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Frauen in Seoul, Südkorea, in einer Fußgängerzone.

© REUTERS/Kim Hong-Ji

Update

Erneute Corona-Ansteckung bei genesenen Patienten: Die Nachricht aus Hongkong ist keine Hiobsbotschaft

In Hongkong hat sich offenbar jemand zum zweiten Mal mit dem Coronavirus infiziert. Auch aus Europa werden nun Fälle gemeldet. Überraschend ist das nicht.

Hinweise auf Fälle, in denen sich Personen ein zweites Mal mit dem Coronavirus angesteckt haben, gab es schon früher. Jetzt scheint es wirklich sicher nachgewiesen, da Forscher in Hongkong bei der zweiten Infektion eines jungen Mannes eine genetisch leicht veränderte Virusvariante im Vergleich zu dessen erster Erkrankung feststellen konnten. Auch bei zwei weiteren Fällen, in den Niederlanden und Belgien gelang dieser Zweitinfektionsnachweis Medienberichten zufolge.

Bedeutet dieser Nachweis, dass alles noch viel schlimmer ist, dass man nicht immun wird, selbst nach Erkrankung oder irgendwann vielleicht möglicher Impfung? Dass das Coronavirus mit allen seinen Folgen bei uns bleibt bis ans Ende der Tage?

Tatsächlich ist diese Nachricht alles andere als eine Hiobsbotschaft. Mediziner - und vor allem auf Viren spezialisierte Biologen - hätte es eher überrascht, wenn ausgerechnet dieses Mitglied der Coronavirus-Familie hinsichtlich der Entwicklung von Immunität beim Menschen Eigenschaften hätte, die seine direkten Verwandten so gar nicht haben.

Coronaviren sind dafür bekannt, meist keine 100prozentige lebenslange Immunität auszulösen. Zwar hofften Virologen und Immunologen lange, Covid-19 würde sich als Musterschüler erweisen und Langzeitimmunität auslösen.

Doch es hält sich nun offenbar doch nicht an das ohnehin idealisierte und grob vereinfachte Bild des Immunsystems - Keim dringt ein, Immunsystem macht Antikörper, Mensch ist für immer immun -, das in der Öffentlichkeit dominiert. 

Der Mann war infiziert – aber nicht krank

Die normalen Coronaviren jedenfalls, die normale Erkältungen auslösen, können oft schon nach weniger als einem Jahr Menschen wieder infizieren. Und das Immunsystem besteht eben nicht nur aus in ausreichender Menge vorgehaltenen, im Blut herum schwimmenden Antikörpern.

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Wäre dem so, wäre bei all den Erregern, gegen die ein Mensch in seinem Leben mehr oder minder immun werden muss, vor lauter Antikörpern irgendwann kaum noch Platz für all die anderen, auch nicht ganz unwichtigen Bestandteile des Blutes. 

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Das Immunsystem ist vor allem Erinnerung an Keime und wie man sie bekämpft, gespeichert in Zellen. Viel davon ist noch immer nicht bis ins Detail verstanden. Aber bei dem Mann aus Hongkong scheint diese Erinnerung zumindest funktioniert zu haben. Er war infiziert, aber wurde nicht krank.  

Bei dem 33-Jährigen wurde unzweifelhaft und molekulargenau nachgewiesen, dass er sich erneut mit dem Coronavirus infiziert hat. Denn bei ihm war es möglich, die Erreger der ersten und zweiten Infektion genetisch ausreichend genau zu vergleichen. Und die zweite Infektion ging auf einen anderen, inzwischen eher in Europa verbreiteten Virenstamm zurück.

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Der Mann war tatsächlich in Europa gewesen, sonst hätte man ihn gar nicht getestet. Und dass Proben seiner ersten Infektion zur Verfügung standen, um sie mit der neuen zu vergleichen, ist auch nur auf das vergleichsweise rigorose und minutiöse Procedere in Hongkong zurückzuführen. Dort war der Mann im März bei seiner ersten Infektion trotz milder Symptome im Krankenhaus isoliert worden und seine Testdaten wurden molekulargenau dokumentiert.

Welche Interpretation ist richtig – die optimistische oder die pessimistische?

Dass dieser am Montag gemeldete Fall kein Einzelfall ist, zeigen die kurz darauf eilig nachgezogenen Meldungen aus den Niederlanden und Belgien, wo offenbar ebenso verlässlich gezeigt wurde, dass die neue Infektion wirklich neu ist, und nicht ein Rest der alten. Es sind aber eben bislang doch nur einzelne Fälle. Und letzteres ist vielleicht das Wichtigste an diesen Nachrichten und ihrer möglichen Interpretation. 

Das gilt für die optimistischen wie die pessimistischen Varianten. Eine optimistische Interpretation ist, dass die Tatsache, dass etwa der Mann aus Hongkong bei der zweiten Infektion keinerlei Symptome, aber eine effektive Immunantwort zeigte, ein Hinweis auf etwa sehr Erwünschtes ist: Das körpereigene Abwehrsystem sollte Neuinfektionen deutlich besser in den Griff bekommen als Erstinfektionen, und mit jeder Neuinfektion stiege die Abwehr-Effektivität. In den Niederlanden war es laut Marion Koopmans, weltweite Virenkoryphäe an der Uni Rotterdam, ein Patient mit stark beeinträchtigten Immunsystem, also sicher kein repräsentativer Fall.

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Eine pessimistischen Interpretation ist, dass man sich vielleicht immer und immer wieder anstecken kann und der Mann aus Hongkong eben Glück hatte, andere Zweitinfektionen aber durchaus auch schwer verlaufen könnten. Auch um das beurteilen zu können, bräuchte man deutlich mehr Fälle.

Wahrscheinlich ist, dass es diese deutlich mehr Fälle wirklich längst gibt, dass sie aber, weil die Leute nicht krank werden, nicht entdeckt werden. Auch das kann man aber nicht nur positiv werten, sondern es könnte dann eben auch zu befürchten sein, dass so die Zahl derer, die das Virus unbemerkt verbreiten, steigt. 

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Tatsächlich kann es aber durchaus sein, dass jener Mann, weil die Tests so empfindlich sind, selbst gar nicht infektiös war. Aber ein Immunsystem arbeitet eben im Körper. Nicht so gut außen auf einer Schleimhaut, von wo der Abstrich stammt. Da könnten sich nachweisbare, aber medizinisch völlig bedeutungslose Mengen des Virus - oder eben auch nur Virusmüll als Ergebnis der effektiven Immunreaktion aus abgestorbenen Schleimhautzellen - theoretisch auch einmal eine Zeitlang halten. Auch das ist Theorie, und ob Leute mit Zweitinfektionen Viren verbreiten oder nicht, weiß eben derzeit niemand.

Auch für die Suche nach einem Impfstoff ist die Nachricht aus Hongkong kein Rückschlag. Sondern allenfalls eine wertvolle Information. Vielleicht wird ein Impfstoff, so wie gegen andere Infektionsleiden ja auch, eben mehrfach gespritzt werden müssen, um wie nach Mehrfachinfektionen dann eine sichere Immunantwort zu garantieren. Und auch bei anderen Krankheiten, gegen die es wirksame Impfungen gibt, können danach noch Infektionen mit dem Erreger auftreten, allerdings entweder sehr selten, oder eben mild genug, dass sie meist keine Probleme machen. Und lebenslange 100prozentig sichere Immunität ist nicht nur bei Coronaviren, sondern insgesamt eher die Ausnahme. Sonst bräuchte uns der Hausarzt oder die Hausärztin etwa bei Tetanus nie die nötige Auffrischungsimpfung verpassen. 

Gut möglich, und zu hoffen, dass er oder sie uns in ein paar Jahren auch zum Schutz vor Covid-19 daran erinnert, dass es wieder Zeit ist.

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