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Übersee. An Kolumbus erinnern, wie diese hier in Barcelona, viele Statuen. An Fiamma, der viel früher von Amerika wusste, bislang keine.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

„Eine Terra namens Marckalada“ in einer Mailänder Chronik: Amerika, schon 150 Jahre vor Kolumbus kein unbekanntes Land

Die nordischen Sagas besingen es lang vor 1492. Doch ein neuer Fund zeigt: Auch im Italien des 14. Jahrhunderts wusste man schon vom Land jenseits des Atlantik.

Genua und die Globalisierung, das ist so eine Geschichte.

Vor 20 Jahren gab es dort die größten und gewaltsamsten Proteste von Globalisierungsgegnern. Im 19. Jahrhundert wurden in den Werften der Stadt ein paar der wichtigsten und auch schönsten Schiffe, die je die Meere besegelten, gebaut. Im 16. und 17. Jahrhundert war der Hafen einer der bedeutsamsten Umschlagplätze des Welthandels. Und 1451 kam hier ein Kind namens Cristoforo Colombo zur Welt – besser bekannt als Kolumbus, der 1492 in Richtung eines unbekannten Westens über den Atlantik Segel setzte und einen Kontinent, der später Amerika heißen würde, erreichte. Dass er genau das tat, hat vielleicht mehr mit seiner Heimatstadt zu tun, als man bislang ahnte.

Mehr als Seemannsgarn

Denn Seeleute dort erzählten schon 150 Jahre früher von einem Land jenseits des Ozeans.

Sie erzählten es sicher vielen. Aber einer, der es aufschrieb und dessen Werk erst jetzt wiederentdeckt wird, war der Mailänder Ordensbruder Galvaneus Fiamma. Auf das Jahr 1345 datiert die „Cronica Universalis“, Hauptwerk des frommen Mannes mit dem feurigen Namen. Dort zu lesen steht etwas von einer „terra que dicitur Marckalada“, einem Lande namens Marckalada.

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Schon 2013 hatte es die erste Veröffentlichung zur Entdeckung von Fiammas Werk gegeben. Doch diese eine Stelle in ihrer Bedeutung erkannt und forscherisch bearbeitet hat nun erst der Literaturwissenschaftler Paolo Chiesa von der Universität Mailand. Seine Studie ist im „Journal of the Society for the History of Discoveries“ erschienen.

Zutreffende Beschreibung Grönlands

Dafür, dass es sich bei der Erwähnung Marckaladas nicht um pure Phantasie handelt, wie sie in der „Sachbuch-Literatur“ jener Zeit auch vorkommt, sprechen gleich eine ganze Reihe von Indizien. Einerseits beschreibt Fiamma vieles getreu dem Stand des möglichen Wissens der Zeit und ohne Übertreibungen. So berichtet er etwa über Grönland, dessen Bewohner und deren Lebensweise. Das an sich ist schon bemerkenswert genug. Denn dass es dieses Land wohl gibt, galt zwar sicher. Aber darüber hinaus hatte seinerzeit soweit bekannt nicht einmal der Papst eine genauere Vorstellung davon.

Auch Eisbären und deren Verhalten beschreibt Fiamma.

Land der unbegrenzten Menschengröße

Bedeutsam aber ist auch der Name „Marckalada“, der ziemlich an das „Markland“ erinnert. Es ist eines der nordamerikanischen Gebiete – wahrscheinlich die Halbinsel Labrador – die laut der „Grænlendinga Saga“ der Wikinger Leif Eriksson um das Jahr 1000 entdeckt hatte. Vor Fiamma allerdings gibt es jenseits der nordischen Sagas keinerlei bekannte Erwähnungen jener Region – und auch bis weit hinein in das Zeitalter der Entdeckungen nicht.

Im Vergleich zur Beschreibung Grönlands ist das, was Fiamma über Marckalada berichtet, allerdings viel weniger realistisch. „Riesen“ lebten dort angeblich in Gebäuden aus Steinen, die so groß waren, dass auch nur Riesen in der Lage wären, sie zu schleppen.

Fiamma nennt für seine Beschreibungen auch Quellen, nämlich „Seeleute, die häufig die Meere von Dänemark und Norwegen befahren“. Getroffen und ausgefragt hatte er diese wahrscheinlich im Hafen von Genua. Sein Doktorstudium jedenfalls kann er, schreibt Chiesa, nirgends anders absolviert haben als dort, am "Tor zur Welt" im Italien der Renaissance.

Was wusste Kolumbus?

Ob solche Geschichten auch der junge Cristoforo Colombo von Seeleuten in Genua hörte, weiß niemand. Oder kannte er vielleicht gar Fiammas Werk oder ein ähnliches, das inzwischen zerstört oder noch nicht wiederentdeckt ist? Dagegen spricht, dass Kolumbus ja einen Seeweg nach Ostasien finden wollte, und keinen neuen Kontinent. Auch wenn er sicher nicht damit rechnen konnte, hoch im Norden in Labrador zu landen, dürften doch Überlegungen, dass er unterwegs auf Land und damit die Möglichkeit, die Vorräte aufzufüllen, stoßen könnte, eine Rolle gespielt haben. Denn der Grund, warum seinerzeit kaum ein Navigator die West-Reise gewagt hätte, war nicht die Angst vor einem Schiffsabsturz am Ende einer flachen Erdscheibe.

Es war die schlichte Tatsache, dass damals kein Schiff verlässlich in der Lage war, über die berechnete Strecke bis Japan, also das nächste bekannte Stück Land, eine Mannschaft am Leben zu erhalten.

Kolumbus war mutig, verrückt genug, es zu wagen, und schaffte es sogar, sich vom spanischen Hofe sponsern zu lassen. Die Ergebnisse der Reise des Genuesers sind bekannt. Die Globalisierung ist nur eines davon.

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