zum Hauptinhalt
Die drei großen Berliner Universitäten wollen sich als Verbund um den Exzellenztitel bewerben. Dafür müssen sie am kommenden Donnerstag mindestens drei Cluster durchs Ziel bringen.

© K.-H. Spremberg/imago/Chromorange

Erste Entscheidung in der Exzellenstrategie: Welche Universität forscht am besten?

Im Elitewettbewerb fällt am Donnerstag eine wichtige Vorentscheidung. Für Berlin steht viel auf dem Spiel.

Welche Unis haben noch Chancen, im nächsten Sommer zu einer von elf neuen „Exzellenzuniversitäten“ gewählt zu werden? Die Universitäten fiebern dem kommenden Donnerstag entgegen. Denn dann fällt in Bonn eine wichtige Vorentscheidung: die Vergabe der Exzellenzcluster, also großer Forschungsprojekte.

Nur Unis, die mindestens zwei Cluster ans Ziel bringen, dürfen sich später überhaupt um den Status als Exzellenzuni bewerben. Treten mehrere Hochschulen gemeinsam an, brauchen sie drei Cluster. Letzteres gilt für Berlins drei große Unis. Sie wollen im kommenden Jahr als Exzellenzverbund siegen.

Für Berlin steht viel auf dem Spiel. Die Freie Universität und die Humboldt-Universität müssen ihren Platz auf dem Exzellenz-Olymp verteidigen, die TU will ihn jetzt endlich erringen. Würden die drei Unis scheitern, müssten sie auf viel zusätzliches Geld verzichten. Vor allem aber wäre der Imageschaden für die Berliner Wissenschaft enorm. Kein Wunder, dass sich Nervosität ausbreitet.

Denn zwar geht Berlin mit einem dicken Polster an Clustern ins Rennen: neun haben die Vorauswahl überstanden. Auch hätten die Gutachter bei den Begehungen der Berliner Cluster angetan gewirkt, wie FU-Präsident Günter M. Ziegler sagt. Allerdings: „Ich habe aber auch gehört, dass sie von den Clusterkonzepten anderer Hochschulen auch begeistert gewesen sein sollen.“ TU-Präsident Christian Thomsen sagt: „Alle Universitäten haben in den Jahren des Wettbewerbs dazu gelernt. In dieser Situation kann schon ein Wimpernschlag den Unterschied machen.“

Der Wettbewerb ist noch selektiver geworden

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, nicht nur in Berlin, werden am Donnerstag feststellen, dass sie ihre arbeitsaufwendigen Anträge vergeblich geschrieben haben. Der Wettbewerb ist noch selektiver als bei der vergangenen Exzellenzinitiative. Im Jahr 2012 kamen in der Endausscheidung mit 43 von 64 noch gut zwei Drittel aller Cluster durch. Jetzt sind die Chancen geringer. Nur rund die Hälfte der Vorhaben kann durchkommen: 88 Cluster sind im Rennen, von denen nur 45 bis 50 gefördert werden sollen. Nicht auszuschließen ist aber, dass die Politik wie schon im Jahr 2007 einen kleinen Teil der Mittel von allen bewilligten Clustern abschichtet, um mehr Projekte fördern zu können. Und sollten Berliner Cluster durchfallen, kommt vielleicht Hilfe vom Land Berlin: „Dann müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir die entwickelten Initiativen so unterstützen, dass sie in anderen Förderformaten erfolgreich sein können“, sagt Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft.

Dass diesmal mehr Clusteranträge die Konkurrenz verschärfen, ist nicht zuletzt ein Effekt der von Bund und Ländern veränderten Regeln. Die Graduiertenschulen wurden als Förderlinie im neuen Exzellenzwettbewerb gestrichen. Das zwingt auch kleinere ambitionierte Hochschulen dazu, es jetzt mit einem Antrag für ein großes Cluster zu versuchen.

Die Regeln für die Exzellenzunis wurden angezogen

Zugleich hat die Politik die Regeln für die zukünftigen Exzellenzunis angezogen. Reichten in der alten Exzellenzinitiative noch ein Cluster und eine Graduiertenschule, um sich für die Auswahl als Exzellenzuni zu qualifizieren, müssen es nun zwei Cluster sein. So ist die Universität Frankfurt, die sich auf die Exzellenzkrone Hoffnungen gemacht hatte, bereits vor einem Jahr aus dem Rennen geworfen worden, weil sie nur eins ihrer Cluster bis in die Endrunde bringen konnte. FU-Präsident Ziegler bedauert das: „Das ist eine starke Universität mit tollen Leuten.“ Die Exzellenzstrategie sei „in den politischen Verhandlungen in ein Korsett gedrängt worden“.

Auch die Uni Bremen, bislang noch unter den zwölf Exzellenzunis, ist schon ausgeschieden, weil sie nur ein Cluster in die Endrunde brachte. Natürlich sei die Uni „sehr enttäuscht“, sagt Rektor Bernd Scholz-Reiter: „Auch die Stadt hat das Ergebnis getroffen, weil wir hier ja sonst nicht so viele positive Schlagzeilen haben.“ Dass die Zahl der für den Exzellenzstatus notwendigen Cluster von eins auf zwei erhöht wurde, verbessere die Chancen großer Unis. Diese hätten schon allein mit ihrer höheren Anzahl von Professoren bessere Voraussetzungen, mehrere Cluster zu stemmen. „Für kleine und mittelgroße Unis wie uns wird es dagegen schwieriger: Wir sind von der Ausstattung her einfach nicht so gut dafür aufgestellt“, sagt Scholz-Reiter. Exzellenzmüde sei die Uni aber nicht. Man werde vielmehr versuchen, die eigene Exzellenzstrategie weiter zu verfolgen: „Es wird nur langsamer vorangehen als bisher.“ Scholz-Reiter hofft, dass das Land die wegfallenden Exzellenzmittel zumindest teilweise kompensieren wird.

Noch 29 Unis haben eine Chance auf den Exzellenztitel

Natürlich macht die Politik großen Unis den Wettbewerb absichtlich leichter. Forschungskraft soll in Deutschland stärker an bestimmten Standorten konzentriert werden. Allerdings sollen DFG und Wissenschaftsrat „im gesamten Verfahren“ darauf achten, dass auch "exzellente Anträge kleiner Universitäten angemessen berücksichtigt werden“, wie das Bundesforschungsministerium auf seiner Homepage mitteilt. Die Gutachterinnen und Gutachter sind informiert worden.

Noch 29 Unis haben die für die Exzellenzkür im kommenden Jahr nötige Mindestanzahl an Clustern im Rennen. Die Zahl der Anwärterinnen auf den Exzellenzstatus wird sich nach der Entscheidung am Donnerstag verringern. Schon jetzt ist eine gewisse Konzentration der Cluster auf 13 Unis zu erkennen. Aus dieser Gruppe dürften im kommenden Sommer die meisten Exzellenzunis gewählt werden. Neben dem Berliner Verbund mit neun Clustern gehören dazu die Uni Bonn, die allein sogar mit sieben Vorhaben vertreten ist, die TU Dresden mit sechs, die LMU und die TU München, Aachen und Tübingen sowie die beiden Unis in Hannover, die neben Berlin als einziger Verbund antreten, mit je fünf, Hamburg, Karlsruhe, Göttingen, Köln und Stuttgart mit je vier Clustern.

Zittern dürfte dagegen die Uni Heidelberg, die zu den aktuellen Exzellenzunis gehört. Sie ist mit drei Clustern in die Endauswahl gegangen. Brechen ihr zwei weg, ist es mit der „Exzellenz“ vorbei. Noch dünner ist das Eis für Unis wie Bayreuth, Bochum, Jena, Braunschweig oder auch Freiburg, denen überhaupt kein Cluster mehr abhandenkommen darf.

Berlins Unis wollen im Verbund antreten

Müssen die Gutachter bei ihren Entscheidungen über Cluster vielleicht darauf achten, dass sie sie nicht zu breit übers Land verteilen? Denn dann könnten sich nur so wenige Unis für den Exzellenzstatus qualifizieren, dass der Exzellenzkommission im Sommer 2019 kaum noch eine Auswahl bliebe. Solche taktischen Überlegungen spielen bei den Entscheidungen keine Rolle, erklärt Martina Brockmeier, die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, auf Anfrage: Da Antragsstellerinnen „nur bei Erfolg im wissenschaftsbasierten Wettbewerb gefördert“ würden, sei auch „eine geringere Anzahl von Förderfällen in beiden Förderlinien durchaus möglich“.

Gewinnt Berlin am Donnerstag genügend Cluster, geht es neben Hannover als einziger Verbund ins Rennen. Die drei großen Unis und die Charité wollen stärker zusammenwachsen. Gemeinsame Studiengänge und eine gemeinsame Förderung von Doktoranden sind denkbar, auch gemeinsame Berufungen von Spitzenwissenschaftlern auf Professuren aus einem Pool des Verbundes. Beim Ausbau der digitalen Infrastruktur wollen die Unis zusammenarbeiten, ebenso wie bei Dual Career-Optionen für forschende Paare oder, wenn es um Karrierewege für Nachwuchswissenschaftler (Tenure track) geht, um die Internationalisierung oder die Anschaffung von Großgeräten.

Gerade im Akademischen Senat der FU haben sich in den vergangenen Monaten auch Skeptiker zu Wort gemeldet. Sie befürchten, die HU könne Stärken der FU kopieren, die FU unter die Räder nehmen. Noch vor drei Jahren sei die HU an der FU ein „rotes Tuch“ gewesen, sagt ein AS-Mitglied. Ständig habe die Sorge bestanden, die FU werde vom Land Berlin benachteiligt. Der neue FU-Präsident Ziegler sei aber gut darin, Ängste vor dem Verbund zu zerstreuen. Der Archäologieprofessor Reinhard Bernbeck, der ebenfalls im AS der FU sitzt, sagt: „Ich glaube, die Message ist angekommen: Es muss unheimlich aufgepasst werden, dass im Verbund nicht verloren geht, was die FU in der Exzellenzinitiative erreicht hat.“

"Wir verlassen ausgetretene Pfade"

Tatsächlich ist es zwischen den drei Unis und der Charité bei der Erarbeitung des Verbundantrags auch zu Konflikten gekommen. „Kontroversen müssen sein, die drei Einrichtungen haben ja eine verschiedene Story“, sagt TU-Präsident Thomsen. Sie seien daran gewöhnt, Dinge in einer spezifischen Weise zu erledigen. In den vergangenen zwei Jahren habe sich während der Vorbereitung des Antrags aber bereits vieles harmonisiert. „Das sind dann nicht nur Kompromisse, sondern wir verlassen ausgetretene Pfade, um das Bestmögliche zu erreichen.“

Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität, sagt: „Natürlich hat das Erringen eines Verbundes an vielen Stellen auch den Austausch von Meinungsverschiedenheiten beinhaltet. Es gab unterschiedliche Vorstellungen in allen Bereichen. Das halte ich aber für normal, wenn etwas Neues über alle Institutionen hinweg entstehen soll. Sonst hätte Herr Strohschneider ja Recht.“

DFG-Präsident Peter Strohschneider hatte vor zwei Jahren gesagt, er erkläre sich gemeinsame Vorhaben wie das in Berlin auch als „Risikovermeidungsstrategie“, nach dem Motto „gemeinsam sind wir stärker“. Größe sei aber noch kein Qualitätsausweis. Dass ein ranghoher Wissenschaftsfunktionär sich schon im Vorfeld abfällig über Verbundanträge geäußert hat, zeigt, unter welch großem Druck Berlins Unis stehen.

„Das ist eine Bemerkung, die wir uns ins Stammbuch geschrieben haben“, sagt HU-Präsidentin Kunst. „Wir wollen durch die Qualität unseres Antrags zeigen, dass es uns gerade nicht um Risikovermeidung geht, sondern darum, das Potenzial der vorhandenen Vernetzung und die Konzentration der Berliner Wissenschaft noch besser auszuschöpfen.“ Jede Berliner Universität hätte aber das Potenzial gehabt, auch allein anzutreten, wenn sie es gewollt hätte, sagt Kunst.

Zur Startseite