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Umstrittenes Vergnügen. Über Nutzen und Risiken des Dampfens sind die Experten uneins.

© dpa

E-Zigarette: Dampfen hilft gegen das Rauchen

Im Streit um die elektronische Zigarette legen britische Forscher neue Daten vor. Sie bestätigen, dass Dampfen den Abschied vom Tabak leichter macht.

Das „Dampfen“ elektronischer Zigaretten wird immer beliebter. Wie nützlich oder schädlich die E-Zigarette ist, darüber streiten Fachleute jedoch seit langem. Nach einer neuen Untersuchung englischer Wissenschaftler kann Dampfen Rauchern helfen, von der „echten“ Zigarette loszukommen. Die Forscher schätzen, dass 2015 in Großbritannien etwa 18 000 Personen durch die E-Zigarette langfristig tabakabstinent geworden sind.

In E-Zigaretten werden aromatisierte und wahlweise mit Nikotin versetzte Flüssigkeiten verdampft und eingeatmet. Anders als beim herkömmlichen Rauchen entstehen keine krebserzeugenden Verbrennungsprodukte wie Teer.

Die Wissenschaftler des Londoner University College benutzten repräsentative Daten von 43 000 Rauchern in England aus den Jahren 2006 bis 2015, wie sie im Fachblatt „BMJ“ berichten. Hinzu kamen Informationen des Nationalen Gesundheitsdienstes. Die Auswertung der Daten legt einen Zusammenhang zwischen der Zunahme des Dampfens und erfolgreicher Tabak-Abstinenz nahe, auch wenn anhand der Informationen ein letzter Beweis nicht möglich ist. Die Studie widerspricht damit der Annahme, dass Dampfen den Kampf gegen das Rauchen gefährdet. Offenbar ist das Gegenteil der Fall.

Wer mit 40 aufhört, lebt neun Jahre länger

Zwar sei die Zahl von 18 000 zusätzlichen Nichtrauchern durch das Dampfen relativ klein, geben die Wissenschaftler um Jamie Brown zu. Doch sei sie bedeutsam, weil Abstinenz große gesundheitliche Vorteile habe. Ein 40-Jähriger, der das Rauchen aufgebe, gewinne neun zusätzliche Lebensjahre im Vergleich zu jemandem, der weiterrauche. In Großbritannien gibt es neun Millionen Raucher, von denen zwei Millionen auch dampfen.

Die Untersuchung bestätigt eine kürzlich veröffentlichte Übersicht des unabhängigen Cochrane-Netzwerks, das den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu wichtigen medizinischen Themen auswertet. Insgesamt 13 Studien schlossen die Forscher in ihre Analyse ein. Das Ergebnis: E-Zigaretten können Rauchern dabei helfen, ihr Laster aufzugeben. Zumindest kurz- und mittelfristig habe man keine Hinweise auf irgendwelche ernsthaften Nebenwirkungen durch das Dampfen gefunden, berichten die Cochrane- Wissenschaftler. Allerdings sei es wichtig, auch Langzeitdaten über die E-Zigarette zu sammeln. Zum Glück seien mehrere Studien im Gange.

Der Streit spaltet Großbritannien und die USA

Noch ist vieles in Zusammenhang mit dem Dampfen nebulös, ein endgültiges Urteil nicht möglich. Über Nutzen und Nachteil ist die Wissenschaft in zwei Lager gespalten. Das eine ist pragmatisch orientiert und hat sein Zentrum in Großbritannien. Im August 2015 veröffentlichte dort die angesehene Organisation Public Health England einen Bericht zu E-Zigaretten, der in der Aussage gipfelte, dass diese zu 95 Prozent weniger schädlich seien als herkömmliche Zigaretten. Rauchern, die nicht aufhören können oder wollen, empfahlen die Wissenschaftler um die Suchtexpertin Ann McNeill vom Londoner King’s College, doch mal E-Zigaretten auszuprobieren. Motto: Lieber ein kleines Risiko in Kauf nehmen, als sein Leben aufs Spiel zu setzen. Denn die Menschen rauchen wegen des vergleichsweise wenig schädlichen Nikotins, aber sie sterben am Teer.

Der Bericht spiegelte die Meinung vieler Experten des britischen öffentlichen Gesundheitswesens wider – und rief vor allem jenseits des Atlantiks heftigen Widerspruch hervor. Hier, in den USA, ist die Zentrale der Tabak- und Nikotin-Fundamentalisten, zu denen auch die Centers for Disease Control gehören, die mächtige US-Gesundheitsbehörde. Ihnen geht es um Abstinenz um jeden Preis. Das Dampfen soll ähnlich wie das Rauchen so weit wie möglich reglementiert und aus dem öffentlichen Leben verbannt werden, um vor allem jungen Leuten den Zugang zu erschweren. Auch Deutschland tendiert zu dieser Position.

Weil es an handfesten wissenschaftlichen Argumenten fehlt oder diese ihnen sogar widersprechen – wie die jetzt veröffentlichte Studie – berufen die Abstinenzler sich auf das Vorsorgeprinzip. Es kehrt die Beweislast um und fordert von den Herstellern der E-Zigaretten, die Unschädlichkeit ihrer Produkte zu belegen – ein so gut wie unmögliches Unterfangen.

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