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Tag der offenen Moschee in der Berliner Sehitlik Moschee.

© Paul Zinken/dpa

Durchbruch für die deutsche Islamtheologie: Osnabrücker Professoren bereiten Imam-Ausbildung vor

Erstmals könnten in Deutschland Imame in Kooperation mit einer Uni ausgebildet werden. Für Berlin bedeutet das Osnabrücker Projekt aber auch einen Verlust.

Islam-Professoren der Universität Osnabrück wollen gemeinsam mit deutschen Islam-Verbänden eine Ausbildungsstätte für Imame gründen. Das bestätigte Rauf Ceylan, Professor für Gegenwartsbezogene Islamforschung, dem Tagesspiegel auf Anfrage. "Die Kritik an aus dem Ausland importierten Imamen war der Motor zur Gründung der Islam-Theologie an deutschen Universitäten", sagt Ceylan. Doch das Hauptziel, hier ausbildete deutschsprachige Theologen auch zu Imamen zu machen, sei bislang nie umgesetzt worden.

"Das ist jetzt der Durchbruch", sagt Ceylan über das Projekt, das er gemeinsam mit dem Leiter des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie, Bülent Uçar, initiiert hat. Am heutigen Donnerstag findet an der Uni Osnabrück die Gründungsversammlung des Trägervereins für die Imamausbildung statt.

Beteiligt ist bislang der Zentralrat der Muslime, wie der Vorsitzende Aiman Mazyek gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) bestätigte: „Für uns war es immer ein großes Anliegen, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden können.“ Das geplante Kolleg könne sich an der Priester- und Rabbinerausbildung orientieren. Die türkische Ditib dagegen äußerte sich ablehnend.

Das Bundesinnenministerium unterstützt die Osnabrücker Pläne

Tatsächlich liegt die Ausbildung von Geistlichen in Deutschland grundsätzlich in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften. So werden evangelische Pastoren und Pastorinnen, katholische Priester sowie jüdische Rabbinerinnen und Rabbiner ergänzend zu ihrem theologischen Studium von ihren Glaubensgemeinschaften in eigenen Seminaren und in den Gemeinden ausgebildet.

Durch die Osnabrücker Initiative könnte jetzt erstmals in Deutschland eine solche Einrichtung für künftige Imame entstehen, die mit einer oder mit mehreren staatlichen Universitäten kooperiert. Bisher werden hierzulande praktizierende Imame zumeist im Ausland ausgebildet und kommen häufig ohne Deutschkenntnisse in ihre Gemeinden. Zu den Ausbildungsstätten in Deutschland zählen eine "Berufsfachschule Muslimischer Führungskräfte" der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş in Mainz und das Buhara-Institut des mystischen Ordens Naqschbandiya in Berlin.

Wie wünschenswert eine deutschsprachige und universitär angebundene Imam-Ausbildung auch staatlicherseits ist, zeigt die Unterstützung des Osnabrücker Projekts durch das Bundesinnenministerium. Der NOZ zufolge fördert es das Imamkolleg in der Pilotphase mit 400.000 Euro - als „Modellprojekt zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden“.

Das Imamkolleg soll Männer und Frauen ausbilden

Der Standort des Kollegs stehe noch nicht fest, sagte Rauf Ceylan dem Tagesspiegel. Es könne in Osnabrück oder Hannover entstehen. Mit einer Expertise des Islamwissenschaftlers im Auftrag der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Universität Frankfurt am Main liegt aber offenbar schon eine Art Masterplan für die inhaltliche Ausgestaltung des Imamkollegs vor. Zu den "Aufgaben des Imamseminars“ schreibt Ceylan in dem im Sommer dieses Jahres veröffentlichten Papier: Es solle Theologiestudierende in die Gemeindearbeit einführen und auch das Pflichtpraktikum im Studium koordinieren; nach dem Abschluss des Studiums solle das Kolleg ein zweijähriges Praxisseminar anbieten, aber auch Weiterbildungsseminare für praktizierende Imame.

Im Curriculum werden etwa Predigtlehre und die Organisation von Gottesdiensten und der Gemeindearbeit stehen, sagt Ceylan. Als Lehrende sollen neben Geistlichen auch Wissenschaftler aus den Universitäten gewonnen werden. Das Kolleg werde Studierenden und Absolventen aller islamtheologischen Studiengänge bundesweit offenstehen - und sowohl Männer als auch Frauen für die Arbeit in Moscheegemeinden ausbilden.

Institutsgebäude der Islam-Theologie in Berlin.
Sitz des Berliner Instituts für Islamische Theologie der Humboldt-Universität in der Hannoverschen Straße in Mitte.

© Rüthnick Architekten

Der Gründungsdirektor des Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Michael Borgolte, begrüßt die geplante Schaffung des Imamkollegs in Niedersachsen. "Es bietet Perspektiven auch für unsere künftigen Absolventen", sagt Borgolte. Allerdings stelle sich nun gleichzeitig "die naheliegende Frage, ob auch das Land Berlin für die Gründung eines Berliner Kollegs seine Hand reichen würde." Die Initiative dazu müsste selbstverständlich von den hiesigen Islam-Verbänden ausgehen.

Ceylan sagt Berlin ab, dafür wird eine Theologin berufen

Das Islam-Institut der Humboldt-Uni, das erst in diesem Herbst seinen Lehrbetrieb aufgenommen hat, verliert mit den Osnabrücker Plänen indes einen Professor. Rauf Ceylan stand auf Platz 1 für eine der sechs Professuren, hatte im Frühsommer den Ruf erhalten - ihn aber wegen der Entwicklungen in Osnabrück letztlich nicht angenommen, wie er am Donnerstag bestätigte. Mit der in Aussicht stehenden Gründung des Imamkollegs, aber auch wegen der besseren Rahmenbedingungen für seine Forschung habe er sich entschieden, in Osnabrück zu bleiben.

Michael Borgolte bedauert Ceylans Entscheidung. Er sei "ein renommierter Religionspädagoge, von dem wir sicher Gewinn gehabt hätten". Die auf der Berufungsliste Zweitplatzierte sei jedoch eine ausgewiesene Islamtheologin und Didaktikerin und damit "genauso interessant und vielversprechend für Berlin", sagt Borgolte.

In Osnabrück wünscht Unipräsidentin Susanne Menzel-Riedl dem Verein zur Ausbildung von Imamen und Seelsorgerinnen in Moscheegemeinden Erfolg. Das neue Kolleg werde eine Ausbildung anbieten, "die sich dem Studium anschließt und unsere islamischen Volltheologinnen und -theologen optimal auf ihre künftigen Aufgaben in Moscheegemeinden in Deutschland vorbereitet", teilte Menzel-Riedl auf Anfrage mit. Die Universität werde dem Kolleg beratend zur Seite stehen, um die beiden Ausbildungsphasen "optimal aufeinander abzustimmen". (mit epd/KNA)

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