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Von Haus zu Haus. Die Anlagen in dem ehemaligen Flakbunker versorgen 1700 Wohnungen mit Wärme und 1000 mit Strom.

© Monika Rößiger

Energiebunker Hamburg: Eine Ruine für die Zukunft

Der Energiebunker Hamburg, einst nur Ausstellungsprojekt, hat sich als effizientes Ökokraftwerk mit Speichertechnik etabliert und gilt als zukunftsweisend.

Unübersehbar ist er, monströs finden manche den Bunker hier in der Gegend, obwohl er für die allermeisten schon immer da war: Als schwarz-grauer Betonkoloss, gut 40 Meter hoch, prägte das Gebäude jahrzehntelang das Bild von Wilhelmsburg, einem dicht besiedelten Stadtteil auf einer Elbinsel in Hamburg.

Wer sich heute dem ehemaligen Flakbunker aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs nähert, blickt auf eine blau schillernde Fläche aus Photovoltaikmodulen, die an der Südfassade Strom erzeugen. Auch auf dem Flachdach befinden sich Sonnenkollektoren, die zur Wärmeproduktion dienen.

Unkaputtbar

In der Hansestadt ist aus einer Kriegsruine ein Ökokraftwerk - und Musterprojekt der Energiewende - geworden, das Strom und Wärme für die Bewohner der Umgebung erzeugt, ganz ohne rauchende Schlote. Die Energie stammt nicht nur von der Sonne, sondern auch aus einem mit Biomethan befeuerten Blockheizkraftwerk und der Abwärme eines nahe gelegenen Industriebetriebes.

Die sogenannte solare Hülle des Gebäudes ist mehr als 2000 Quadratmeter groß. Die Photovoltaikanlage produziert den Strom, der für den Betrieb von Anlagen innerhalb des Bunkers benötigt wird, zum Beispiel für Pumpen und Steuerungen. Der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist. Auf dem Flachdach, wo früher die Flaktürme standen, befindet sich ein riesiges Feld aus Solarkollektoren. Mit einer Fläche von 1350 Quadratmetern ist sie laut Betreiberangaben die größte Anlage ihrer Art in Deutschland, mit einer thermischen Leistung von 750 Kilowatt (kW). Dazu kommen 451 kW an Abwärme aus der Industrieanlage. Über das Jahr gerechnet produziert der Bunker insgesamt eine Wärmemenge von 14 Gigawattstunden. Die industrielle Abwärme trägt dazu etwas mehr als ein Viertel bei, weil ihr Anteil im Winter deutlich höher liegt.

Erneuerbar

Der Bunker wurde vor fünf Jahren anlässlich der damaligen Internationalen Bauausstellung in eine Zentrale zur regenerativen Energieerzeugung umgewandelt. Das Konzept hat sich so bewährt, dass es nun im Rahmen des Programms Wärmewende 4.0 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Damit soll eine Infrastruktur entstehen, bei der die Wärme zum größten Teil aus erneuerbarer Energie erzeugt wird.

Für eine solche Infrastruktur sind nicht nur regenerative Energiequellen wichtig, sondern auch eine intelligente Vernetzung verschiedener Technologien, die Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen sowohl erzeugen als auch speichern. Effiziente und wenn möglich auch umwelt- und ressourcenschonende Speicher sind bekanntermaßen eine Art Heiliger Gral der Energiewende. Denn nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, trotz schwankender Leistung der Quellen wie Sonne und Wind, rund um die Uhr Energie zur Verfügung zu stellen. Herzstück des Ökokraftwerks im Bunker ist ein großer „Wasserturm“, der sich im Untergeschoss befindet und als Pufferspeicher für Wärme fungiert. Zweitausend Kubikmeter Wasser fasst der 20 Meter hohe Stahltank, der in seinem silbrig glänzenden Isoliermantel aussieht, als wäre er mit Alufolie umwickelt.

„Wir beliefern rund 1700 Wohnungen mit Wärme und 1000 Wohnungen mit Strom“, sagt Joel Schrage, Projektleiter beim städtischen Versorger Hamburg Energie, der die Anlage betreibt. „Der Pufferspeicher ist die zentrale Innovation dieses Projektes. Er ,bunkert’ die Wärme und sichert somit die Versorgung.“

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Variierbar

Gewaltige Rohre durchschneiden den Raum. Sie transportieren Wärme in Form von Wasserdampf – zum Turm hin oder von ihm weg. Gespeist wird er aus dem Blockheizkraftwerk, das direkt neben dem Tank steht und mit Biogas befeuert wird. Auch die Energie aus der Solarthermie-Anlage auf dem Bunkerdach landet in dem silbrigen Turm, ebenso die Abwärme aus einer nahe gelegenen Ölraffinerie.

Schrage klopft an den isolierten Stahltank: Hier unten hat das Wasser etwa eine Temperatur von 60 Grad. Nach oben hin steigt sie bis auf fast 100 Grad an. Der Speicher puffert nicht nur Leistungsschwankungen des Energiezuflusses ab, sondern auch Bedarfsspitzen: Er heizt sich in der Nacht auf, wodurch die benötigte Wärme morgens – für Heizung, Dusche, Spülwasser – bereits zur Verfügung steht. Denn ab sechs Uhr steigt der Bedarf stark an. Die Spitzenheizlast werde dadurch stark reduziert. Verständlicher ausgedrückt: Das Blockheizkraftwerk liefert in Zeiten, in denen der Wärmebedarf besonders hoch ist, deutlich weniger Leistung ab, als es müsste, wenn es den Speicher nicht gäbe.

Der Wasserspeicher macht es möglich, großflächig erneuerbare Energie für die Wärmeversorgung eines Ballungsgebietes wie Hamburg-Wilhelmsburg zu nutzen. 70 bis 75 Prozent der in diesem Stadtteil benötigten Energie werden schon jetzt regenerativ erzeugt, den Rest liefern moderne Gaskessel. Insgesamt werden nach Angaben von Hamburg Energie für dieses Jahr so 5200 Tonnen CO2 weniger ausgestoßen, als wenn alle Energie aus fossilen Quellen gewonnen würde.

Ausbaubar

Bevor die Energiezentrale samt Nahwärmenetz 2013 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung in Betrieb genommen werden konnte, wurde der Bunker aufwendig saniert und umgebaut. „Rund 25 000 Tonnen Schutt wurden hier entfernt“, sagt Schrage und zeigt auf eine verglaste Öffnung im Erdgeschoss. Ein Teil der zwei Meter dicken Bunkerwände musste geöffnet werden, damit die Bagger hier überhaupt hineinfahren konnten. Der Schutt im Inneren des Gebäudes stammte noch von der Sprengung im Jahr 1947, als die Briten vergeblich versuchten, den Monsterbau zu zerstören. Dabei fielen im Inneren zwar viele der zehn Stockwerke ein, aber die äußere Hülle des Bunkers blieb stehen – bis auf einen Riss sogar fast unversehrt.

Inzwischen hat sich das Konzept so bewährt, dass es weiterhin ausgebaut wird, wie Anna Vietinghoff, Sprecherin des städtischen Energieversorgers berichtet: „Wir schließen demnächst eine Kirchengemeinde und einen Waldorfkindergarten an die Versorgung durch den Energiebunker an.“ Aufgrund der steigenden Nachfrage werde man in Zukunft „noch weitere Erzeugerkapazitäten hinzubauen müssen, was uns natürlich sehr freut“.

Was das genau sein wird, ob kleinere Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, Gaskessel oder große Blockheizkraftwerke, sei noch nicht ganz klar, weil das auch von der stadtplanerischen Weiterentwicklung in Hamburg-Wilhelmsburg abhänge. Technologisch befinden sich deshalb jetzt verschiedene Szenarien in der Prüfung, die aber auf jeden Fall in das Nahwärmenetz integriert werden sollen. Ziel der Hansestadt ist es, den Stadtteil auf der Elbinsel bis spätestens 2050 komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen.

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