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Es sind die feinen Striche auf dem Foto der Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919, die Einsteins Theorie bestätigten.

© Dyson/Eddington/ Davidson/Wikimedia

Entscheidender Beweis vor 100 Jahren: Wie Einstein durch eine Sonnenfinsternis bestätigt wurde

Vor genau 100 Jahren machte ein Himmelereignis Einstein zum berühmtesten Physiker aller Zeiten. Seitdem blicken wir anders auf Raum und Zeit.

Ein jeder testet fast täglich die Relativitätstheorie von Albert Einstein auf ihre Richtigkeit. Wenn das Navi in unserem Auto verkündet: "Sie haben Ihr Ziel erreicht", dann stimmt das nur deshalb, weil die Atomuhren an Bord der Satelliten des GPS-Navigationssystems auch Einsteins Formeln berücksichtigen.

Diese sogenannten Feldgleichungen hatte Einstein nach langjährigen Überlegungen und Rechnungen erstmals im November 1915 in einem Vortrag an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin präsentiert. Sie beschreiben das Getriebe des Kosmos ganz anders, als die Physiker es seit den Zeiten des englischen Naturwissenschaftlers Isaac Newton mehr als zwei Jahrhunderte lang gewohnt waren.

Einsteins neue Erklärung für die krumme Bahn der Erde um die Sonne

In der Newton’schen Himmelsmechanik war der "Raum" nur ein Behälter, durch den sich die Himmelskörper im Laufe einer gleichmäßig ablaufenden "Zeit" bewegen. Und wenn dabei ein Planet wie die Erde sich nicht auf einer geraden Bahn bewegt, sondern auf eine Umlaufbahn um die Sonne gezwungen wird, dann ist dazu laut Newton eine anziehende "Gravitationskraft" zwischen Sonne und Erde nötig.

Im Gegensatz dazu sind in Einsteins Relativitätstheorie "Raum" und "Zeit" keine absoluten und voneinander unabhängigen Größen. Sie sind vielmehr verschmolzen zu dem geometrischen Gebilde einer vierdimensionalen "Raum-Zeit".

Mithilfe dieser Raum-Zeit-Geometrie fand Einstein eine ganz neue Erklärung für die Bewegungen der Himmelskörper auf ihren krummen Bahnen, wie zum Beispiel die Bahn der Erde um die Sonne: Wie alle Himmelskörper verbiegt auch die Sonne die Geometrie der Raum-Zeit in ihrer Umgebung.

Und die Erde folgt auf ihrer Umlaufbahn dieser von der Sonne verursachten Krümmung der Raum-Zeit vollkommen kräftefrei auf einer ganz natürlichen Bahn. Aber wer hatte nun recht: Newton mit seinen intuitiv leicht vorstellbaren Gravitationskräften? Oder Einstein mit seiner nur schwer vorstellbaren Raum-Zeit-Krümmung und ihrer schwierigen mathematischen Beschreibung?

Am 29. Mai 1919 gab es eine einmalige Chance

1916 schlug Einstein mehrere Möglichkeiten vor, wie man seine Relativitätstheorie auf ihre Richtigkeit testen könnte. Eine davon würde sich bei einer totalen Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 ergeben: Während der Mond einige Minuten lang direkt vor der Sonne vorbeiwandert und dabei ihr helles Licht abdeckt, ließe sich die Verbiegung der Raum-Zeit in ihrer Umgebung erkennen.

Denn in der verdunkelten Umgebung der Sonne wären dann einige Sterne zu sehen. In Wahrheit leuchteten diese Sterne natürlich weit hinter der Sonne. Ihr Licht würde also, aus großen Entfernungen kommend, nahe an der Sonne vorbeifliegen, ehe es auf der Erde ankommt.

Und falls die Raum-Zeit in der Umgebung der Sonne tatsächlich verbogen ist, müsste auch das Licht dieser Krümmung folgen und aus seiner geraden Lichtbahn abgelenkt werden. Es würde also nicht mehr aus seiner ursprünglichen Richtung bei uns ankommen. Anders ausgedrückt: Die Sterne, die man um die verdunkelte Sonne herum sehen würde, wären verschoben im Vergleich zu ihren wahren Positionen.

Der Nachteil: Von Europa aus sah man die Finsternis nicht

Auch Newton hatte einen solchen Effekt vorhergesagt. Doch die mit seinen Gravitationskräften berechneten Verschiebungen der Sternpositionen waren nur halb so groß wie die Verschiebungen, die Einstein aufgrund der Raum-Zeit-Krümmung vorhersagte. Theoretisch also sollte es eine Sonnenfinsternis schnell an den Tag bringen, ob Newton recht hatte oder Einstein.

Und die Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 war dafür besonders günstig. Denn die Sonne stand an diesem Tag zufällig genau vor dem Sternhaufen der Hyaden. Deshalb waren während der Verfinsterung überdurchschnittlich viele Sterne um die Sonne herum zu sehen, deren jeweilige Verschiebung gemessen werden konnte. Der Nachteil: Von Europa aus konnte man diese Sonnenfinsternis nicht beobachten.

Deshalb brachen im Frühjahr 1919 zwei britische Wissenschaftsexpeditionen auf – eine nach Sobral in Brasilien, eine zur Insel Principe vor der Westküste Afrikas –, um von dort ihre Fernrohre auf die verfinsterte Sonne zu richten und die dabei sichtbar werdenden Sterne in ihrer Umgebung auf Fotoplatten zu bannen.

Die Auswertung der gewonnenen Bilder war mühsam. Die Positionen der sichtbaren Sterne waren tatsächlich verschoben – aber jeweils nur um Bruchteile von Millimetern. Doch nachdem die Wissenschaftler sowohl atmosphärische Störungen als auch instrumentelle Abbildungsfehler aus ihrem Messergebnis herausgerechnet hatten, waren sie sich sicher: Die verschobenen Positionen der vermessenen Sterne zeigten eine Krümmung der Raum-Zeit gemäß Einstein an und nicht die Wirkung von Gravitationskräften, wie sie Newton postuliert hatte.

Eine Wissenschaftsmeldung bestimmt die Schlagzeilen

Nur wenige Monate nach dem Ende des 1. Weltkriegs hatten somit ausgerechnet britische Astronomen gezeigt, dass die neue Theorie des Wissenschaftlers aus dem Land des ehemaligen Kriegsgegners die Welt genauer beschreibt als die alte Theorie ihres Landsmanns Newton. Und wohl zum ersten Mal bestimmte daraufhin eine Nachricht aus der Welt der Wissenschaften die Schlagzeilen rund um die Erde.

Die "Berliner Illustrierte Zeitung" etwa nannte in ihrer Ausgabe vom 14. Dezember 1919 Einstein "eine neue Größe der Weltgeschichte". Und die "New York Times" titelte: "Lights all askew in the heavens", frei übersetzt: "Die Sterne hängen schief im Himmel".

Obwohl stark übertrieben, machten solche Schlagzeilen Albert Einstein mit einem Schlag weltberühmt. Und das zu Recht: Denn ohne seine Relativitätstheorie wüssten wir vielleicht heute noch nichts von der Existenz schwarzer Löcher und hätten keine Gravitationswellen entdeckt, weil wir gar nicht nach ihnen gesucht hätten.

Und ohne Einsteins Gleichungen würden wir wohl heute noch in die sich immer weiter weitenden Weiten des Weltalls blicken, ohne zu wissen, dass sie die Geschichte des Universums erzählen.

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