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In Kochs Tradition. Ein Grund, nach Berlin zu kommen, war für sie die Historie der Infektionsforschung in der Stadt, sagt Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier.

©  John Macdougall/AFP

Die Wissenschaft der Pathogene: Auf den Nobelpreis folgt das eigene Institut

Emmanuelle Charpentier, Entdeckerin der Gen-Schere, bekommt ein eigenes Gebäude in der Albrechtstraße in Mitte, um Krankheitserreger zu erforschen.

Die Chemie-Nobelpreisträgerin des Jahres 2020 Emmanuelle Charpentier wird mit ihrer „Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene“ voraussichtlich 2024 in ein eigenes Gebäude in der Albrechtstraße in Berlin-Mitte umziehen.

Das verkündete der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Nobelpreisverleihung an die bei Paris geborene 51-jährige Mikrobiologin. Derzeit forscht sie noch auf dem Campus der Charité in Mitte.

„Es ist uns gelungen, ein eigenes Gebäude in der Albrechtstraße freizubekommen“, sagte Müller, „das wir für die nächsten 50 Jahre im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages der Max-Planck-Gesellschaft ab 1. November unentgeltlich zur Verfügung stellen können.“

Das "freie Elektron" wird sesshaft

Damit dürfte Charpentier nun tatsächlich in der Hauptstadt sesshaft werden. Vor ihrem Wechsel nach Berlin sei sie wie ein "freies Elektron", so die Forscherin über sich selbst, zwischen diversen Institutionen in den USA, Österreich, Schweden und Deutschland umhergezogen. Dass Charpentier nun bleibt, zeigt, dass die jahrelangen Bemühungen, den Wissenschaftsstandort Berlin mit „besseren Rahmenbedingungen“ für die Forschung auszustatten und international besser wahrgenommen zu werden, jetzt fruchten, sagte Müller. Der Nobelpreis sei auch eine Anerkennung für diese Bemühungen.

In der Tradition von Koch, Ehrlich und Virchow

Ein Grund, warum ihre Wahl 2015 auf Berlin fiel, so Charpentier, sei zum einen die hiesige Tradition in der Infektionsforschung und Mikrobiologie gewesen, die auf Robert Koch, Rudolf Virchow und Paul Ehrlich zurückgeht. Sie habe aber auch irgendwann festgestellt, dass sie in all den Labors, in denen sie geforscht hatte, immer gut mit deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeiten konnte.

Charpentier nutzte die Gelegenheit, sich nicht nur bei diesen, sondern auch den vielen anderen, fast ausschließlich jungen europäischen Arbeitskolleginnen und -kollegen, den Forschungsförderinstitutionen und Akademien zu bedanken, die ihr Team und sie persönlich lange Zeit unterstützt haben. Der Preis sei aber auch eine Anerkennung für all die Mitarbeiter an den Forschungsinstitutionen, die nicht im Labor stehen, sondern die „Maschinerie“ der Wissenschaft am Laufen halten.

Der Preis ermutige Grundlagenforscherinnen wie sie, ihrer wissenschaftlichen Neugier nachzugehen und wertschätze ihren multidisziplinären Forschungsansatz, ihre Lebensentscheidungen und ihre lange Reise durch so viele Forschungsprojekte und Institutionen, vor allem in Österreich und Schweden. „All das kommt jetzt zusammen und ergibt mit dem Nobelpreis einen Sinn.“

Jetzt 80 BBAW-Mitglieder mit Nobelpreis ausgezeichnet

Mit Emmanuelle Charpentier verzeichne die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) nun 80 Forscherinnen und Forscher in ihrer Mitgliederliste, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, sagte BBAW-Präsident Christoph Markschies.

Doch dieses Mal sei es etwas „ganz Besonderes“, denn die Möglichkeiten, die sich mit der Gen-Schere Crispr/Cas9 ergeben, seien eine „Revolution“, es sei mit „umwälzenden Folgen“ zu rechnen.

Allerdings setze das auch viele Fragen frei, wie mit den Möglichkeiten der Gen-Scheren-Technik, die über medizinische Eingriffe hinweg den „Menschen womöglich sogar gestaltbar“ mache, künftig umzugehen sein werde, so der Theologe Markschies. Das sei eine international zu beantwortende Frage.

Die Vergabe des Nobelpreises nach Berlin zeige, dass die Berliner Wissenschaft, zu Zeiten der BBAW-Gründung noch Französisch als Wissenschaftssprache pflegend, jetzt – wieder – international sei, so Markschies.

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