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Archäologische Attraktion. Die in Bergama aufgestellte 8,5 Meter hohe Statue der löwenköpfigen Göttin Sachmet.

© DAI

Deutsche Archäologen in der Türkei: Auferstehung einer Göttin

In Pergamon haben deutsche und türkische Archäologen ein monumentales Standbild rekonstruiert. Die Zusammenarbeit lief reibungslos - und hilft dem Kulturtourismus in der Region.

Die Akropolis im türkischen Pergamon zieht mit ihren Tempeln, Palästen, Kasernen sowie einem kolossalen Theater und einem gewaltigen Gymnasium inzwischen jährlich rund 450 000 Besucher an. Deutsche Archäologen haben im 19. Jahrhundert zwar den Hauptaltar ausgegraben und in Tausenden von Kisten nach Berlin auf die Museumsinsel gebracht. Aber sie ließen an dieser bedeutenden hellenistisch-römischen Stätte im Nordwesten der Türkei genügend Material zurück, das heute wahre Touristenströme auf den Burgberg und das angegliederte Museum lockt. In die unmittelbar benachbarte türkische Kreisstadt Bergama – die türkische Form von Pergamon – hingegen kommt kaum einer der Archäologietouristen. Dabei hätte auch die moderne Stadt einiges zu bieten: von Gebäuden aus der römischen Kaiserzeit bis hin zu osmanischen Wohnhäusern aus fünf Jahrhunderten.

Doch seit kurzem bemühen sich Archäologen und Restaurateure, das Städtchen aufzuwerten. Unter dem römischen Kaiser Hadrian (er regierte 117 bis 138 n. Chr.) entstand am Fuße des Burgbergs eine imposante, mehreren Göttern sowie dem Kaiserkult geweihte Tempelanlage, die zu den bedeutendsten und größten römischen im gesamten östlichen Mittelmeerraum gehörte. Seit 2006 fokussieren sich der Archäologe Felix Pirson und der Bauforscher Martin Bachmann, die gemeinsam sowohl die Ausgrabungen in Pergamon als auch die Außenstelle Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) leiten, auf die Ruinen dieses vorwiegend aus Ziegeln erbauten und daher „Rote Halle“ genannten Heiligtums.

Auch um Pergamon drehte sich der türkisch-deutsche Archäologen-Streit

Die ersten Ausgrabungen an dieser Stätte fanden bereits in den 1930er Jahren statt – ebenfalls unter der Ägide des DAI, das mit kriegsbedingten Unterbrechungen seit über hundert Jahren in Pergamon arbeitet. Damals entdeckten die Archäologen im Inneren der Roten Halle Fragmente monumentaler, in ägyptischem Stil gehaltener Marmorskulpturen. Die Forscher schlossen daraus, dass das Heiligtum einer ägyptischen Gottheit geweiht gewesen war, wahrscheinlich Isis oder Serapis. Inzwischen erweiterten die Wissenschaftler die damalige Annahme: „Neben Zeus-Serapis und der anatolischen Muttergottheit Kybele wurde dort wohl auch der römische Kaiser selbst verehrt“, sagt Bachmann.

Zuletzt gab es erhebliche Misstöne zwischen deutschen Altertumskundlern und türkischen Behörden. Die Restitutionsforderungen der Türkei an das Pergamonmuseum, die damit einhergehenden gegenseitigen Anschuldigungen sowie der Abzug der Archäologen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen von der traditionsreichen Ausgrabungsstätte in Troja waren die Höhepunkte des Streits.

Die löwenköpfige Göttin ist ein Leuchtturm für Bergama

In Pergamon läuft die Zusammenarbeit nun reibungslos. In Kooperation mit türkischen Kollegen setzen die Wissenschaftler aus Berlin Stück für Stück den gesamten Komplex der Roten Halle wieder instand. Dabei geht es meist um Stützmauern und Kellergewölbe, deren Bewahrung dem Laien und Besucher kaum auffällt. Kürzlich aber haben die Archäologen die rekonstruierte, 8,5 Meter hohe Statue der löwenköpfigen ägyptischen Göttin Sachmet wieder aufgestellt. Ein archäologischer Leuchtturm in der Altstadt von Bergama, der auch die türkischen Fremdenverkehrswerber begeistert.

Ein neues Tourismuskonzept für die Stätte und Stadt

Die Stadtverwaltung will den Tourismus in Pergamon nämlich mit einem neuen Konzept ankurbeln. Der Burgberg mit seinen hellenistisch-römischen Ruinen, die moderne Stadt mit ihren antiken und osmanischen Monumenten sowie das Umland sollen gemeinsam und epochenübergreifend präsentiert werden. Die Idee dahinter: Wer Pergamon besucht, soll möglichst auch nach Bergama kommen. Ein Darüber hinaus will sich die Stadtverwaltung mit den frisch restaurierten Stätten auch bei der Unesco um einen Platz auf der Welterbeliste bewerben. Neben dem Prestigegewinn verbinden sich mit der Aufnahme in die Liste durchaus auch ökonomische Vorteile – je bekannter Stadt und Stätte, desto mehr Besucher kommen.

Langfristig könnte sich ein zweiter wirtschaftlicher Aspekt der Rekonstruktionsbemühungen sogar als nachhaltiger erweisen: Die Arbeiten in der Roten Halle werden vollständig von lokalen Handwerkern geleistet, die teilweise schon seit Generationen für das DAI tätig sind. So werden aus Fachkräften Experten.

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