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Sonnenblumen am Feldrand bei Groß Machnow (Brandenburg).

© Bernd Settnik/dpa

Elegante Drehung: Wie sich Sonnenblumen nach der Sonne ausrichten

Jeden Tag bewegen sich die jungen Pflanzen von Ost nach West, um möglichst viel Licht abzubekommen. Im Alter verharren sie jedoch - auch das hat seinen Grund.

Zum Sommer gehören Sonnenblumen – vielerorts kann man sie jetzt wieder leuchten sehen. Das Besondere an ihnen: Die jungen Pflanzen wenden sich im Tagesverlauf stets der Sonne zu. Wie sie diese Drehung schaffen und warum die Blüten der reifen Sonnenblumen dauerhaft nach Osten ausgerichtet sind, beschreiben zwei Forscherteams jetzt im Fachmagazin „Science“.

Wie jede Pflanze braucht auch die Sonnenblume Licht. Je mehr, umso besser. Deshalb richtet sie ihren Trieb so aus, dass die Blätter immer möglichst voll von der Sonne beschienen werden. Gesteuert wird diese Bewegung durch Signalstoffe. Winslow Briggs (88) von der Stanford-Universität in Kalifornien hat in seiner Forscherlaufbahn eine ganze Reihe davon entdeckt. In seinem Fachartikel beschreibt er nun zwei Mechanismen, mit denen sich die Pflanze ausrichtet.

Unterschiedlich schnelles Wachstum

Die Bewegung der Blätter geht zurück auf Pflanzensäfte, die die Zellen auf einer Seite des Stiels aufquellen lassen. Wenn sich die Zellen auf der anderen Seite nicht verändern oder sogar schrumpfen, krümmt sich der Stiel samt Blatt zu dieser Seite hin. Fließen die Pflanzensäfte wieder zurück, richtet er sich wieder auf. Auf diese Weise orientieren sich viele Blätter nach dem jeweiligen Sonnenstand.

Die Triebe der Sonnenblume dagegen drehen sich nicht mithilfe aufquellender Zellen, sondern lassen ihren Stängel auf einer Seite schneller wachsen und verwirklichen so die zweite Möglichkeit einer Drehung. Am Morgen neigen sich die kleinen Sonnenblumenpflanzen und damit auch die flache Seite ihrer Blätter nach Osten. So erhält das Gewächs die größtmögliche Menge von Sonnenstrahlen und Energie. Auf seiner Ostseite produziert ein Sonnenblumen-Stängel zu dieser Zeit offensichtlich relativ große Mengen an „Auxin“. Diese Pflanzenhormone steuern das Wachstum. Tatsächlich zeigen Messungen eines Teams um Stacey Harmer von der Universität von Kalifornien in Davis, dass der Stängel kleiner Sonnenblumen auf der Ostseite am Vormittag sehr schnell wächst, während auf der Westseite wenig passiert. Dadurch verlängert sich die eine Seite des Stängels und das nach Osten gekrümmte Gewächs richtet sich langsam auf.

Die Pflanzen haben offenbar eine "innere Uhr"

Gegen Mittag erreicht die Ostseite dann die Länge der Westseite, die kleine Sonnenblume steht senkrecht. So können die Blätter viel Licht von der hoch am Himmel stehenden Sonne aufnehmen. Auch am Nachmittag wächst die Ostseite des Stängels kräftig weiter und die Pflanze neigt sich langsam nach Westen. In der Nacht findet sich dann in der Westseite der Stängel viel mehr Auxin als auf der Ostseite. Und prompt wächst diese Seite relativ schnell, der Stängel krümmt sich wieder nach Osten, bis er seine Morgen-Position erreicht hat.

In einem Laborversuch stellten die Forscher die Pflanzen unter künstliche Beleuchtung, die Tag und Nacht schien. Dabei glich sich das Wachstum beider Seiten nach einigen Tagen an und die Sonnenblumen wuchsen ohne Krümmung. In einem weiteren Versuch programmierten die Wissenschaftler die Lampen mit einem Tag-und-Nacht-Rhythmus, den sie allerdings von den normalen 24 auf 30 Stunden verlängerten. Das brachte das Wachstum der Pflänzchen völlig durcheinander. „Offensichtlich gibt es also eine innere Uhr, die einem 24-Stunden-Rhythmus folgt“, schließt Briggs aus diesem Experiment.

Warme Blüten locken Insekten an

Je älter die Pflanzen werden, umso weniger ausgeprägt ist das wechselseitige Wachsen auf der Ost- und Westseite. Bis sie ihre mächtigen Blüten dauerhaft nach Osten wenden – der aufgehenden Sonne entgegen. Denn das verschafft ihnen abermals einen Vorteil.

Scheint die Morgensonne auf die Blüten, erwärmen sie sich schneller, als wenn sie in die entgegengesetzte Richtung zeigen. Diese naheliegende Vermutung haben die Forscher bestätigt, indem sie Topfpflanzen um eine halbe Drehung aus dem Licht nahmen. Für Insekten, die für das Bestäuben unerlässlich sind, sind die warmen Blüten sehr attraktiv, wenn sie morgens zur Nahrungssuche aufbrechen. Tatsächlich zählten die Wissenschaftler am Morgen an den nach Osten gerichteten Blüten fünfmal mehr Insekten als an den umgedrehten Pflanzen. Als sie die nach Westen geneigten Blüten mit tragbaren Heizgeräten auf höhere Temperaturen brachten, kamen auch mehr Insekten dorthin geflogen. Damit ist auch das Neigen der Blütenkörbe nach Osten erklärt: Es verbessert die Fortpflanzungschancen deutlich.

Sonnenblumenkerne als Kaffee-Ersatz

So verhelfen die Bewegungen der Sonnenblume dazu, dass sie möglichst schnell wachsen und sich gut vermehren kann. Das macht sie zu begehrten Pflanzen für den Menschen. Neben der Farbenpracht, die Gärtner schätzen, sind Sonnenblumen wichtige Lieferanten für Öl.

Tatsächlich handelt es sich bei Sonnenblumen eigentlich um eine Pflanzengattung mit mehr als 60 Arten, die ursprünglich nur in Nordamerika vorkamen. Bereits vor 4500 Jahren wurden sie von Ureinwohnern im Einzugsgebiet des Mississippi sowie im heutigen Mexiko angebaut.

1552 kamen die ersten Sonnenblumenkerne nach Europa, zunächst wuchsen die Pflanzen nur zur Zierde in Gärten. Ab dem 17. Jahrhundert wurden geröstete Sonnenblumenkerne als Kaffee-Ersatz verwendet. Seit dem 19. Jahrhundert wird aus den Kernen auch Sonnenblumenöl gewonnen. Zudem werden die Kerne auch als Futter für Wildvögel verwendet. Darin ist ein Teil der Energie gespeichert, den die Pflanzen in den zurückliegenden Monaten mit ihrem Hin und Her im Sonnenlicht aufgenommen haben.

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