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© dpa-Zentralbild

Energiespeicher: Gut aufgehoben

Um die Stromnetze vor dem Kollaps zu bewahren, werden in Zukunft gigantische Speicherkapazitäten benötigt, die große Mengen von Energie aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben können.

Eine Leben ohne elektrischen Strom ist in weiten Teilen der Welt unvorstellbar. Auf Fernseher, Mikrowelle, Computer und vor allem Licht will kaum einer verzichten. „Eine ‚all electrical society’ entwickelt sich“, sagt der Sprecher des Innovationszentrums Energie der TU Berlin, Frank Behrendt. Denn Strom aus der Steckdose ist nicht nur sauber, sondern lässt sich vor allem auch sehr vielfältig einsetzen. Allerdings hat der Energieträger einen großen Nachteil: „Elektrizität ist extrem flüchtig“, sagt Behrendt.

Lagern wie Kohle im Keller oder Heizöl im Tank lässt sich Strom nur schwer. Und wenn doch, dann nur in kleineren Mengen, die nicht lange reichen, wie der Akku des Laptops beweist. Aber auch im Elektrizitätsnetz ist Strom sehr flüchtig. Einmal erzeugt, muss er gleich verbraucht werden. Um sowohl der schwankenden Nachfrage als auch dem schwankenden Angebot gerecht zu werden, sind Speicher nötig, die große Mengen Energie aufnehmen können. Durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne sind die Entwickler umso mehr gefragt.

Druckluftspeicher

Die weltweit erste Anlage dieser Art wurde 1978 im norddeutschen Huntorf gebaut – übrigens als Energiespeicher für das nahe Kernkraftwerk Unterweser, weil sich die Leistung dieser Kraftwerke nur langsam regeln lässt. Das größte Element des Druckluftspeichers sind zwei künstliche Höhlen mit jeweils 200 Metern Höhe und 70 Metern Durchmesser, die im Salzgestein in einer Tiefe von bis zu 800 Metern ausgewaschen wurden. In der Nacht nehmen riesige Kompressoren bis zu 60 Megawatt überschüssige Leistung des Reaktorblocks auf und pumpen Luft in die Höhlen. Wird tagsüber in Spitzenlastzeiten besonders viel Strom benötigt, zischt die Luft in eine Gasturbine und wird dort mit zusätzlich eingeleitetem Erdgas verbrannt. Die Turbine treibt einen Generator an, der so zwei Stunden lang mit 290 Megawatt ungefähr ein Viertel der elektrischen Leistung des Kernreaktors liefert. Immerhin rund 40 Prozent der als Druckluft gespeicherten Elektrizität liefert ein solches Druckluftspeicherkraftwerk als Strom wieder ins Netz zurück.

„Einige solcher Druckluftspeicher könnten in Zukunft im Salzgestein unter der Nordseeküste entstehen“, sagt Kristina Bognar vom TU-Institut für Energietechnik. Sie denkt dabei an die großen Windenergieparks, die bereits heute und verstärkt in den nächsten Jahren etliche Kilometer vor der Küste gebaut werden. Wenn der Wind kräftig weht, würde im Norden so viel Strom erzeugt, dass ein Zusammenbruch des Netzes droht, wenn es keine geeigneten Speicher gibt.

Allerdings haben solche Kraftwerke einen gravierenden Nachteil, den man bereits an einer Luftpumpe fürs Fahrrad beobachten kann. „Beim Aufpumpen werden Pumpe und Luft ziemlich heiß“, erklärt Behrendt. Die auf den 100-fachen Atmosphärendruck verdichtete Luft eines Pumpspeicherkraftwerkes ist daher über 600 Grad Celsius heiß. In Huntorf geht diese Wärmeenergie verloren, daher der relativ niedrige Wirkungsgrad.

Aus diesem Grund sollen neue Anlagen die heiße Druckluft erst über einen Wärmespeicher leiten, bevor sie abgekühlt die Höhle füllt. Zur Stromerzeugung wird die Pressluft dann im Wärmespeicher wieder auf die 600 Grad Celsius gebracht, bei denen die Turbine arbeitet. „Als Wärmespeicher bieten sich etwa Salzschmelzen an“, sagt Behrendt. So könne der Wirkungsgrad auf bis zu 70 Prozent steigen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Druckluftspeicher unter der Erde sind und das Landschaftbild kaum stören.

Pumpspeicherwerke

Im Grunde handelt es sich dabei um Stauseen, in die mithilfe von überschüssigem Strom Wasser in ein höher gelegenes Reservoir gepumpt wird. Wird mehr Strom benötigt, als die normalen Kraftwerke liefern, schießt das Wasser durch die gleichen Rohre wieder in die Tiefe und treibt über Turbinen Generatoren an. Allein in Deutschland gibt es 33 solcher großen Pumpspeicherwerke, die mit mehr als 6600 Megawatt die Leistung von fünf großen Kernkraftwerken haben.

Zwei große Vorteile hat die Methode, Elektrizität als hochgepumptes Wasser zu speichern: Der Wirkungsgrad von knapp 80 Prozent wiedergewonnener Energie ist hervorragend und Pumpspeicherwerke können innerhalb von Minuten volle Leistung bringen. Andererseits hängt die Speicherkapazität vor allem von der Wassermenge und dem Höhenunterschied zwischen Wasserspiegel und Turbine ab. Mangels größerer Höhenunterschiede fallen Pumpspeicherwerke daher im größten Teil der norddeutschen Tiefebene im Wortsinn flach. Auch in den Gebirgsregionen Europas sind die Möglichkeiten ziemlich ausgereizt, weil die guten Standorte längst Speicherkraftwerke sind und jeder neue Stausee Natur und Kultur unter seinem Wasserspiegel zerstört.

Wasserstoff

Prinzipiell kann man Wasser mit überschüssiger Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, den Wasserstoff lagern und diesen bei Bedarf in Brennstoffzellen mit dem Sauerstoff der Luft wieder zu Wasser und Elektrizität machen. Aber der Wirkungsgrad ist sehr gering: Gerade 25 Prozent seien es, sagt Behrendt. „Ein effektiver Stromspeicher sollte anders aussehen.“

Elektromobile

Strom in Akkus zu speichern funktioniert für Handy, Laptop und Taschenlampe – aber noch lange nicht für die Großtechnik. Derart große Akkus wären schlicht zu teuer. Einfacher ist es, viele kleine Batterien zusammenzuschalten, etwa die Akkus von elektrisch angetriebenen Autos. Fahren erst einmal ein paar Millionen Elektromobile auf Deutschlands Straßen, können deren Akkus nachts in der Garage geladen werden. Tagsüber, wenn die Fahrzeuge etwa in der Tiefgarage des Bürohauses parken, können sie in Spitzenzeiten oder eben bei Flauten dringend benötigten Strom ins Netz speisen.

Erste Studien für diesen Verbund laufen bereits. Bis genug Elektromobile auf den Straßen rollen, können zum Beispiel auch Wärmepumpen oder Waschmaschinen so gesteuert werden, dass sie vor allem dann Strom ziehen, wenn es kaum andere Abnehmer gibt. In Spitzenzeiten könnten dann Blockheizkraftwerke zusätzliche Elektrizität liefern.

Redox-Flow-Cell

Es gibt allerdings auch Konzepte für Akkus, die größere Energiemengen preiswert speichern können. Kristina Bognar nennt die „Redox-Flow-Cell“, die an der Universität von New South Wales in Australien entwickelt wurde. Sie funktioniert nicht viel anders als herkömmliche Akkumulatoren. So fließen in der Bleibatterie im Auto beim Laden und Entladen Elektronen zwischen Blei am Minuspol und Bleidioxid am Pluspol hin und her.

Die Redox-Flow-Cell dagegen lässt Elektronen nicht zwischen zwei Feststoffen, sondern zwischen zwei Lösungen fließen, die einmal aus Vanadium(II)- und Vanadium(III)-Ionen und in der anderen Hälfte aus Vanadium(IV)- und Vanadium(V)-Ionen jeweils in verdünnter Schwefelsäure bestehen. Diese Lösungen können getrennt voneinander in Tanks gelagert werden und fließen erst beim Laden oder Entladen langsam durch die relativ kleine Zelle. Um große Energiemengen zu speichern, müssen also nur große Tanks gebaut werden. Und da die Redox-Flow-Cell viel mehr Ladezyklen durchhält als eine Bleibatterie, ist dieser Akku relativ preiswert. In einer japanischen Windkraftanlage hat eine solche Zelle gezeigt, dass sie bereits zehn Stunden Flaute mit der Nennleistung der stärksten heutigen Windräder von sechs Megawatt überbrücken kann.

Natrium-Schwefel-Batterien

Eine andere Variante sind Natrium-Schwefel(NaS)-Batterien. Die Forschung an diesem Typ reicht zwar bis in die 70er Jahre zurück, bislang gibt es jedoch nur ein Unternehmen in Japan, das diese Batterien herstellt. Dort werden sie zur Stabilisierung des Stromnetzes verwendet. Die Berliner Firma Younicos AG will jetzt mit der Technik ein Stromversorgungssystem auf der Azoreninsel Graciosa errichten. Es soll ausschließlich aus regenerativen Energiequellen gespeist werden und die bisher eingesetzten Dieselgeneratoren überflüssig machen.

NaS-Batterien haben eine Betriebstemperatur von 300 bis 350 Grad Celsius. Diese hohe Temperatur ist notwendig, damit die Elemente Schwefel und Natrium in flüssiger Form vorliegen. Denn erst dann kommt ein ausreichender Energiefluss zustande. Als positive Elektrode benutzen NaS-Batterien flüssigen Schwefel, als negative Elektrode flüssiges Natrium. Das Elektrolyt dazwischen ist aber nicht flüssig wie bei den meisten Batterien, sondern eine feste Keramik. Deren Aufgabe besteht darin, die Natriumionen zu leiten: Beim Aufladen in Richtung Natriumseite, beim Entladen zur Schwefelseite, wo sich ein Natriumsulfid bildet. Die Batterie in dem 5000-Einwohner-Dorf auf den Azoren soll eine Leistung von einem Megawatt speichern. „Damit kann sie das Inseldorf vier Tage lang versorgen“, sagt Clemens Triebel von der Younicos AG.

Höchstspannungsnetze

Jeder Speicher kostet Geld. Zumindest ein Teil davon kann gespart werden, indem ein weitmaschiges Stromnetz von Höchstspannungsleitungen mit 800 000 oder einer Million Volt aufgebaut wird. Damit ließe sich Strom verlustarm zwischen allen Teilen Europas und vielleicht auch den angrenzenden Regionen übertragen, hoffen Experten. Weil Flauten meist nicht gleichzeitig an der Nordsee, in Kasachstan und Marokko auftreten, liefern in dem großen Verbund stets etliche Windanlagen Strom. Ähnliches gilt für Wolken und Solarenergie. Mithilfe des verlustarmen Netzes können also Schwankungen ausgeglichen und aufwendige Speicher gespart werden.

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