom eines Jets wie bei 3C 279 zufällig fast genau auf uns zurast.

Auch auffällige Strukturen im Jet wie zum Beispiel helle Blasen kommen uns dann Tag für Tag näher. Entsprechend verkürzen sich dadurch auch die Flugzeiten des Lichts von ihnen bis zu uns. Die Informationen über die jeweiligen Positionen der Blasen im Jet erreichen uns im Vergleich zum Vortag also immer früher. Wegen dieses Laufzeit-Effekts des Lichts sehen wir ihre Bewegung also wie im Zeitraffer. Die aus dem Jet von Quasar 3C 279 bei uns eintreffenden Radiowellen gaukeln uns dadurch Geschwindigkeiten vor, die fast 20 Mal höher sein können als die Lichtgeschwindigkeit. Im Unterschied zu diesem verblüffenden Effekt sind jedoch viele andere Vorgänge in und um einen Quasar noch weitgehend rätselhaft. Besonders schwierig ist es zu verstehen, was sich in denjenigen Quasar-Regionen abspielt, in denen die Jets aus ihren Akkretionsscheiben hinauskatapultiert werden. Die nun gewonnenen EHT-Bilder lassen zum Beispiel erahnen, dass der Jet aus Quasar 3C 279 bei seinem Austritt aus der Akkretionsscheibe verdrillt wird.

Ein Kontrapunkt zur Pandemie

„Es ist sehr ungewöhnlich, dass wir den vom zentralen Schwarzen Loch ausgehenden relativistischen Plasmastrahl in dieser Form beobachten – das erfordert theoretische Modelle mit rotierender Zentralquelle und Akkretionsscheibe, um den Jet dermaßen zu verdrillen“, sagt Jae-Young Kim. Mit anderen Worten: Das Schwarze Loch in 3C 279 rotiert vielleicht. „Ich hoffe, dass unsere Arbeit und gerade jetzt diese Ergebnisse über den Quasar 3C 279 die Menschen auch in schwierigen Zeiten faszinieren werden“, sagt Anton Zensus, MPIfR-Direktor und Vorsitzender des EHT-Kollaborationsrates. „Vielleicht ist es ein kleiner, positiver Kontrapunkt zu den vielen wichtigen und Sorge machenden Nachrichten, die wir alle täglich aus aller Welt bekommen.“

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