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Ein Universitätsmitarbeiter steuert die digitale Aufnahme einer Vorlesungen in einem Uni-Hörsaal.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Digitalisierung der Hochschullehre: „Hybride Lehre ist nur eine Übergangslösung“

Wie viel Online bleibt nach Corona? Ein Experte erklärt, wie der Digitalisierungs-Sprung Hochschulen wirklich weiterbringen könnte.

Julius-David Friedrich ist Projektleiter des Hochschulforums Digitalisierung am Centrum für Hochschulentwicklung. In seiner Arbeit befasst er sich unter anderem mit Hochschulbildung im digitalen Zeitalter und zeigt Hochschulen und Politik digitale Handlungsoptionen auf. Das Interview mit ihm führte Larena Klöckner.

Herr Friedrich, sehen Sie einen coronabedingten Digitalisierungs-Fortschritt an den Hochschulen?
Ja, aber die Frage des Fortschritts ist auch daran gekoppelt, wo die Hochschulen bereits vor der Corona Pandemie standen. In Deutschland zeigt sich ein heterogenes Feld. Passiert ist an den Hochschulen während der Pandemie viel. Aber nicht alles wird zu einem langanhaltenden Fortschritt beigetragen. Es wurden zum Beispiel Zoom-Lizenzen angeschafft, um Vorlesungen online zu halten. Das ist häufig nichts, was nachhaltig ist oder weiterverwendet wird. Es gibt aber andere Fälle, wo zum Beispiel Lernvideos produziert wurden oder bereits vorhanden waren. Diese können auch weiterhin eingesetzt werden.

Was ist der größte Gewinn, den die Pandemie in Bezug auf die Digitalisierung erbracht hat?
Die kollektive digitale Lehrerfahrung – und bei vielen Lehrenden auch eine Motivation Digitalisierung weiter einzusetzen. Vor der Pandemie hätte ich gesagt, dass eines der größten Probleme ist, die Lehrenden überhaupt erstmal in der Breite dafür zu sensibilisieren, digitale Tools auszuprobieren. Durch die Pandemie ist das einfach passiert, weil es keine andere Möglichkeit gab. Das ist die Grundlage für weiteren Fortschritt.

Ein Porträtfoto von Julius-David Friedrich.
Julius-David Friedrich ist Projektleiter des Hochschulforums Digitalisierung am Centrum für Hochschulentwicklung.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Gerade die hybride Lehre scheint ein Konzept zu sein, das sich zumindest an Berliner Hochschulen nicht so wirklich durchsetzt. Wie erklären Sie sich das?
Gemeint ist hier hybride Lehre im Sinne von „wir machen eine Vorlesung, zu der sich Studierende synchron dazuschalten können“. Ich würde sagen, das Konzept ist eine Not- und Übergangslösung. Während der Pandemie war es sinnvoll, sich aus gesundheitlichen Gründen digital dazuschalten zu können. Jetzt ist die Frage, ob dieses Setting auch didaktisch sinnvoll ist. Und da würde ich überspitzt sagen, dass das hybride Konzept das Schlechteste aus beiden Welten, also analog und digital, ist. Darin sehe ich keine Zukunft.

[Lesen Sie auch Larena Klöckners Bericht über die Digitalisierungs-Lage an den Berliner Hochschulen - Stand Sommersemester 2022 (Tagesspiegel Plus/€): Was von E-Learning übrigbleibt]

Aber wurden die Hörsäle nicht ohnehin dafür ausgerüstet?
Es wurde teilweise viel Technik angeschafft. Aber auch da ist es wieder sehr heterogen. Manche Hochschulen haben erst mal nur zwei Hörsäle ausgestattet und mit der Technik experimentiert. Andere haben viel Geld in die Hand genommen und viele Hörsäle ausgestattet. Aber statt nun weiter in Technik zu investieren, die hybride Lehre ermöglicht, sollten wir uns erstmal fragen, was Digitalisierung in Zukunft leisten kann und soll.

Und was wäre das?
Eine Möglichkeit ist die asynchrone digitale Lehre. Wir können Digitalisierung nutzen, um Wissensvermittlung online anzubieten und damit die Präsenz anders zu nutzen. Das Stichwort heißt hier Blended Learning. Ich kombiniere effektiv die Präsenzlehre mit der digitalen Welt. Ich kann Inhalte etwa in Form von Videos vermitteln, die sich die Studierenden flexibel ansehen können. Also eine digitale Wissensvermittlung. Mit dem Wissen geht es dann an den Campus, wo das Gelernte vor Ort diskutiert wird.

Der Campus wird also eher für den aktiven Austausch untereinander genutzt?
Ja, man muss sich fragen, wofür man den Campus in Zukunft nutzen will und was der Mehrwert des Zusammenkommens ist. Und das ist für mich eben nicht, dass vorrangig Vorlesungen und reine Wissensvermittlung stattfinden. Die fast ausschließliche Onlinelehre während der Pandemie hat gezeigt: Es fehlen der Austausch und das Ankommen im Studienleben. Wenn ich in Zukunft das Wissen online vermittle, habe ich vor Ort die Möglichkeiten auf diese Bedarfe einzugehen. Wissensvermittlung ist nur ein Baustein eines Studiums, Zeit für Zusammenarbeit und Austausch sind ebenso wichtig. Die Student:innen arbeiten später in der Berufswelt viel in Projekten zusammen, müssen kreativ sein. Diese Kompetenzen sollten schon an der Hochschule vermittelt werden.

Ein Student sitzt in seinem WG-Zimmer an einem Laptop und schaut sich ein Tutorial an.
Vorbereitungs-Sessions zu Hause am Laptop sollten erhalten und ausgebaut werden, sagt Julius-David Friedrich.

© Armin Weigel/dpa/dpa-tmn

Sind die Hochschulen darauf eingestellt?
Für viele Hochschulen ist das noch ein längerer Weg zur Neugestaltung der Curricula und des Campus. Wenn man das wirklich flächendeckend umsetzen will, müsste man auch über größere Baumaßnahmen am Campus nachdenken. Wie viele Hörsäle braucht es noch? Welche alternativen Flächen bräuchte es? Mir fallen da etwa sogenannte Makerspaces ein, wo Studenten:innen zusammen etwas erschaffen oder an Projekten zusammenarbeiten können, oder flexibel ausgestattete Räume, die den Austausch und das Zusammenarbeiten ermöglichen. Das findet man an vielen Hochschulen noch nicht in der Breite.

Gibt es in Deutschland Hochschulen, die in dem Bereich mit gutem Beispiel voran gehen?
Es gibt nicht das eine gute Beispiel. Eher einige Ansätze, die interessante Bausteine der Hochschule der Zukunft zeigen. Die Macromedia Hochschule, die Code University oder die Hochschule der Medien Stuttgart zeigen, wie neue Lernräume aussehen können. Aber auch der Blick über dem Tellerrand lohnt zum Beispiel nach St. Pölten, wo in der Breite der Inverted Classroom eingeführt wurde. Insgesamt denke ich vor allem in Blended Universities. Also Hochschulen, die Digitalisierung so selbstverständlich nutzen wie die Präsenzmöglichkeiten und beide Ansätze sinnvoll miteinander verzahnen.

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