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Ist Bremens Triumph von Dauer? In Zukunft müssen Unis zwei Cluster eingeworben haben, um Exzellenzuni zu werden. Bislang reichte eins.

© p-a/dpa

Die neue Exzellenzinitiative: Neue Sieger, mehr Verlierer

Die Folgen der Vereinbarung über die neue Exzellenzstrategie: Bundesweit werden nur noch wenige Unis auf ein Cluster hoffen können. Ein Gastbeitrag von

Auf die Verständigung zwischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin am 16. Juni über die Fortsetzung der Exzellenzinitiative haben die Vertreterinnen und Vertreter des deutschen Wissenschaftssystems mit großer Erleichterung reagiert. Man möchte sagen „Ende gut, alles gut“ und sich nun der Tagesordnung bzw. anderen Problemen zuwenden. Trotzdem erscheint mir ein kritischer Blick auf das, was dort auf dem letzten Drücker vereinbart wurde, notwendig.

 Worum ging es Hamburg?

Laut Medienberichten und eigenen Darstellungen hat Hamburg dem in der Gemeinsamen Wissenschaftskommission (GWK) im April erreichten Kompromiss zwischen Bundesregierung und Ländern nicht zugestimmt (sondern hat sich enthalten), weil es die erzielten Vereinbarungen nicht für hinreichend ansah, um einen fairen Wettbewerb mit gerechten Abstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Bereich der Förderlinie Exzellenzuniversitäten zu gewährleisten. Die Vorgabe, dass eine Exzellenzuniversität nach sieben Jahren in Bezug auf die Erreichung ihrer Leistungsziele evaluiert wird und zukünftig im Wettbewerb mindestens zwei Forschungsclusteranträge (alleine oder drei im Verbund) durchbringen muss, war aus Hamburger Sicht nicht genug, um faire Bedingungen für potentielle Neuaufsteiger zu schaffen. Die Förderung sei zu sehr auf Dauerhaftigkeit für die Exzellenzuniversitäten angelegt und biete Neuaufsteigern zu wenig Chancen: „Sie (die Exzellenzuniversitäten) sollen sich nicht auf ihrem Status ausruhen können, während andere, die sich anstrengen, mit dem Kopf an die Decke stoßen.“ (Katharina Fegebank, Tagesspiegel 09. Juni)

Da in der GWK Einstimmigkeit nicht erreicht werden konnte, wurde eine Entscheidung auf der Ebene Ministerpräsidenten/Bundeskanzlerin notwendig.

Die bisherige Exzelleninitiative produzierte Auf- und Absteiger 

Naheliegend ist die Frage, ob die Erfahrungen mit der bisherigen Exzellenzinitiative die Hamburger Befürchtungen stützen. Seit 2012 erhalten elf Universitäten Mittel aus der Förderlinie „Zukunftskonzepte“, sind also im üblichen Sprachgebrauch „Exzellenzuniversitäten“ oder auch „Eliteuniversitäten“. Drei Universitäten verloren 2012 ihren Exzellenzstatus, nämlich Karlsruhe, Göttingen und Freiburg – entweder weil sie mit ihren Clusteranträgen scheiterten (KIT) oder weil ihre Performance im Bereich „Zukunftskonzepte“ die Gutachter nicht überzeugen konnten. Fünf Unis konnten sich dagegen 2012 als neue Exzellenzuniversitäten durchsetzen: die HU Berlin, die Uni Bremen, die TU Dresden, die Uni Köln und die EKU Tübingen. Rechnerisch wurden diese Neuaufstiege möglich, weil es bis 2012 nur neun Exzellenzunis gab, zwei Newcomer konnten also gewissermaßen auf „freie“ Plätze aufrücken und drei die Plätze der „Absteiger“ einnehmen. Die „Neuaufsteiger“ hatten die Zeit von 2006/2007 bis 2012 genutzt, um sich über erfolgreiche Anträge in den Förderlinien „Forschungscluster“ und „Graduiertenkollegs“ an die „Exzellenzgruppe“ heranzuarbeiten und ihre Zukunftskonzepte zu weiter zu entwickeln und zu schärfen. Die bisherige Exzellenzinitiative bietet also sowohl Aufstiegs- als auch Abstiegsmöglichkeiten, wenn man ihre Mechanismen und Kriterien zu nutzen weiß – wie gerecht dies im Einzelfall ist, mag an dieser Stelle dahingestellt sein.

 Voraussetzung sind nun zwei Cluster - andere Unis als bisher werden profitieren

Gilt das über Abstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten festgestellte aber auch unter den neuen veränderten Mindestvoraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerb „Exzellenzuniversität“? In Zukunft ist das Einwerben eines Graduiertenkollegs nicht mehr Voraussetzung für eine Exzellenzuniversität, stattdessen muss eine Uni mindestens zwei Forschungsclusteranträge erfolgreich durchbringen (im Verbund drei), um überhaupt einen Antrag im Bereich „Exzellenzuniversität“ stellen zu können. Betrachtet man die Ergebnisse der bisherigen Exzellenzinitiative, kann man davon ausgehen, dass es auch künftig „Absteiger“ und „Aufsteiger“ geben wird, aber es wären jeweils andere: Von den jetzigen Exzellenzunis wären bei solchen Bedingungen Bremen, Konstanz, Tübingen und die TU München nicht mehr dabei, weil sie nur ein Forschungscluster haben. Dafür hätten alle Unis, die es 2012 nicht in die 3.Förderlinie schafften, aber über zwei oder mehr Forschungscluster verfügen, unter solch veränderten Bedingungen bessere Chancen gehabt. Das wären die Unis Bonn, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Kiel und Münster. Diese Universitäten gingen bisher bei der Verteilung der Spitzenkrönchen leer aus, weil sie entweder kein Graduiertenkolleg einwerben konnten oder ihr Zukunftskonzept nicht überzeugte oder beides. Diese sechs Universitäten sehen sich jetzt in einer besseren Ausgangsposition.

 Kleinere Unis wie Konstanz werden es schwerer haben

Kleinere Universitäten an kleineren Standorten ohne die Nähe einer potentiellen Partneruniversität, wie die Universität Konstanz, werden es trotz ausgezeichneter Leistungen zukünftig schwerer haben, darauf hat der Vorsitzende der Evaluierungskommission zur Exzellenzinitiative Dieter Imboden völlig zurecht hingewiesen. Die Zwei-Cluster-Vorgabe wird vor allem großen Universitäten mit mehreren großen Forschungsverbünden, Universitäten an Standorten mit geeigneten universitären Verbundpartnern (wie Fu und HU) oder Universitäten, die zumindest eine medizinische Fakultät an einem Universitätsklinikum haben, Vorteile bringen.

Ab- und Aufstiegsmöglichkeiten wird es also geben, interessant ist aber auch die Frage, wie die von den Ministerpräsidenten neu ausgehandelten Veränderungen sich auf die Clusterförderung und damit auf die Chancen aller anderen Universitäten auswirken wird.

 Was haben die Ministerpräsidenten verändert und welche Folgen hat das?

Die neue Zwei-Cluster-Regelung war jedenfalls nicht Gegenstand des Streits in der GWK und der Ministerpräsidenten/Bundeskanzlerin-Runde. Dazu war man wohl zu sehr auf das Thema Exzellenzuniversität fixiert. Dass auch eine Exzellenzuniversität nach sieben Jahren evaluiert wird und dass auch sie ihre zwei vorgeschriebenen Forschungscluster einwerben muss, war bereits Teil des GWK-Kompromisses und wurde nicht erst am 16.Juni vereinbart.

Die Ministerpräsidentenrunde hat sich mit der Bundesregierung darauf verständigt, dass die Evaluation nach strengen wissenschaftlichen Kriterien „selektiven Charakter“ haben soll. Als internationaler wissenschaftlicher Gutachter wäre ich not amused, wenn die Politik meint, mir dies noch extra ins Stammbuch schreiben zu müssen. Eigentlich ist das schon eine Beleidigung, aber man kann hoffen, die betroffenen Damen und Herren tragen es mit Humor oder kriegen nicht mit, was deutsche Ministerpräsidenten für ihre pädagogische Mission halten.

Außerdem haben die Ministerpräsidenten vereinbart, in der ersten Runde der neuen Exzellenzinitiative in jedem Fall elf Spitzenunis zu küren und nicht – wie vorgesehen acht bis elf.

Dies ist nun bemerkenswert. Denn rein logisch ist die Auswahl von 11 aus einer Bewerbergruppe weniger selektiv als die Auswahl von 8 oder 9.  Eigentlich  würde die Auswahl von weniger als elf den künftigen potentiellen Newcomern zusätzliche Vorteile bringen: Sie könnten nicht nur die Plätze der Absteiger besetzen, sondern die in der ersten Runde nicht verwendeten Mittel könnten bei der nächsten Runde miteingesetzt werden. Eine zusätzliche Motivation für Aufsteiger an ihren Konzepten zu feilen. Bei 11 Auserwählten in der ersten Runde müsste auf die strategischen Gesamtkonzepte allerdings eher großzügig geschaut werden.

Nach den neuen Spielregeln müsste man bei den Zukunftskonzepten wohl manches Auge zudrücken

Zur Verdeutlichung ein hypothetischer Blick auf die bisherige Exzellenzinitiative: Nehmen wir mal an, die vier „Elite-Unis“, die nur ein Cluster haben (und die neue 2-Cluster-Regelung nicht erfüllen), hätten den Sprung in die jetzige elfer Gruppe nicht geschafft oder würden ausscheiden, die anderen sieben mit zwei und mehr Clustern und positiv bewerteten Zukunftskonzepten hätten sich behauptet und die Plätze der Absteiger wären aus dem Kreis derjenigen zu besetzen, die noch nicht zur Elitegruppe gehören, aber zwei oder mehr Cluster haben. Das sind aber nur sechs Universitäten. Das heißt, um die Zahl elf zu erreichen, müssten nur zwei draußen bleiben. Wäre 2012 nach den neuen Spielregeln gespielt worden, hätte man bei den Zukunftskonzepten wohl manches Auge zudrücken müssen.

 Die Gutachter müssen die Cluster auf 13 bis 15 Unis fokussieren - die Chancen anderer Unis auf ein Cluster nehmen ab

Viel spannender ist aber die Frage, was die neuen Spielregeln für den allseits gelobten Förderteil „Forschungscluster“ bedeutet. Für diese Förderlinie sind 45 bis 50 Förderfällen vorgesehen. Wenn in der ersten Runde elf Exzellenzunis gefördert werden sollen, müssen auf diese also mindestens 22 Forschungscluster entfallen. Einige Exzellenzunis haben aber jetzt schon drei oder sogar vier Cluster (HU, LMU München) entweder alleine oder im Verbund eingeworben. Solche Fälle wird es sicher auch zukünftig geben. Außerdem will man ja nicht nur elf Kandidaten für elf Plätze haben. Konservativ gerechnet stehen die Gutachter also vor der Aufgabe, mindestens etwa 30 Cluster auf eine Gruppe von ca. 13-15 Unis so zu fokussieren, dass man elf auswählen kann. Für alle anderen herausragenden Forschungsverbünde an deutschen Universitäten blieben dann nur noch 15 bis 20 Optionen. Dabei wird die Clusterförderung eigentlich als das Herzstück auch der neuen Exzellenzinitiative angesehen, um gerade auch der besonders guten Qualität deutscher Universitätsforschung in der Breite Rechnung zu tragen.

Die Clusterförderung war bisher aber auch der Weg für Neuaufsteiger, um Anschluss an die Exzellenzgruppe zu finden. Bremen, Köln und Dresden sind dafür gute Beispiele. Die Mittel für die Forschungscluster werden sich nach den neuen Regelungen zunehmend auf den Kreis der Kandidaten für die erste elfer-Runde hin konzentrieren (müssen). Ob dies immer nach strengen wissenschaftlichen Kriterien möglich sein wird, wird man sehen. Die Chance für interessante neue Forschungsverbünde außerhalb dieses Zirkels in den Genuss einer Clusterförderung zu kommen, wird eher klein. Für die meisten deutschen Universitäten wird es also weniger Chancen geben aus der Exzellenzinitiative gefördert zu werden.

 Bekommen 15 Unis ein Cluster, wird es für die anderen noch enger

Noch deutlicher wird dies, wenn man sich anschaut, was in der Ministerpräsidenten-Bundeskanzlerin-Runde noch beschlossen wurde: Zukünftig soll es für die zweite Runde eine Garantie für vier Neuaufsteiger geben. Falls es nicht vier Absteiger geben sollte, wird aus den Neuaufsteigern eine entsprechende Zahl von Zusteigern gemacht. Das heißt wenn keine der elf Auserwählten der ersten Runde ausscheidet, wird es nach der zweiten Runde (unter dem Einsatz zusätzlicher Mittel) 15 Exzellenzuniversitäten geben. Nun kann man wohl getrost davon ausgehen, dass es aller Erfahrung nach nicht soweit kommen wird. Allerdings müssen die Ministerpräsidenten doch ernsthaft von einem solchen Szenario ausgegangen sein, sonst wäre die ganze Aufregung ja umsonst gewesen. Die war aber ja gerade mit der Furcht begründet, dass die Aufsteiger der ersten Runde sich dauerhaft etablieren würden.

Deshalb darf man auch die Frage stellen, was die Vereinbarung denn für die Clusterförderung bedeuten würde. Da die Gutachter bei der Clusterförderung ja nicht wissen können, ob von den 11 Exzellenzunis eine bei der späteren Evaluation als Gesamtuni ausscheidet, müssen sie nach den politischen Vorgaben im Grunde so agieren, dass in der zweiten Förderrunde bei der Entscheidung über die Verteilung der Cluster am Ende für die Förderlinie „Exzellenzuniversität“ (die danach stattfindet) ein elf plus vier Szenario überhaupt noch möglich wäre. Das heißt, eine entsprechende Gruppe von potentiellen Kandidaten für das 15er-Szenario müsste ja mit mindestens jeweils zwei Cluster auf den Weg geschickt werden. Dabei würde natürlich weiter gelten, was oben bereits zum Thema Auswahlmöglichkeit und Unis mit mehr als zwei Clustern ausgeführt wurde. Das heißt, die gesamte sonstige universitäre Forschungs-Community könnte froh sein, wenn sie sich dann noch um zehn Clusterförderungen balgen dürfte. Wie bei solchen politischen Vorgaben eine Auswahl nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gelingen soll, bleibt offen.

Der Förderteil Cluster würde auf- und ausgesaugt - die Durchlässigkeit wird geringer

Bei der Ausweitung des Exzellenz-Klubs auf 15 Beteiligte würden nicht nur zusätzliche Mittel für den umstritteneren Teil der Exzellenzinitiative generiert, sondern die Förderlinie „Exzellenzuniversität“ würde zunehmend den Förderteil „Forschungscluster“ auf- und aussaugen. Dies würde gerade den Weg für Newcomer und neue Themen erschweren. So sympathisch der Gedanke der Verbreiterung der Spitze zunächst wirken mag, mit der Option acht bis elf war bereits ein Kompromiss zwischen der Position des Bundes und den Interessen der Länder gefunden.

Wer die Spitze verbreitern will, sollte dies nicht als Stärkung des „selektiven Charakters“ verkaufen, er sollte aber vor allem im Auge behalten, welche Auswirkungen die Verbreiterung der Spitze zusammen mit der neuen Zwei-Cluster-Regelung auf das Herzstück der Exzellenzinitiative hat: Die Förderung hervorragender Forschungsverbünde auch unabhängig von der Größe und Bedeutung der jeweiligen Gesamtinstitution würde zunehmend kaputt gemacht. Da der Aufstieg über die Einwerbung von Forschungsclustern erschwert wird, gibt es nach diesen „Nachbesserungen“ weniger Chancen und weniger Durchlässigkeit für die meisten deutschen Universitäten.

Die Autorin war bis 2013 wissenschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen

Krista Sager

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