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Genmutationen können die Gewaltbereitschaft steigern.

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Erbliche Aggressivität: Der Groll aus den Genen

Ist der Hang zu Gewalttaten Folge einer traumatischen Kindheit oder spielt auch das Erbgut eine Rolle? Finnische Forscher fanden jetzt, dass bei mehrfach gewalttätigen Straftätern zwei Genveränderungen häufiger als üblich vorkommen.

Ist das gewaltsame Handeln bestimmter Straftäter angeboren oder das Ergebnis von Erfahrungen in der Kindheit und besonderer Lebensumstände? Bei dem Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben Jari Tiihonen und sein Forscherteam vom schwedischen Karolinska-Institut das Erbgut von 753 inhaftierten Finnen untersucht. Bei 538 der Häftlinge handelte es sich um Gewaltverbrecher, von denen 84 als besonders gewalttätig eingestuft wurden. 215 waren wegen nicht-gewaltsamer Taten verurteilt worden. Bei den Gewaltverbrechern fanden die Forscher signifikant häufiger Mutationen in den zwei Genen MAOA und CDH13, bei den anderen Inhaftierten traten diese Genveränderungen hingegen nicht auffallend oft auf, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Molecular Psychiatry“.

Zu viel Dopamin

Die Forscher berücksichtigten auch andere Faktoren, etwa Drogenabhängigkeit, unsoziales Verhalten oder etwaige traumatische Erlebnisse während der Kindheit – dies änderte aber das Ergebnis ihrer Untersuchungen nicht. Eines der Gene, MAOA, ist Forschern schon länger bekannt. Ein Ausfall oder eine reduzierte Aktivität des Gens führt zu einer geringeren Produktion des Enzyms Monoaminoxidase A, wodurch im Hirn zu viel des Nervenbotenstoffs Dopamin verbleibt, was aggressives Verhalten fördert. Das zweite Gen, CDH13, beeinflusst die Impulskontrolle und ist in Konzentrationsstörungen involviert.

Tiihonen betont aber, dass die Genmutationen keineswegs dazu führen, dass ein Mensch zwangsläufig gewalttätig wird. Beim Menschen seien die beiden mutierten Gene „ziemlich gewöhnlich", schreibt der Forscher. Etwa ein Fünftel der Menschen weise sie auf, doch die große Mehrheit von ihnen begehe nie Verbrechen wie Vergewaltigung, Mord oder Überfälle. Zwar erhöhen Mutationen in den Genen MAOA und CDH13 den Hang zu Gewalttaten um das 13-Fache, verglichen mit einer „üblichen“ Genkombination, so Tiihonen. Doch die überwältigende Mehrheit der Menschen mit diesen Risiko-Genen begehe dennoch keine gewaltsamen Verbrechen.

Mutationen erklären fünf bis zehn Prozent der Gewalttaten

„Ich denke, wir haben jene zwei Gene ausgemacht, die den größten Einfluss auf aggressives Verhalten haben“, betont Tiihonen. Mindestens fünf bis zehn Prozent aller schweren gewalttätigen Verbrechen in Finnland stünden mit diesen Genvarianten in Verbindung, schätzt der Neurologe. Es gebe aber vermutlich Dutzende oder gar hunderte anderer Genen, die ebenfalls Einfluss auf das aggressive Verhalten eines Menschen nehmen. Das Ergebnis der Studie sei jedenfalls nicht eindeutig genug, um als Vorsorgemaßnahme breit angelegte Genuntersuchungen zu rechtfertigen. (AFP/skb)

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