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Machbuba - hier in einem Gemälde eines unbekannten Künstlers (um 1840) - wurde als Kind versklavt.

© Thomas Kläber/Eigentum der Erbengemeinschaft der Grafen Pückler aus dem Bestand der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz

Die Abessinierin im Gefolge Fürst Pücklers: Das Rätsel der Machbuba

Auf Sklavenmärkten kaufte Fürst von Pückler-Muskau um 1837 zwei junge Abessinierinnen frei. In seinen Berichten wurden sie zu einer Figur - zu Machbuba. Ihr Leben gibt bis heute Rätsel auf.

„Als ich sie kaufte, und aus Furcht, daß mir ein Anderer zuvorkommen möchte, ohne Handel den geforderten Preis sogleich auszahlen ließ, trug sie noch das Costüme ihres Vaterlandes, d.h. nichts als einen Gürtel aus schmalen Lederriemen mit kleinen Muscheln verziert. (…) Uebrigens versteht es sich von vornherein, daß ich ein zu gewissenhafter und selbst zu freier Preuße bin, um sie jetzt noch als Sclavin zu behandeln. Mit dem Eintritt in mein Haus war sie eine Freie, obgleich ich fürchte, daß sie noch keinen recht deutlichen Begriff von diesem Zustande hat (…).“

Der vom Lausitzer Standesherrn Hermann Fürst von Pückler-Muskau geschilderte Kauf eines abessinischen Mädchens namens Ajiamé auf dem Sklavenmarkt Anfang 1837 in Kairo sollte noch einige Verwicklungen mit sich bringen. Die Episode beschäftigt seither Wissenschaftler und Schriftsteller. Und sie war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kein Einzelfall. Herzog Maximilian von Bayern etwa kaufte 1838 fünf Sklaven frei und brachte sie mit nach München. Dies wird später für die Rekonstruktion der Lebensdaten von Pücklers Reisebegleiterin relevant.

Sklaverei und der Sklavenhandel wurden in Nordostafrika und der arabischen Welt seit der Antike praktiziert und in Äthiopien erst 1974 abgeschafft. Im 19. Jahrhundert wurden die Sklaven in Kriegen und durch regelrechte Jagden rekrutiert. Oder unterjochte Bewohner beglichen ihre Tributschuld durch die Abgabe ihrer Kinder. Von dem wichtigsten Sklavenumschlagplatz Gondar im äthiopischen Hochland wurden jährlich mehr als 15 000 junge Äthiopier und Äthiopierinnen entlang der Nilzuflüsse durch das Königreich Sennar bis nach Wad Medani am Blauen Nil und schließlich zum nächsten Sklavenmarkt in Khartum gebracht. Als Teil überregionaler Karawanen marschierten sie von dort auf dem beschwerlichen „Weg der 40 Tage“ zuerst durch die Bayuda Wüste, dann entlang des Nils bis nach Kairo.

Zuerst kaufte Pückler Ajiamé frei, dann Machbuba

Auch Ajiamé war mit großer Wahrscheinlichkeit auf diesem Weg in die ägyptische Hauptstadt gelangt, wo sich die eingangs geschilderte Transaktion zugetragen haben mag. In Pücklers mehrbändigen Reisewerken „Aus Mehemed Ali’s Reich“ und „Die Rückkehr“, die zwischen 1844 und 1848 veröffentlicht wurden, rühmte er ihre außerordentliche Schönheit, sie erschien ihm „wie eine Venus von Tizian, nur in schwarzer Manier“. Pückler beschrieb ihre täglichen Handlungen, ihre vorbildliche Körperpflege, aber auch ihre Anmut, ihre asketische Ernährung, ihren Wissensdurst und ihre beeindruckenden Fähigkeiten beim Erlernen fremder Sprachen.

Nachdem er Nubien erreicht hatte, von wo aus er in den Sudan weiterzureisen gedachte, ließ Pückler Ajiamé bei einem lokalen Fürsten zurück. Später erwarb er im sudanesischen Khartum noch weitere Sklavinnen für seine Entourage. Auf der Rückreise holte er schließlich „seine“ Ajiamé wieder ab und begab sich über Alexandria nach Jaffa, das heutige Tel Aviv, mit dem Ziel Heiliges Land. Mit an Bord befanden sich neben einer ganzen Menagerie exotischer Tiere auch vier Sklavinnen und Sklaven, wovon eine Ajiamé und eine andere Machbuba hieß. Durch einen literarischen Kunstgriff scheint Pückler während des Aufenthalts in Palästina aus diesen unterschiedlichen Sklavinnen plötzlich eine einzige Person gemacht zu haben – aus Ajiamé wird Machbuba, arabisch: die Geliebte.

Lady Hester Stanhope, die Pückler 1838 auf ihrem Bergkloster im Libanon besucht hatte, beschrieb noch zwei Sklavinnen, die eine „ein schwarzes Mädchen, ca. 12 Jahre alt, gekleidet wie ein Junge; die andere, eine Abessinierin, eine junge Frau, eingehüllt von Kopf bis Fuß in ägyptischer Manier“. Als er in Syrien auf den ehemaligen britischen Konsul für Ägypten, John Barker, stieß, ist es eindeutig allein Machbuba, die von dessen Familie zeitweilig aufgenommen und in Briefen mit höchsten Ehrerbietungen bedacht wurde. Ihre Schönheit hatte Barkers Sohn Edward so betört, dass er eine leider verschollene Zeichnung von ihr anfertigte.

Mythen und Fakten - schwer zu unterscheiden

Was war mit Ajiamé passiert? Und wer war nun Machbuba? Pückler blieb unscharf in seinen Darstellungen und die Verschränkung der beiden Geschichten gibt weiterhin Rätsel auf und verlangt ein sorgfältiges Quellenstudium, um Fakten von den Mythen zu trennen.

Machbuba, so wurde es 1840 im Sterberegister der Stadtkirche Muskau festgehalten, war „wohnständig im hohen Gebirge Abyssiniens“, „an den Quellen des Nils geboren“. Sie „war die Tochter eines Beamten aus einem königlichen Hofe dieses Landes“ und „geriet in Sklaverei, als ein Nachbarvolk Krieg mit ihrem Landesfürsten führte“. Von Gondar „ward die Machbuba nach Chartum in Sudan geführt, wo sie der Fürst im Alter von 11 Jahren an sich kaufte“. War Machbuba also tatsächlich eine der Sklavinnen, die Pückler für seine Entourage in Khartum gekauft hatte?

Pückler jedenfalls reiste 1839 mit dem von ihm Machbuba genannten Mädchen weiter durch das Osmanische Reich über Konstantinopel, das Schwarze Meer und von Varna die Donau entlang bis Pesth (das heutige Budapest). Ab diesem Reiseabschnitt können dank neu entdeckter Quellen biografische Details dieser jungen, charaktervollen Frau nachvollzogen werden, die sich durch ihre Persönlichkeit auch an europäischen Höfen Sympathie und Anerkennung erwarb. Das wird aus Briefwechseln Pücklers mit Vertretern des hohen Adels in Pesth und Wien deutlich.

Die Zeitungen verfolgen Pücklers Orientreise

Die Zeitungen verfolgen Pücklers Orientreise, die er 1834 angetreten hatte, nun immer intensiver. Die sechsjährige Reise wurde in 40 Zeitungen mit mehr als 300 Meldungen bedacht. Pückler und „seine Abyssinierin“ wurden wie Popstars beobachtet. Die Zeitung „Der Adler“ berichtete am 5. Oktober 1839 aus Pesth: „Fürst Pückler-Muskau hält sich noch hier auf (er logirt in dem neuen prächtigen Hotel zur Königin von Ungarn), und gedenkt hier noch eine Zeit lang zu verweilen. Die schöne abessinische Sklavin, die er aus Egypten mitgebracht hat (…) zieht die Aufmerksamkeit der Pesther auf sich, so oft sie sich öffentlich zeigt“. Der Fürst und seine Entourage logierten dann ab Anfang Januar 1840 in Wien im „Hotel Zum Goldenen Lamm“ in der Leopoldstadt, er besuchte mit seiner „Abyssinerin“ wissenschaftliche Vorträge, das Hoftheater, die Salons der Adligen und Abendgesellschaften.

Bei einer Veranstaltung für die höhere Gesellschaft in Wien zeigte Machbuba ihre fulminanten Reitkünste auf den von Pückler aus Afrika mitgebrachten wertvollen zwölf Arabern. In dieser Zeit begegnete sie auch einem Landsmann, der von Maximilian von Bayern auf dem Sklavenmarkt in Kairo erworbenen worden war, dem sie Lieder der Oromo – einer Bevölkerungsgruppe in Äthiopien beibrachte – wie der Linguist Karl Tutschek in seinen Tagebüchern notierte.

Vom bedeutendsten Orientalisten der damaligen Zeit, Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, stammt folgende Schilderung: „Anfang Januar kam der berühmte Reisende Fürst Pückler-Muskau an, (…). Sein Äußeres gefiel mir so gut, daß ich die ganze Nacht von ihm träumte. (…) Auf der Redoute machte ich die Bekanntschaft seiner Abessynierin Machbuba, ich sprach mit ihr arabisch, ihr Äußeres enttäuschte mich aber und blieb weiter hinter den Schilderungen ihres Liebreizes zurück, die der Fürst in der ,Allgemeinen Zeitung’ gemacht hatte.“

Pückler legte verwirrende Fährten in seinen Geschichten

Machbuba war zu dieser Zeit bereits sterbenskrank. Ein Aufenthalt im böhmischen Marienbad sollte Abhilfe schaffen, brachte jedoch nur eine kurze Linderung. Über Prag sowie weitere Stationen reiste Pückler mit ihr und seiner großen Entourage zurück nach Muskau. Ihre letzten Tage verbrachte sie im fürstlichen Schloss, wo sie am 27. Oktober 1840 an einer „Gekrösdrüsen- und Lungentuberkolose“ verstarb, wie ihr behandelnder Arzt Dr. Freund durch eine Obduktion feststellen konnte. Ihr Grab befindet sich auf dem St. Jacobi Friedhof in Bad Muskau.

Pückler und Machbuba – diese Beziehung bildete immer wieder die Vorlage für Schriftsteller, eine klassische Liebesgeschichte daraus zu entwerfen, ohne die Brüche zu benennen, die offensichtlich gar keine schlüssig-lineare Biografie von Pücklers Begleiterin zulassen. Sicherlich beflügelten Pücklers in der leidenschaftlich-gefühlvollen Sprache der Spätromantik verfasste Korrespondenz und Machbubas Antworten die Fantasie. Auch legte Pückler selber verwirrende Fährten in seinen Berichten.

Ein differenzierteres Verhältnis als oft geschildert

Die hier skizzierte Geschichte der Machbuba ist in Äthiopien bekannt. Obwohl es an Beweisen mangelt, dass es sich in der äthiopischen Version auch tatsächlich um die spätere Reisebegleiterin Pücklers handelt, wird jede Nachfrage im Land mit größtem Interesse und Freude quittiert. Dass die Schicksale äthiopischer Sklavinnen in Europa überhaupt erforscht werden, vermittelt im Herkunftsland Wertschätzung. Das gilt auch für den Weg der Machbuba, die es an Pücklers Seite bis nach Europa geschafft hat und für die Tatsache, dass deren Grab in Bad Muskau heute noch gepflegt und geehrt wird.

Die neu erschlossenen Quellen, in denen Zeitzeugen Begegnungen mit Pückler und Machbuba vor gut 180 Jahren kommentieren, geben Auskunft über ein wesentlich differenzierteres Verhältnis zwischen den beiden, als es bislang in Literatur und Biografien dargestellt wurde. Das Profil, das sich schärft, zeigt eine junge Frau, die ihre schmerzhafte Entwurzelung meisterte und ihr schweres Schicksal – trotz aller Widrigkeiten – in die eigene Hand genommen hat.

Die Autorin ist promovierte Ethnologin. Sie arbeitet als Ausstellungsmacherin und Kunstsachverständige und hat Teile der Nilreise Pücklers und der Sklavenroute nachbereist. Im Auftrag der Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau erarbeitet sie derzeit das Konzept einer neuen Dauerausstellung in der Villa Pückler, in der die Geschichte der Machbuba aufgearbeitet und aus anderen Perspektiven erzählt werden soll.

Kerstin Volker-Saad

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