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Blick in eine Straße in der britischen Universitätsstadt Oxford.

© IMAGO

Enge Kooperation mit britischer Universität: Wie Oxford Berlin helfen kann - und umgekehrt

Die drei großen Universitäten und die Charité gehen eine Partnerschaft mit Oxford ein. Dabei geht es um mehr als die Auswirkungen des Brexit.

Je näher der Brexit rückt, desto deutlicher wird, dass er vor allem eines ist: planlos. Gerade für die Wissenschaft birgt er enorme Unsicherheiten. Auf britischer Seite drohen vor allem die Förderungen durch die EU wegzufallen. Doch in Berlin soll jetzt eine rettende Insel für Spitzenforschung und Top-Forschende aus dem Vereinten Königreich entstehen.

Die drei großen Berliner Universitäten und die Charité planen wie berichtet eine enge Kooperation mit der Universität von Oxford: Als britische Filiale auf dem europäischen Kontinent soll ein „Oxford Research Center“ in Berlin entstehen. Und die deutsche Hauptstadt plant ein „Berliner Haus“ in Oxford als Basisstation für den Austausch.

Vom Brexit soll keine Gefahr für Forschung und Lehre ausgehen

Der Brexit sei so schlecht organisiert, dass die Wissenschaftsstädte Berlin und Oxford sicherstellen müssten, dass von ihm keine Gefahren für die dort forschenden und lehrenden deutschen und britischen Wissenschaftler ausgehen, begründete Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, jetzt den engen Austausch. Bei einer Podiumsdiskussion im Großbritannien-Zentrum der HU wurde am Donnerstag die „OX/BER Research Partnership“ von den beteiligten Unileitungen vorgestellt.

Eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftsstandorte war im Dezember 2017 unterzeichnet worden. In diesem Jahr haben Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Hochschulmanager Schritte zur konkreten Umsetzung in zahlreichen deutsch-britischen Workshops ausgearbeitet.

Auch ohne Brexit müsste man in Zeiten des zunehmenden Nationalismus in der Wissenschaft enger zusammenrücken – darüber war man sich auf dem Podium einig. Viele der Probleme, zu deren Lösung Wissenschaft beitragen könne, sind global wie nie zuvor. „Wissen ist kein Nullsummenspiel: Je mehr Leute daran teilhaben, desto besser kommen wir voran“, sagte Louise Richardson, die Rektorin der University of Oxford. Herausforderungen wie Künstliche Intelligenz, Klimawandel und Digitalisierung seien internationale Probleme, die nur in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit angegangen werden könnten.

Für Oxford ist die Filiale in Berlin existenziell

HU-Präsidentin Sabine Kunst betonte, dass die OX/BER-Vorhaben nicht nur international, sondern auch interdisziplinär behandelt würden. Sie schließen die vier Fachrichtungen Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften, Medizin und Naturwissenschaften gleichermaßen ein.

Für Oxford wird die Repräsentanz in Berlin im Fall des Brexit existenziell. Nach dem EU-Austritt fungiert das Berliner Standbein als „physische und legale Institution auf dem europäischen Festland“, wie es in einem Papier der Kooperationspartnerinnen heißt. Die braucht die britische Universität, um auch ohne EU-Mitgliedschaft ihres Sitzlandes weiterhin Fördermittel der EU, wie etwa für die millionenschweren Programme des Europäischen Forschungsrats (ERC), beantragen zu können. Das Oxford Research Center biete dabei eine „Formalisierung unserer Rolle als europäische Institution“, heißt es.

Berlin soll durch die Kooperation in Rankings aufsteigen

Für Berlin ist das Zusammengehen mit Oxford auch eine Frage des Prestige. So soll die „erhöhte Sichtbarkeit“, die OX/BER bringt, auch helfen, die Positionen der Berliner Universitäten in weltweiten Hochschulrankings zu verbessern. Oxford zählt seit Jahrzehnten regelmäßig zur internationalen Spitzengruppe in solchen Ranglisten, während Berlin wie alle anderen deutschen Hochschulen erst ab Platz 50 zu finden ist. Rückenwind erhofft sich Berlin nicht zuletzt auch für die Königsdisziplin in der Exzellenzstrategie für die deutschen Universitäten, wo die drei großen Unis mit der Charité als Berlin University Alliance antreten.

Über die vorrangigen politischen Motivationen hinaus soll OX/BER auch Forschung und Lehre an beiden Standorten beflügeln: Gemeinsame Projekte etwa in der Neurowissenschaft, in der Robotik und in der Archäologie sind bereits vereinbart. Für Studierende und Forschende soll es „niedrigschwellige“ Angebote für Gastaufenthalte geben. Austauschen will man sich unter anderem auch über gemeinsame Standards für das Medizinstudium.

Ab Januar 2019 startet die Kooperation für 20 ausgewählte Projekte mit einer maximalen Fördersumme von 30.000 Euro pro Projekt als Anschubfinanzierung für Bewerbungen bei Drittmittelgebern der EU und beider Länder. In der Bewerbungsphase seien 65 Vorschläge aus Oxford und von den Berliner Unis eingegangen, an denen rund 600 Menschen beteiligt waren, und von denen 28 als exzellent begutachtet wurden. Der Enthusiasmus für die gemeinsamen Projekte sei enorm, lobte FU-Präsident Günter M. Ziegler. Man müsse nach Wegen suchen, auch die übrigen acht Projekte zu fördern.

In beiden Städten werden jetzt geeignete Standorte gesucht

Konkreter als bisher wird jetzt auch das „Berlin Haus” in Oxford. „Wir brauchen in Oxford eine feste Struktur, die eine Brückenfunktion für Wissenschaftler aus Oxford und Berlin übernimmt”, erklärte Karl Max Einhäupl, der Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Charité. Das Haus werde Arbeitsplätze und Räumlichkeiten für gemeinsame Projekte und Veranstaltungen bieten. Eine mögliche Immobilie hat eine Berliner Delegation unlängst in Oxford besichtigt. Die Finanzierung der Mietkosten sei aber ebenso wenig geklärt, wie die Kostenfrage für die nötigen Renovierungsarbeiten und den Betrieb des Hauses, gab Einhäupl zu.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller bei einem Besuch in Oxford.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller besuchte unlängst Oxford - im Bild mit Richard Ovenden, dem Leiter von Oxfords Bodleian Library, und Alastair Buchan, dem Brexit-Beauftragten der britischen Uni.

© Senatskanzlei

Oxford ist indes schon seit knapp zwei Jahren in Berlin präsent. Der Brexit-Beauftragte der Universität, Alastair Buchan, treibt die Kooperation auch in Räumen voran, die die Charité bereitstellt. Uni-Chefin Louise Richardson besichtigt in diesem Tagen Räumlichkeiten, die für das geplante „Oxford House” in Frage kommen könnten.

Für Charité-Chef Einhäupl ist dies „vielleicht einer der besten Effekte des Brexit“: Dass Oxford und Berlin nun trotz politischer Unklarheiten und des Auseinanderdriftens der EU in der inhaltlichen Zusammenarbeit und auch durch physische Präsenz so eng zusammenrücken.

Carla Spangenberg

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