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Das in den 1960ern eröffnete TU-Haupthaus.

© imago images/Christian Kielmann

Die Technische Universität wird 75: Wie sich die TU als Zeichen gegen Preußens Prunk neu erfand

Vor 75 Jahren wurde die Technische Universität Berlin eröffnet. Ein Film zeigt, wie sie auch architektonisch ein Zeichen gegen die Vergangenheit setzen wollte.

Berlin, 1946. Wer sich an der frisch eröffneten Technischen Universität einschreiben will, muss eine besondere Zugangsberechtigung mitbringen: Einen Nachweis über hundert Stunden Dienst beim Räumen und Wiederaufbauen der zerbombten Stadt. Eine vielsagende Anekdote über die Anfänge der TU, die am 9. April vor 75 Jahren den Lehrbetrieb (wieder) aufnahm.

Die Episode findet sich in einem 20-minütigen Film, den die TU an diesem Donnerstag zum Jubiläum veröffentlicht und der auch auf dieser Seite zu sehen ist (siehe unten). Die Campusgeschichte wird dort nachgezeichnet. Der TU-Architekturhistoriker Dieter Nägelke und die Kunstwissenschaftsstudentin Julia Meyer-Brehm nehmen die Zuschauer:innen mit auf einen Gang rund um den Ernst-Reuter-Platz. Eine Geschichte, die mit den Vorgängern der TU weit vor 1946 beginnt. „150 Jahre spiegeln sich in dem Campus wider“, sagt Nägelke.

Das größte Gebäude Preußens

Das alte, imposante Hauptgebäude der Technischen Hochschule, der Vorläufer-Einrichtung der TU, war schon im späten 19. Jahrhundert entstanden. Ein Prunkbau, bei der Fertigstellung das größte Gebäude Preußens; im Zweiten Weltkrieg fast zur Hälfte zerstört. Alte Wochenschau-Aufnahmen zeigen das Ausmaß des Schadens. Ein Zeitzeuge berichtet: „Wir waren erfahren im Begehen von Ruinen, aber dieses hier sah ziemlich finster aus.“

Doch nicht nur deswegen kam ein einfacher Wiederaufbau nicht infrage. Bewusst war die alte Technische Hochschule nicht wieder eröffnet, sondern als Technische Universität neu gegründet worden. Man wollte klar mit den NS-Jahren brechen, in denen sich die Hochschule in den Dienst von Regime und Rüstungsindustrie gestellt hatte, Wissenschaftler vertrieben wurden. Die neue TU sollte bewusst nicht nur technische Fächer anbieten, sondern mit Geistes- und Sozialwissenschaften humanistischen Gedanken folgen.

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Das Neue in das Alte einpflanzen

Und so wollte man auch ein Zeichen bei den Gebäuden setzen, das Neue quasi in das Alte einpflanzen. Am augenfälligsten ist das beim Hauptgebäude, das erst teilweise abgerissen und dem dann bis 1965 ein ebenso monumentales aluminiumverkleidetes Hochhaus vorgesetzt wurde. Bis heute prägt es die Straße des 17. Juni.

Rund herum entstand ein Ensemble mehrerer fast ikonographischer Bauten: Man denke an das Telefunkenhaus, zwischenzeitlich das höchste Gebäude Berlins, oder das Institut für Bergbau, den ersten TU-Neubau in den Fünfzigern. Die riesigen zentralen Verkehrsachsen rund um die TU spiegeln ebenso den Geist der 1950er und 1960er wider. Insbesondere der Ernst-Reuter-Platz musste sich ganz dem Primat der autogerechten Stadt unterordnen.

Der Film zur TU-Campusgeschichte:

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Heute dürften sich am TU-Hauptgebäude die Geister scheiden. Fans des Brutalismus kommen immer noch auf ihre Kosten. Für andere dürfte es eher kafkaesk wirken mit seinen Zwischengeschossen, toten Winkeln und Treppen und Fahrstühlen, die manchmal scheinbar ins Nichts führen.

Aber auch das ist ganz bewusst als Aufbruch in die Moderne konzipiert worden, wie in dem Film klar wird. Die hohen Decken des alten Hauses galten als monströs und verschwenderisch, also baute man Zwischendecken ein und halbierte Fenster. Es bestand ein so tiefes Misstrauen gegen die Symmetrie- und Sichtachsen der Vorkriegszeit, dass die zentrale Treppe dezentral angelegt und das Audimax in einen seitlichen Trakt verlegt wurde. Architektonisch sollte möglichst wenig an die Hierarchie der Ordinarienuniversität erinnern.

Nägelke und Meyer-Brehm erzählen liebevoll von dieser Architekturgeschichte: Ein kleiner, feiner Rundgang, der allen Berliner:innen ein Stück ihrer Stadt nahebringt.

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