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Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin.

© imago images/photothek

Drosten verteidigt Corona-Maßnahmen: „Man sieht sehr wohl, dass der Lockdown nachlaufende Effekte hatte“

Christian Drosten geht im NDR-Podcast auf Diskussionen um Reproduktionszahl und Lockdown ein. Außerdem: China kommt voran bei der Entwicklung eines Impfstoffs.

Der Chefvirologe der Charité, Christian Drosten, hat in seinem Podcast klargestellt, dass der Lockdown in Deutschland sehr wohl Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen hatten. Er geht damit auf Diskussionen ein, dass die Reproduktionszahl R bereits vor Einführung der Kontaktbeschränkungen bei 1 lag und die Maßnahmen daher nichts gebracht hätten. „Das ist eine vollkommen falsche Auffassung,“ sagt Drosten.

R beschreibt die Anzahl der Menschen, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Diese hat nach den Zahlen der Robert Koch-Instituts bereits vor dem Erlass der Kontaktbeschränkungen am 23. März bei 1 gelegen und sich seitdem nicht grundlegend verändert. Drosten beschreibt mehrere Effekte, die dies erklären.

Zum einen würden Daten von Handynetzbetreibern belegen, dass die Mobilität der Deutschen bereits Anfang März, lange vor Einführung der Kontaktbeschränkungen, deutlich vermindert war. Als Grund vermutet Drosten die öffentlichen Diskussionen um Maßnahmen, gepaart mit der Berichterstattung über den Ausbruch in Heinsberg und die schrecklichen Bilder aus Italien.

Die Testkapazitäten sind sprunghaft gestiegen

Zudem sei parallel zu den stufenweisen Beschränkungen, von Großveranstaltungsverboten über Schulschließungen bis Kontaktsperren, eine stufenweise Veränderung der Fallzahlen zu sehen. Es habe einen klaren Abfall der Neuinfektionen Anfang April und Mitte April gegeben. „Man sieht sehr wohl, dass der Lockdown hinterher nachlaufende Effekte hatte.“

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Grafik: Effektive Reproduktionszahl R - Wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt
Reproduktionszahl R: Wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt

© Tagesspiegel/Rita Böttcher

Der Hauptgrund dafür, dass R mit der Einführung des Lockdowns nicht bei 0 liegt, sind für Drosten die Ausbrüche in Seniorenheimen und Krankenhäusern. Hier greifen die bestehenden Regeln nicht. Drosten führt außerdem an, dass die Labore von Mitte Februar bis Mitte März einen Sprung nach oben gemacht haben, was die Testkapazitäten in Deutschland angeht. So habe es in der ersten Märzwoche 87.000 Tests gegeben, in der zweiten 127.000 und in der dritten 348.000.

Die Testkapazitäten spielen eine bedeutende Rolle bei der Ermittlung von R. „Mitte März war der Status Quo bei den PCR-Tests erreicht“, sagt Drosten. Er vermute, dass dies zu einer Verzerrung der Statistik geführt hat, da einer der Effekte mit der Stagnation der Testzahlen weggefallen sei.

Das Alter der Patienten spielt eine wichtige Rolle

Drosten stimmt nach wie vor mit dem Positionspapier der Helmholtz-Gemeinschaft überein. Die hatten berechnet, dass es mit einer Fortführung der bestehenden Maßnahmen möglich gewesen wäre, R auf 02, herunterzudrücken.  Man hätte dafür Sondermaßnahmen etwa in Krankenhäusern oder Seniorenheimen einführen müssen, sagt Drosten. „Ich wäre da optimistisch, dass so etwas ginge.“

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Aber: „Wir haben uns gesellschaftlich nicht dafür entschieden“, so Drosten weiter „Jetzt ist ein gemeinsames Ziel, den R-Wert zu beobachten und ihm im Bereich von 1 zu halten“, sagt Drosten. Dabei gelte es aber unter anderem, die Intensivkapazitäten zu beachten. Die könnten auch bei gleichbleibender Zahl der Neuinfektionen geringer werden, wenn sich das Alter der Infizierten erhöht, die eine Intensivbehandlung benötigen.

Drosten sieht hier einen „Diskussionsrhythmus“ von zwei Wochen als „zu kurz“. Von der Infektion bis zu einer Intensivbehandlung würde im Schnitt ein Monat vergehen. „Da muss man länger warten“, sagt der Virologe. In Deutschland ist die nächste Sitzung von Bund und Ländern für den 30. April geplant, Merkel hatte aber schon angekündigt, mögliche weitere Lockerungen erst am 6. Mai beschließen zu wollen.

Fortschritte bei der Entwicklung eines Impfstoffs

Gute Nachrichten kommen aus China. Hier haben Forscher einen sogenannten Totimpfstoff an Affen getestet, mit guten ersten Ergebnissen. Für diesen einfach herstellbaren Impfstoff lässt man das Virus in einer Zellkultur heranwachsen, tötet es und macht daraus einen Impfstoff.

Da ein solcher Impfstoff als risikoreich gilt, forschen Wissenschaftler in Deutschland nicht daran. Der chinesische Hersteller Sinovac führt eine klinische Studie mit einem solchen Totimpfstoff durch und hat erste Ergebnisse in einem Manuskript veröffentlicht.

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Die Forscher haben Rhesusaffen geimpft, wie man Menschen impfen würde, an Tag 0, Tag 7 und Tag 14, in zwei verschiedenen Dosen. Man habe daraufhin eine sehr gute Antikörperproduktion beobachtet. Die Forscher haben den Affen dann mit einem Schlauch eine extrem hohe Konzentration von Viren direkt in die Luftröhre verabreicht, insgesamt eine Million infektiöse Einheiten.

"Nicht mal der Hauch einer Virusreplikation"

Dabei habe sich herausgestellt, dass es einen klaren Schutz selbst gegen die sehr hohe Belastungsdosis von Virus gegeben habe. „Die Lungen waren vollkommen geschützt“, sagt Drosten. Bei der Gruppe von Affen, die die hohe Dosis des Impfstoffs bekommen hatten, sei „nicht mal der Hauch einer Virusreplikation“ zu sehen gewesen.

„Am Ende dieser Studie steht man schon ein bisschen verblüfft da“, sagt Drosten.  Sie werde Diskussionen unter Impfstoffentwicklern, aber auch in der Gesellschaft auslösen. Auf der ganzen Welt gebe es bereits Produktionsanlagen für einen derartigen Totimpfstoff, auch in weniger entwickelten Ländern.  „Das ist eine lohnenswerte Überlegung, ob man diesen Weg nicht gehen will“, sagt Drosten.  

Er geht davon aus, dass es in Deutschland eine Variationsbreite verschiedener Impfstoffe geben werde. Die seien vielleicht nächstes Jahr zu dieser Zeit verfügbar, „vielleicht aber auch schon etwa früher.“

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