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Mit einem neuen Medikament, das vergangene Woche in den USA zugelassen wurde, schneiden Mukoviszidose-Patienten beim Lungenfunktionstest besser ab.|

© pa/obs/Mukoviszidose e.V./Katrin Stein

Eine neue Kur gegen den tödlichen Husten: Durchbruch für Mukoviszidose-Patienten – doch Mängel im System

Ein neues Medikament kann vielen Patienten mit der Erbkrankheit Mukoviszidose helfen. Doch die Versorgung mit Ärzten und Pflegern verbessert sich nicht.

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Wohl jeder hat schon mit einem hartnäckigen Husten gekämpft, der sich erst nach Wochen verflüchtigte. Doch was für die meisten Menschen nur das lästige Symptom einer vorübergehenden Erkältung ist, sucht Mukoviszidose-Patienten ein Leben lang heim.

Etwa 8000 Menschen leben in Deutschland mit dieser genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung, die den schützenden Schleim in den Lungen zu zähflüssig werden lässt und daher zu chronischem Husten und häufigen Lungenentzündungen führt. Weil auch die Verdauung und andere Organe von dem zähen Schleim gestört, regelrecht "verstopft" werden, lag die Lebenserwartung im vergangenen Jahrhundert noch unter 40 Jahren. Verschiedene Behandlungsmethoden haben das zum Besseren, auf durchschnittlich 50 Jahre, verändert.

Nun ist in den USA ein Präparat, „Trikafta“, von der Arzneimittelbehörde zugelassen worden, dass das Leben von 90 Prozent aller Mukoviszidose-Patienten weiter verlängern könnte – wenn die Gesundheitssysteme bereit sind, den hohen Preis zu zahlen, den die US-amerikanische Biotechfirma „Vertex Pharmaceuticals“ dafür veranschlagt: 311.000 US-Dollar.

Ein defekter Ionenkanal verursacht lebenslanges Husten

Seit 2001 entwickelt die Bostoner Firma Medikamente gegen Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt – die häufigste vererbbare Stoffwechselerkrankung in der deutschen und auch in der US-Bevölkerung. Seit 2012 hat sie vier CF-Arzneien auf den Markt gebracht, die alle auf dem Wissen um die Krankheitsursache basieren, die Forscher 1989 entdeckten: Mutationen in einem Gen auf dem Chromosom 7, dem CFTR-Gen. Es enthält die Information für den Bau eines Kanals in der Hülle von Zellen, durch den Chlorid-Ionen transportiert werden. Fehlt der Chlorid-Kanal oder ist er defekt aufgrund der Mutationen, kann der Körper nur zähflüssigen Schleim bilden.

In Deutschland trägt jeder 25. eine CFTR-Mutation auf einem seiner beiden, von den Eltern geerbten 7. Chromosomen – und bleibt gesund, solange mindestens ein intaktes CFTR-Gen funktionierende Chlorid-Kanäle produzieren kann. Erst Kinder, die von beiden Elternteilen mutierte Genvarianten vererbt bekommen, erkrankten – in Berlin und Brandenburg sind das etwa 600 Patienten. Bundesweit kommen zu den 8000 Patienten etwa 200 Kinder pro Jahr hinzu, bei denen die Erkrankung beim Neugeborenenscreening entdeckt wird.

Schon 2012 hatte Vertex ein CF-Medikament auf den Markt gebracht, „Kalydeco“. Es war jedoch nur für sechs Prozent der Patienten geeignet. Nur bei diesen war der Chlorid-Kanal durch die Genmutation so verändert, dass der Wirkstoff (Ivacaftor) „passte“ und den defekten Kanal durchlässiger für Chlorid-Ionen machte. Statt nun nach einem gänzlich anderen Wirkstoff zu suchen, der sich für all die vielen unterschiedlichen Kanalveränderungen eignete, kombinierte Vertex verschiedene Wirkstoffe. Heraus kam eine Kombination von drei Stoffen, die sich in den klinischen Studien als bei 90 Prozent der Patienten wirksam herausstellte: Tricafta kann demnach das Luftvolumen, das CF-Patienten bei Tests innerhalb einer Sekunde einatmen können, um durchschnittlich 14 Prozent steigern. Das klingt nach wenig, kann für die Patienten aber über Leben und Tod entscheiden.

Zulassung in Deutschland für den Sommer 2020 geplant

In Deutschland wird Trikafta voraussichtlich im Sommer 2020 durch die europäische Zulassungsbehörde genehmigt werden. Inwieweit sich dann die Versorgung der Patienten verbessern wird, wird sich zeigen. Denn Medikamente allein werden dem oft komplexen Verlauf der Krankheit nicht gerecht, da die Therapie individuell angepasst werden muss. Daher sind die Patienten auf eine interdisziplinäre Behandlung durch Fachmediziner, Physiotherapeuten, Psychologen, Diätberater und Pflegekräfte angewiesen. Und davon gibt es viel zu wenige.

Laut einer Studie des WifOR-Instituts in Darmstadt im Auftrag des Mukoviszidose e.V., die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, fehlen etwa fünf Fachkräfte pro Ambulanz. Aktuell kann fast jede zweite nachgefragte Stelle in der Versorgung von Mukoviszidose-Patienten nicht besetzt werden. „Es ist ein ständiger Kampf um Gelder und Personal“, sagt Doris Staab, Leiterin des deutschlandweit ersten Christiane-Herzog-Zentrums zur Behandlung von Mukoviszidose-Patienten. 400 CF-Patienten werden an dem Institut, das zur Berliner Charité gehört, versorgt.

„Viele erwachsene Patienten aus Nord- und Ostdeutschland kommen zu uns nach Berlin, weil sie in ihren Heimatstädten nicht ausreichend versorgt werden“, sagt Staab. Gerade die Behandlung von erwachsenen Mukoviszidose-Patienten sei aufgrund der Multiorgan-Erkrankungen sehr aufwändig und komplex. Wurden Patienten früher kaum älter als 18 Jahre wurden, werden heute immer mehr Erwachsene behandelt, deren Therapien und Medikamente teuer sind.

„Finanzierung muss langfristig gesichert werden“

Doch ohne Zuschüsse, etwa durch die „Christiane-Herzog-Stiftung für Mukoviszidose-Kranke“, könnte das 20-Betten-Zentrum eine so umfassende Betreuung nicht anbieten. Das reguläre Budget liegt bei 150.000 bis 200.000 Euro pro Jahr. Die Stiftung fördert neben dem Berliner Zentrum fünf weitere der rund 90 Zentren in Deutschland mit insgesamt 700.000 Euro.

[Hinweis: Am 8. November findet zum 20. Mal für geladene Gäste ein Gala-Dinner der Stiftung für Mukoviszidose-Kranke im Wasserturm auf dem Euref-Campus statt. Beim Benefiz-Dinner werden Events und Gemälde versteigert. Auf Initiative von Klaus-Dieter Heinken vom Lions Club Intercontinental, der die Stiftung seit Jahren unterstützt, wurde der Freundeskreis des Berliner Christiane Herzog Zentrums gegründet. Jeder kann dort Mitglied werden und das Christiane Herzog Zentrum unterstützen. Am 9. November findet der Christiane Herzog-Tag in der Beuth Hochschule für Technik, Luxemburger Straße 10, 13353 Berlin, statt. Ab 10 Uhr wird in Seminaren und Vorträgen über Therapien und Ernährung informiert.]

Derzeit fehlen rund 480 Fachkräfte in der CF-Versorgung in Deutschland. 2030 wird die Lücke laut Studie schon auf 520 Fachkräfte gewachsen sein. Fast ein Drittel davon sind Ärzte. Aber auch beim Pflegepersonal werde sich der Fachkräftemangel massiv bemerkbar machen. Allein 430 Fachkräfte aus dem nichtärztlichen Bereich werden 2030 fehlen.

Die Finanzierung der CF-Versorgung müsse langfristig gesichert werden, fordert Staab. Doch derzeit sei es nicht einmal möglich, Fallpauschalen für die ambulante Versorgung zu bekommen. Dabei sei der Pflegenotstand schon jetzt immens. „In den Krankenkassenbudgets ist so eine, für chronisch Kranke notwendige, Infrastruktur nicht vorgesehen“, sagt Doris Staab. „Aber wir wollen unseren Patienten mehr Lebensqualität und vor allem mehr Lebenszeit geben“, sagt Staab.

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