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Die Lehren der Vergangenheit: Klimawandel führte in der Erdgeschichte zu großen Artensterben

Rasche Erwärmungen des Klimas ließen mehrfach in der Erdgeschichte viele Arten aussterben. Droht Ähnliches auch aufgrund des heutigen Klimawandels?

Der Blick in die Vergangenheit verheißt nichts Gutes: Vor rund 252 Millionen Jahren stiegen die Temperaturen auf der Erde in kurzer Zeit um mehr als zehn Grad Celsius. In den Meeren starben damals 90 Prozent aller Arten aus und auch an Land nahm die Artenvielfalt drastisch ab.

Auch zu anderen Zeiten wie vor 201 und vor 180 Millionen Jahren verschwanden auffällig viele Arten, wenn sich das Klima rasch wandelte. Wissenschaftler:innen wie der Paläontologe Wolfgang Kießling von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen erforschen daher, ob der von der Menschheit ausgelöste derzeitige Klimawandel ebenfalls zu einem Massenaussterbeereignis führen könnte.

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Drastische Erwärmung, möglicherweise innerhalb von Jahrzehnten

Als Paläoumwelt-Forscher ist Kießling Autor für den neuen Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. Für den Beitrag der Arbeitsgruppe „Klimafolgen, Anpassung und Verwundbarkeit“ hat er zu Kapiteln zu den Ozeanen, sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf Hotspots der Biodiversität mitgewirkt. Im Zentrum dieser Arbeit stand die Frage: Was war bei den Massenaussterbeereignissen der Vergangenheit passiert?

Vor 252 Millionen Jahren quollen gigantischen Lavaströme mit hohem Tempo im heutigen Sibirien aus dem Boden. Heute bedecken diese bis zu drei Kilometer starken Flutbasalte eine Fläche von zwei Millionen Quadratkilometern – etwa die halbe Größe der Europäischen Union. Beim Ausbruch wurden auch riesige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt. Die Temperaturen auf der Erde stiegen in der Folge um mehr als zehn Grad Celsius an.

„Wir wissen aber nicht genau, wie schnell es damals wärmer wurde“, erklärt Kießling. Anhand von versteinerten Organismen auf dem Meeresgrund können die steigenden Temperaturen und das Massensterben nur auf einen Zeitraum von etwa 20.000 Jahren eingegrenzt werden. Die dramatische Erwärmung könnte noch deutlich schneller als die heutige innerhalb einiger Jahrzehnte abgelaufen sein, doch bewiesen ist das nicht.

Ein Teil des freigesetzten Kohlendioxids löste damals sich im Meerwasser und machte es saurer. Darauf reagieren Tiere wie die Steinkorallen und viele andere sehr empfindlich, weil sie im saureren Wasser ihre schützende Kalkhülle oder ihr Kalkskelett kaum oder gar nicht mehr bilden können. „Vor 252 Millionen Jahren starben dann auch die urtümlichen Korallen alle aus“, erklärt Kießling.

Die Ozeane puffern den Klimawandel

In wärmerem Wasser löst sich zudem erheblich weniger Sauerstoff als in kühlerem. In der Wärme läuft der Organismus von Meerestieren aber auf höheren Touren und braucht daher mehr Sauerstoff. Erhöhter Bedarf traf auf verringertes Angebot. Das Artensterben damals betraf daher wahrscheinlich vor allem Meereslebewesen. Auch an Land kam es zu einem großen Artensterben. Weil dort aber weniger Fossilien aus der Zeit gefunden wurden, fehlen der Forschung bisher genauere Angaben.

Kießling und sein Team haben ein Vorwarnzeichen für das Verschwinden von Arten identifiziert. Damals lebten in den Meeren sehr viele Ammoniten. Das sind Kopffüßer, wie die heutigen Tintenfische, die sich aber mit einer Kalkschale vor Feinden schützten. Bevor die Klimaerwärmung begann, hatten diese Kalkschalen rund 15 Zentimeter Durchmesser. Als die Temperaturen stiegen und der Sauerstoff und Nährstoffe knapper wurden, wurden die Ammoniten in Anpassung an die neuen Lebensbedingungen immer kleiner. Im Durchschnitt waren sie vor ihrem Aussterben nur noch drei Zentimeter groß.

[Lesen Sie dazu auch „Wärmer, höher, saurer: Wie der Klimawandel die Weltmeere verändert“ bei Tagesspiegel Plus]

Auch heute lässt sich eine solche Verzwergung bereits nachweisen – im Ozean und auch an Land. So nahm etwa bei 77 untersuchten Vogelarten im Amazonasgebiet seit 1979 das Körpergewicht um bis zu 1,8 Prozent im Jahrzehnt ab. Wie damals ist auch heute der steigende Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre der Auslöser. Nur stammt das Treibhausgas diesmal nicht aus Vulkanen, sondern aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Zieht der von Menschen ausgelöste Klimawandel nun ein ähnliches Artensterben wie vor 252 oder vor 201 Millionen Jahren nach sich?

„Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, weil weitere Faktoren die Auswirkungen des Klimawandels beeinflussen“, erklärt Wolfgang Kießling. „Zum Beispiel schwimmen heute riesige Mengen von Kalk-Plankton in den Weltmeeren, das es damals noch gar nicht gab.“ Nach dem Tod sinken die Kalkschalen dieser Organismen auf den Meeresgrund und werden dort unter nachrieselndem Material begraben. Das in den Schalen gespeicherte Kohlendioxid kann daher das Klima nicht weiter anheizen und das Kalkplankton puffert so den Klimawandel ein wenig ab.

Allerdings wirkt ein solcher Puffer nur für einen begrenzten Zeitraum, danach hat der Klimawandel vielleicht umso stärkere Effekte. Exakte Vorhersagen der Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben im Meer sind derzeit kaum möglich. Eines aber scheint sicher: „Viele Arten dürften in Schwierigkeiten kommen“, vermutet Kießling. „Diese Entwicklung könnten wir abmildern, wenn wir den Klimawandel möglichst rasch eindämmen.“

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