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Seit der ersten Tagen von Rom - und schon davor - trafen in der „ewigen Stadt“ Menschen aus den verschiedensten Teilen der damals bekannten Welt aufeinander, zeigen Genanalysen.

© Andreas Solaro/AFP

Der römische Bürger war nicht nur römisch: Das Mulitkulti-Imperium

Im Erbgut der Römer steckt die Geschichte des Imperiums und die Spur der Vorfahren, die aus allen Teilen der damals bekannten Welt in die ewige Stadt kamen.

Rom war vor 2000 Jahren nicht nur die erste Millionenstadt der alten Welt, sondern auch Regierungssitz eines Imperiums, in dem vom Persischen Golf bis zur Straße von Gibraltar, sowie vom Ärmelkanal und der Nordsee bis zum Schwarzen Meer ungefähr 70 Millionen Menschen lebten.

Die Geschichte des Weltreichs und die Wanderungsbewegungen seiner Bevölkerung lässt sich auch aus den Erbgutresten von über hundert Menschen lesen, die in der „ewigen Stadt“ und ihrer Umgebung gelebt hatten und nun analysiert wurden. Demnach stammten entweder sie selbst oder ihre Vorfahren nicht nur aus Rom, sondern aus allen Teilen der damals bekannten Welt. Zu diesem Schluss kommen Jonathan Pritchard von der Stanford University, Ron Pinhasi von der Universität Wien und Alfredo Coppa von der Sapienza Universität in Rom im Fachblatt „Science“. Die Forscher hatten insgesamt Erbgutreste von 127 Menschen aus der Region Roms analysiert, die verteilt über einen Zeitraum von 12.000 Jahren gelebt hatten.

„Diese Studie bringt uns wichtige Einblicke in die Geschichte Roms und die Herkunft seiner Bewohner“, sagt Philipp Stockhammer von der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, der die Archäologie des östlichen Mittelmeerraumes. „Im Erbgut der Römer spiegelt sich die Geschichte der Stadt wider, die wir aus alten Schriften gut kennen“, meint der Forscher, der an dieser Untersuchung nicht beteiligt war.

Eine Geschichte von steter Durchmischung und Veränderung

Die Geschichte beginnt lange bevor es Rom gab. Schon die Jäger und Sammler, die vor 12.000 bis 9000 Jahren in den Abruzzen östlich von Rom lebten, waren offenbar eng mit den damals durch andere Regionen Europas streifenden Steinzeit-Bewohnern verwandt, ergaben die Analysen von Pritchards Team. Diese Situation änderte sich vor etwa 8000 bis 9000 Jahren. Damals brachten Bauern, deren Vorfahren ursprünglich wohl aus Anatolien und damit der heutigen Türkei stammten, die Landwirtschaft nach Mittel-Italien – den Anbau von Weizen, Gerste, Bohnen und Erbsen, sowie die Viehzucht mit Schafen und Rindern. Im Erbgut dieser Steinzeitbauern in der Gegend des heutigen Roms finden Pritchard und seine Kollegen nur noch geringe Spuren der Jäger und Sammler, die vorher dort lebten. Die Wurzeln der Bevölkerung in der Region des späteren Roms dürften eher in Anatolien oder auch im Norden Griechenlands gelegen haben, meinen die Forscher. Offenbar kamen die Bauern über den Balkan auf den italienischen Stiefel.

Vor rund 5000 Jahren beschleunigten dann technische Errungenschaften wie die Erfindung von Wagen auf zwei oder vier Rädern den Transport auf dem Land. Ähnlich wie auch in anderen Regionen Europas findet Pritchards Team im Erbgut der vor 2900 Jahren lebenden Römer daher sehr starke Spuren von Vorfahren, die aus den Steppen im Osten Europas und in Zentralasien stammten. Auch die Griechen, sowie die Punier und Phönizier aus dem Norden Afrikas gründeten damals im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus ihre Kolonien. Spätestens in dieser Zeit ähnelte das Erbgut der Römer relativ stark den Menschen, die noch heute in Mittel-Italien leben, stellen die Forscher fest.

Genanalysen, die die Geschichtsschreibung bestätigen

Vor rund 2500 Jahren begann Rom, das vorher nur einer unter etlichen Stadtstaaten gewesen war, über mehr als fünf Jahrhunderte zu einem Imperium rund ums Mittelmeer zu wachsen, bis es sich schließlich in den Norden Afrikas, den Westen Asiens sowie Süd- und West-Europa erstreckte. Die Erbgutreste von Römern aus dieser Zeit vor 2500 bis vor 1700 Jahren zeugen vor allem von Vorfahren, die eher aus dem Osten des Mittelmeerraums stammten: aus Griechenland, Syrien, Zypern und Malta.

„Diese starke Wander-Bewegung aus dem östlichen Mittelmeer-Raum bestätigt schön die schriftlichen Quellen aus dieser Zeit“, meint Philipp Stockhammer. Allerdings fehlt in der Untersuchung ein sehr wichtiger Teil der Bevölkerung: „Wenn es die finanziellen Verhältnisse erlaubten, wurde der klassische Römer nach seinem Tod verbrannt“, erklärt der LMU-Forscher. Bei einer solchen Feuerbestattung aber verbrennt das Erbgut gleich mit und Jonathan Pritchard und seine Kollegen konnten so wohl nur die DNA der ärmeren Römer oder von Zuwanderern analysieren.

Bald danach hatte das römische Reich den Zenit seiner Macht überschritten. Nach der Spaltung des Imperiums in zwei Hälften verlor Rom, als Zentrum des westlichen Teils, an Bedeutung. Statt einer Million lebten wohl nur noch hunderttausend Menschen in der Stadt und der Zustrom der Menschen aus dem östlichen Mittelmeerraum versiegte weitgehend. Jetzt kamen, den Analysen von Pritchard zufolge, viele Zuwanderer aus Mitteleuropa nach Rom. Später verstärkte sich dieser Zustrom aus dem Norden weiter, als Lombarden aus Ungarn, Angelsachsen aus England und Wikinger aus Skandinavien nach Italien kamen.

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