zum Hauptinhalt
Mit der "Ice Bucket Challenge" wurde auf die Verbreitung der Erkrankung ALS hingewiesen.

© Jennifer Bruce/AFP

Eine Blutprobe, 25 Krankheitsnachweise: Verfahren kann Blutprobe auf Dutzende Erbkrankheiten untersuchen

Die ANlagen für einige Erbkrankheiten sind bisher nur mit großen Aufwand nachzuweisen. Ein neues Verfahren liefert schnell und zuverlässig Ergebnisse.

Huntington-Krankheit, Fragiles-X-Syndrom (FXS) oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Ein neues Verfahren kann eine einzige Blutprobe auf Dutzende neurogenetische Erbkrankheiten untersuchen.

In einem Machbarkeitsnachweis zeigt ein internationales Forschungsteam, dass die sogenannte Nanopore-Sequenzierung 25 solche Erkrankungen in einem einzigen Test nachweisen kann. Sie sei nicht nur zuverlässig, sondern auch wesentlich schneller und kostengünstiger als andere derzeitige Verfahren, schreibt das Team im Fachblatt „Science Advances“.

Die Methode habe das Potenzial, die DNA-basierte Diagnostik in den kommenden Jahren zu revolutionieren, sagt Franz-Josef Müller vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, der nicht an der Studie beteiligt war.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Veränderte DNA-Struktur erschwert Erkennung

Mehrere neurologisch bedingte Erbkrankheiten basieren auf der Vervielfältigung von kurzen Abschnitten des Genoms, die sich dann hunderte oder tausende Male wiederholen können. Diese sogenannten Short Tandem Repeats (STRs) können je nach dem Gen, auf dem sie auftreten, nach derzeitigem Kenntnisstand mehr als 40 Erkrankungen verursachen.

So ist das Fragile-X-Syndrom, das auf Sequenzwiederholungen im Gen FMR1 basiert, eine der häufigsten erblichen Ursachen für kognitive Behinderungen. STR-basiert sind auch mehrere Zerebralataxien, Epilepsien und mindestens eine Demenzform. Die einzelnen Krankheiten kämen zwar nicht allzu häufig vor, in ihrer Summe seien sie aber durchaus verbreitet, schreibt das Team.

An 37 Teilnehmern mit insgesamt 25 verschiedenen derartigen Erkrankungen testeten die Forscher nun den Ansatz der Nanopore-Sequenzierung. «Dabei werden DNA-Abschnitte durch Nanoporen auf einem Chip gezogen», erläutert Müller, der seit Jahren an solchen Verfahren forscht. Durch diese Nanoporen fließt zudem ein elektrischer Teilchenstrom. Die charakteristischen Veränderungen dieses Teilchenstroms zeigen die Abfolge der vier DNA-Bausteine an, die ein Computer daraus in Echtzeit rekonstruiert.

„Wir haben zuverlässig alle Patienten mit bereits bekannten Erkrankungen identifiziert, darunter Huntington, Fragiles-X-Syndrom, erblich bedingte Zerebralataxien, myotonische Dystrophien und myoklonische Epilepsien“, sagt Studienleiter Ira Deveson vom Garvan Institute of Medical Research in Sydney.

Viele dieser Krankheiten seien schwer festzustellen, einerseits weil ihre Symptome eher unspezifisch sind, andererseits weil sich solche DNA-Repeats etwa durch PCR-Tests nur schwer aufschlüsseln lassen. Müller erklärt dies damit, dass bei vielen solchen Repeats die DNA-Struktur verändert ist.

Auch bei begrenzten Ressourcen einsetzbar

Das Verfahren ermöglicht es den Autoren zufolge, eine Blutprobe schnell und zuverlässig auf Dutzende Erkrankungen zu untersuchen. Zudem sei es wesentlich kostengünstiger und ermögliche auch, STR-basierte Krankheiten zu entdecken, die bislang noch nicht bekannt seien. Heilen lassen sich diese Erkrankungen zwar bislang nicht, allerdings könne man sie besser erforschen, schreibt das Team. Nun müsse das Verfahren an mehr Teilnehmern validiert werden.

Ein Team um Müller hatte Ende 2019 einen anderen Anwendungsbereich dieses Verfahrens im Fachblatt „Nature Biotechnology“ vorgestellt. „In der klinischen Anwendung ist das Verfahren bisher noch nicht angekommen“, sagt Müller, der auch am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel arbeitet.

Die Nanopore-Sequenzierung sei schnell und präzise, betont der Forscher. Das Verfahren sei so einfach, dass es keine aufwendig ausgebildeten Fachkräfte benötige. Dadurch könne es auch in Gesundheitssystemen mit begrenzten Ressourcen eingesetzt werden.

Walter Willems, dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false