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Mäuse, hier am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch, dienen als Modell für den Menschen. Doch nicht alle Tierversuchsergebnisse lassen sich beim Menschen reproduzieren.

© Mike Wolff

Erfolgreich im Tierversuch: mRNA-Cocktail wirkt bei Mäusen gegen Krebs

mRNA-Impfstoffe wirken gegen Covid-19. Sie könnten auch gegen andere Krankheiten eingesetzt werden.

Eine auf mRNA-Molekülen basierende Immuntherapie wirkt bei Mäusen gegen Krebs. Forscher um Christian Hotz und Ugur Sahin vom Mainzer Unternehmen Biontech, das die erste zugelassene mRNA-Impfung gegen Covid-19 entwickelt hat, spritzten mRNA-Moleküle direkt in Tumore der Nager, wo sie krebsbekämpfende Immunstoffe herstellten.

Daraufhin stoppte das Tumorwachstum, bei vielen Tieren bildeten sich die Geschwulste vollständig zurück, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Translational Medicine“. Sie wollen ihren mRNA-Cocktail nun in einer klinischen Studie am Menschen testen.

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Kooperation mit Sanofi

„Die Studie liefert ein Beispiel dafür, wie mRNA als Werkzeug genutzt werden kann“, kommentiert der Onkologe und Immuntherapiespezialist Niels Halama vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, der nicht an der Studie beteiligt war, die Arbeit. Die Forscher zeigten etwa, wie sich mRNA verpacken lasse und dass sich bei Gabe in den Tumor gezielte Veränderungen in dessen Mikroumgebung auslösen ließen.

„Der Weg zur Anwendung im Menschen hat noch einige Hürden, der Ansatz muss im Menschen natürlich auch genauso funktionieren wie im Tier. Das ist bei den Unterschieden im Immunsystem zwischen Maus und Mensch nicht garantiert und die Autoren weisen in ihrer Arbeit auch darauf hin, dass es da noch Probleme geben kann.“

mRNA ist ein kleines Molekül, das als eine Art Bauanleitung dient. Mit ihrer Hilfe wird im Körper die Herstellung von Proteinen veranlasst. Bei dem von Biontech entwickelten Covid-19-Impfstoff trägt die mRNA die Bauanleitung für ein Protein aus der Hülle von Sars-Cov-2. Das Immunsystem des Körpers erkennt das fremde Protein, bildet Abwehrstoffe dagegen und schützt so vor einer späteren Infektion mit dem Coronavirus.

Das Potenzial von mRNA zur Bekämpfung anderen Erkrankungen wie Krebs wird derzeit von vielen Forschenden weltweit untersucht. Biontech arbeitete in der aktuell vorgestellten Studie dazu mit dem Pharmaunternehmen Sanofi zusammen.

Mögliches Kombinationspräparat

Die Forschenden testeten ein mRNA-Gemisch, das die Herstellung von vier verschiedenen Zytokinen vermittelt. Das sind kleine Eiweiße, die unter anderem das Zellwachstum regulieren und von denen bekannt ist, dass sie bei der Krebsbekämpfung eine Rolle spielen. Dazu gehören etwa Interleukine oder Interferone.

Einige Zytokine werden bereits in der Behandlung von Krebs eingesetzt. Allerdings werden sie im Körper rasch abgebaut. Um eine Wirkung zu zeigen, müssen sie häufig verabreicht werden, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöht. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, nutzen die Forscher um Sahin nun mRNA als Bauanleitung für die Zytokine. Diese injizierten sie in einer Salzlösung unmittelbar in Tumore des Darms und der Haut von Mäusen. Dort wurden mit Hilfe der mRNA-Moleküle die Zytokine hergestellt.

Die Behandlung führte zu einer Stimulation des Immunsystems und bremste das Wachstum der Tumore. Bei 17 von 20 behandelten Mäusen ging der Krebs vollständig zurück. Selbst entfernt gelegene Tumore etwa in der Lunge schrumpften. Nebenwirkungen beobachteten die Forscher nicht, die Überlebenszeit der Tiere stieg.

Wie sie weiter berichten, ließ sich die Wirkung des mRNA-Cocktails durch die Kombination mit einer anderen Immuntherapie, dem Einsatz von sogenannten Checkpoint-Hemmern, noch verbessern. Diese lösen eine Hemmung des Immunsystems, die manche Tumore auslösen.

Die mRNA-Therapie soll nun in einer klinischen Studie auf ihre Wirksamkeit beim Menschen getestet werden. Prinzipiell eigne sich das Verfahren bei zahlreichen soliden Tumoren, die für eine Injektion erreichbar seien, erläutern die Wissenschaftler. Auch tiefer gelegene Tumore könnten möglicherweise erreicht werden.

Anja Garms, dpa

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