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Kraftvoll zubeißen konnten Tyrannosaurier zweifelsohne. Aber auch der stärkste Biss braucht Kontrolle, wofür die Dinos wohl eine besonders feinfühlige Schnauze hatten. Unter anderem Unterscheide in den Zähnen lassen manche Forscher auch zweifeln, ob alle T. rexe wirklich zur selben Art gehörten.

© Dino Pulerà

Dinosaurier: Tyrann mit sensibler Schnauze

Feingefühl und Fresslust: Wie die Tyrannosaurier ihre empfindlichen Sinne beim Zuschnappen benutzten.

Es scheint kein Feingefühl nötig, um mit 30 Zentimeter langen Zähnen und einer Kieferkraft von fast sechs Tonnen pro Quadratzentimeter Beute zu zerreißen. Und doch hatten Tyrannosaurier offenbar eine sensible, von Nerven durchzogene und mit sensiblen Schuppen besetzte Schnauze. Das hat das Forscherteam des Tyrannosaurier-Experten Thomas Carr durch Untersuchungen an einer neu entdeckten Art der Raubechsen herausgefunden und im Fachblatt „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Vielsagende Löcher im Schädel

Der Wissenschaftler vom Carthage College in Kenosha im US-Bundesstaat Michigan und seine Kollegen hatten den Schädel von „Horners schrecklicher Echse“ Daspletosaurus horneri untersucht, die vor etwa 75 Millionen Jahren lebte und deren Fossilien in Montana ausgegraben wurden. An den exzellent erhaltenen fossilen Schädeln eines heranwachsenden und eines ausgewachsenen Tiers sowie einem Kiefer eines jugendlichen Exemplars fand das Team feine Einbuchtungen und Löcher (Foramina), durch die zu Lebzeiten Nervenstränge zogen. Durch Vergleich mit ähnlichen Strukturen in den Schädeln von Vögeln, Krokodilen und Säugetieren rekonstruierten die Forscher, dass der Daspletosaurier ein „geschupptes, lippenloses Gesicht mit einer besonders berührungssensitiven Schnauze“ hatte. Und das hatten wohl alle Tyrannosaurier.

„Die kleinen Öffnungen am Ober- und Unterkiefer der Schnauze finden wir auch bei Tyrannosaurus rex, und zwar sogar sehr ausgeprägt“, sagt Daniela Schwarz, die als Kuratorin für Archosaurier auch das T. rex-Exemplar „Tristan Otto“, am Berliner Naturkundemuseum erforscht – so werden am morgigen Freitag „Tristans“ Zähne öffentlich untersucht.

Gesichtsnerv Trigeminus

Daspletosaurier gehören zur Gruppe der Tyrannosaurier, lebten etwa fünf Millionen Jahre früher als T. rex und ähneln ihnen entsprechend. „Wenn wir mit dem Computertomographen ins Innere von ,Tristans’ Schädel schauen, sehen wir Verbindungen der Foramina ins Knocheninnere, so dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um Nervenkanäle handelt”, sagt Schwarz.

Über die Aufgabe dieser Nerven herrscht noch keine Klarheit. Zumal der Trigeminus-Nerv, der auch beim Menschen das Gesicht versorgt, bei Wirbeltierarten die Reize ganz verschiedener Sinneswahrnehmungen ans Gehirn weiterleitet – bei Vögeln etwa die des Magnetfeldsinns. Schnabeltiere oder Delphine nehmen darüber elektrische Impulse wahr und Säugetiere geben die Tastsignale der Schnurrbarthaare weiter. Am ähnlichsten, meint Carr, ist dem Tyrannosaurus jedoch der Bewegungssinn der Krokodile, mit dem diese Beutetiere im Wasser erahnen.

„Für einen landlebenden Dinosaurier wie Tristan könnte so ein Sinn praktisch sein, um beim Fressen zu spüren, ob er nun auf Knochen oder Fleisch beißt“, sagt Schwarz. Tyrannosaurier haben bei der Jagd zwar wahrscheinlich erst von vorne mit den vorderen Zähnen zugebissen, um ihr Opfer zu packen, doch dann mit einer Seite des Kiefers Beutestücke herausgerissen. „Die sensible Schnauze hilft dann, den Druck oder den Winkel beim Zubeißen besser zu steuern.“

Federn oder Schuppen mit Tastsinn

Carrs Team geht aufgrund der Parallelen mit Krokodilen davon aus, dass die Schuppen um die Schnauze herum besonders durchlässig waren und darunterliegende Tasthügel (Papillen) die Berührungsreize über den Trigeminus-Nerv ans Gehirn weiterleiteten. „Man kann sich aber auch vorstellen, dass ähnlich wie um den Schnabel bei Vögeln auch um die Schnauze von Tristan herum kleine Tastfederchen vorhanden waren“, sagt Schwarz. Zwar gebe es eine große Ähnlichkeit der Verteilung der Tastforamina von Tyrannosaurierschädeln mit denen von Krokodilen und auch die Rauhigkeit des Kieferknochens deutet auf Schuppen im Gesicht hin. „Aber das eine schließt das andere nicht aus – auch ein Vogel hat Schuppen und Federn“, sagt Schwarz.

Dass Tyrannosaurus rex tatsächlich Federn hatte, dafür gebe es zwar keine direkten fossilen Beweise. „Aber Tyrannosaurier gehören zu einer Gruppe von fleischfressenden Dinosauriern, die alle Federn entwickelt haben“, sagt Schwarz. „Und Vorfahren von Tyrannosauriern, die in China gefunden wurden, hatten Federn.“ Selbst wenn T. rex wohl kein Federkleid hatte, sei es nicht auszuschließen, dass er spezialisierte Federn für die Sinneswahrnehmung hatte.

Eine weitere Funktion für die sensible Schnauze, spekuliert Carrs Team, könnte Temperaturempfinden gewesen sein, etwa zur Kontrolle der Nestwärme. „Aber das ist nur eine Idee“, meint Schwarz. Am besonders gut erhaltenen T. rex des Naturkundemuseums will sich die Forscherin die Sinnesöffnungen im Kiefer jedenfalls genau anschauen, um sagen zu können, durch welche Kanäle der Trigeminus-Nerv zog und welche Aufgabe er beim Schlagen oder Zerreißen der Beute hatte.

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