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Himmelsschraube. Der Asteroid „2010 TK7“ ist der Erde etwas voraus und kreist gemeinsam mit ihr um die Sonne. Zudem fliegt er gegenüber unserem Planeten vor und zurück und beschreibt dadurch eine Spirale (grün).

© Abbildung: Paul Wiegert/ University of Western Ontario

Eiertanz durchs All: Kleiner Begleiter der Erde entdeckt

Astronomen haben einen weiteren Erdbegleiter entdeckt. Der ist nur etwa 300 Meter groß und eilt uns voraus. Dabei vollführt er erstaunliche Pirouetten.

Von Rainer Kayser, dpa

Unser Planet kreist nicht allein auf seiner Bahn um die Sonne. Ein etwa 300 Meter großer Asteroid begleitet uns; er eilt der Erde etwa 60 Grad auf ihrem Orbit voraus. Das berichten Astronomen aus Kanada und den USA, die den kleinen Himmelskörper in Beobachtungsdaten des Infrarotsatelliten „Wise“ aufgespürt haben. Nach Jupiter, Mars und Neptun ist die Erde der vierte Planet im Sonnensystem, der sogenannte „Trojaner“ als Begleiter besitzt.

Der italienische Mathematiker und Astronom Joseph-Louis de Lagrange hat 1772 gezeigt, dass kleine Himmelskörper sich 60 Grad vor oder hinter einem Planeten auf der gleichen Umlaufbahn bewegen können. An diesen heute „Lagrange-Punkte“ genannten Orten heben sich die Anziehungskräfte von Sonne und Planet sowie die Fliehkraft der Bahnbewegung gerade so auf, dass eine stabile Bahn möglich ist.

Bei Jupiter haben Astronomen inzwischen fast 5000 kleine Himmelskörper bei den Lagrange-Punkten entdeckt. „Trojaner“ haben die Forscher diese an zunächst ganz unerwarteter Stelle kreisenden Asteroiden getauft. 1990 wurden die ersten Trojaner auf der Marsbahn aufgespürt, inzwischen sind vier solche Begleiter des Roten Planeten bekannt. Weitere sieben Trojaner begleiten Neptun, der erste von ihnen wurde 2001 nachgewiesen. Und dann gibt es noch vier Trojaner, die im System des Planeten Saturn auf gleichen Bahnen wie die Monde Tethys und Dione kreisen.

„Die Existenz von Trojanern bei anderen Planeten hat die Frage aufgeworfen, ob es solche Begleiter auch bei der Erde geben kann“, schreiben Martin Connors von der Athabasca-Universität in Kanada und seine beiden Kollegen im Fachblatt „Nature“ (Band 475, Seite 481). Doch solche Himmelskörper würden sich „von der Erde aus gesehen zumeist am Tageshimmel aufhalten und sind deshalb schwer zu entdecken.“

Der 2009 gestartete Satellit Wise (Wide Infrared Survey Explorer) hat die Möglichkeiten der Himmelsforscher jedoch erheblich verbessert: Mit ihm konnten sie bereits 500 Asteroiden aufspüren, die sich auf erdnahen Umlaufbahnen bewegen. Da die Asteroiden von der Sonne erwärmt werden, leuchten sie im Infrarotspektrum heller als im sichtbaren Licht und lassen sich dort leichter nachweisen – selbst wenn sie, von der Erde aus gesehen, relativ nahe an der Sonne stehen.

Astronomen kennen inzwischen drei Asteroiden, die sich um die Erde bewegen

Im Archiv der Wise-Daten stießen Connors und seine Kollegen auf zwei viel versprechende Kandidaten für trojanische Begleiter der Erde. Bei einem der beiden Objekte deuteten die Messungen tatsächlich auf eine Bahn in der Nähe eines Lagrange-Punktes hin, aber es waren genauere Beobachtungen nötig, um diese Vermutung zu bestätigen. Die Forscher mussten sich allerdings gedulden, denn der Himmelskörper mit der Bezeichnung „2010 TK7“ war über Monate hinweg von der Erde aus nicht zu beobachten. Endlich, im April dieses Jahres, konnten die Astronomen mit dem Canada-France-Hawaii-Teleskop genaue Positionsmessungen vornehmen. „Diese haben unser Wissen über die Umlaufbahn so verbessert, dass wir mit Sicherheit feststellen können, dass 2010 TK7 ein Trojaner der Erde ist“, schreiben die Wissenschaftler. Der Asteroid hält sich in der Nähe des vorderen Lagrange-Punktes auf, bewegt sich also vor der Erde her auf derselben Bahn.

Die Trojaner halten sich allerdings nicht exakt an den von Lagrange vorhergesagten Punkten auf, sondern bewegen sich auf langgestreckten Bahnen um diese Punkte herum. Das gilt auch für 2010 TK7. Der kleine Asteroid entfernt sich einerseits bis zu 300 Millionen Kilometer von der Erde und nähert sich ihr andererseits bis auf 15 Millionen Kilometer an. Diese Bewegung ist trotzdem einigermaßen stabil, mindestens über einen Zeitraum von 10 000 Jahren, zeigen die Berechnungen der Forscher.

2010 TK7 ist nicht der erste kleine Himmelskörper, der die Erde auf ihrer Bahn begleitet. Astronomen kennen inzwischen drei Asteroiden sowie mehrere weitere Kandidaten, die sich auf sogenannten „Hufeisenbahnen“ bewegen. Diese ebenfalls einige hundert Meter großen Objekte umrunden nicht die Lagrange-Punkte, sondern bewegen sich abwechselnd etwas außerhalb und etwas innerhalb der Erdbahn.

Innerhalb der Erdbahn sind sie etwas schneller als der Planet und holen ihn deshalb langsam ein. Wenn sie sich der Erde zu sehr nähern, zieht die Anziehungskraft unseres Planeten sie auf eine weiter außen liegende Bahn. Dort sind sie dann langsamer als die Erde und sie entfernen sich von ihr – bis sie schließlich von der anderen Seite von der Erde eingeholt werden und der Vorgang sich in umgekehrter Richtung wiederholt: Die Anziehungskraft der Erde zieht den Asteroiden wieder auf eine engere Bahn und lässt ihn der Erde erneut vorauseilen.

Trojaner wie 2010 TK7 bleiben dagegen stets auf ein und derselben Seite der Bahn eines Planeten. Seit langem gelten mögliche Trojaner der Erde deshalb auch als gut geeignete Ziele für bemannte Raumflüge. Die Bahn von 2010 TK7 ist allerdings um knapp 21 Grad gegen die Erdbahn geneigt, was ihn im Vergleich zu manch anderem Asteroiden, der regelmäßig nahe an der Erde vorüberzieht, schwer erreichbar macht.

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