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Ein älterer Mann verschränkt seine Hände bei einem einfachen Demenz-Test beim Hausarzt.

© Alamy Stock Photo

Demenz-Vorsorge: Bei Alzheimer-Verdacht nicht gleich ins MRT

Alzheimer kann im MRT frühzeitig erkannt werden. Ohne klare Anhaltspunkte ist das aber wenig sinnvoll. Im Verdachtsfall sollten Hausärzte zunächst einen Gedächtnistest anbieten.

Es klingt ein wenig unheimlich: Mit moderner bildgebender Diagnostik können Forscher in das menschliche Gehirn schauen – und auch Demenz erkennen. „Mit der Vermessung der Hirnareale, die für die Gedächtnisleistung zuständig sind, kann das Auftreten einer Alzheimer-Demenz innerhalb der nächsten drei Jahre bei älteren Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen mit einer Genauigkeit von 70 Prozent vorhergesagt werden.“ So fasste der Neurologe Stefan Teipel vom Uniklinikum in Rostock auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung an der Freien Universität Berlin den aktuellen Forschungsstand zusammen.

Das Hirnareal, das die Mediziner und Neurowissenschaftler der in Rostock und Greifswald angesiedelten Arbeitsgruppe des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) dabei besonders im Blick haben, ist der Hippocampus. Diese „Seepferdchen“-förmige Struktur ist für viele Gedächtnisfunktionen zuständig. Ihr Volumen nimmt insbesondere bei Demenzen vom Alzheimer-Typ schon recht früh deutlich ab. Die Untersuchungsmethode der Wahl ist die Magnetresonanz-Tomografie (MRT), die nicht mit einer Strahlenbelastung einhergeht. Für die Interpretation der Messergebnisse in Hirnregionen wie dem Hippocampus gibt es inzwischen Analyseverfahren, die auf großen Datensätzen basieren.

Noch immer können Medikamente den Verlauf nur verzögern

Teipel ist überzeugt davon, dass derart automatisierte Auswertungsverfahren von MRT-Bildern einen entscheidenden Beitrag für eine präzisere Frühdiagnostik von Alzheimer leisten können. Sie werden bereits seit einiger Zeit genutzt, um andere Ursachen für die Entwicklung kognitiver Störungen zu entdecken oder auszuschließen – etwa Schlaganfälle, erhöhten Druck im Gehirn oder Tumore, die dort Platz beanspruchen und anderes Gewebe verdrängen. Auf jedes dieser Probleme muss mit einer unterschiedlichen Therapie reagiert werden.

Die Erfolge bei der Entwicklung von Medikamenten gegen die Alzheimer-Krankheit sind zwar bisher recht bescheiden. Mittel aus der Gruppe der Acetylcholinesterase-Hemmer und der Wirkstoff Memantin können allenfalls leichte Verzögerungen des Verlaufs bewirken.

Trotzdem sei eine exakte Diagnose wichtig, betonte Teipel beim Kongress. Man könne dann Medikamente, die die Betroffenen wegen anderer Beschwerden einnehmen, daraufhin prüfen, ob sie bei ihrer Form der Demenz eher schaden, und gegebenenfalls eine andere, für sie vorteilhaftere Wahl treffen. Man habe zudem etwas in der Hand, um die passende Pflegestufe zu beantragen und die Angehörigen zu entlasten. Nicht zuletzt aber brauchten die behandelnden Ärzte die exakte Diagnose, um einer wichtigen Verantwortung nachzukommen: „Wir müssen den Patienten gegebenenfalls auch das Autofahren untersagen.“

MRT-Reihenuntersuchungen lehnt der Experte ab

MRT-Reihenuntersuchungen für alle Menschen ab einem bestimmten Alter einzuführen, ist nach Ansicht des Neurologen aber keine gute Idee. „Das lehnen wir entschieden ab: Wenn keine kognitiven Beschwerden bestehen, sind diese Untersuchungen nicht aussagekräftig!“ Eine Genauigkeit von mindestens 70 Prozent erreichen sie nämlich nur bei Menschen, die schon Gedächtniseinbußen haben. Das „anlasslose Screening“ dagegen ist in Teipels Augen vor allem ein lukratives Geschäftsmodell.

Auch in der Leitlinie Demenzen, auf die sich Fachleute unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde im Jahr 2016 geeinigt haben, heißt es, die Anwendung apparativer diagnostischer Verfahren „bei Personen ohne Beschwerden und Symptome einzig mit dem Ziel des Screenings für das Vorliegen einer Demenz oder einer Erkrankung, die einer Demenz zugrunde liegen kann, wird nicht empfohlen“.

In Hausarztpraxen wird die Diagnose Demenz zu selten gestellt

An erster Stelle müsse das Gespräch stehen, in dem Patienten mit ihrem (Haus-)Arzt ihre konkrete Befürchtung besprechen, dass ihr Gedächtnis und ihre Denkfähigkeit nachgelassen haben könnte, betont Teipel. Erst im Anschluss daran sei ein kurzer Gedächtnistest angebracht. Und nur wenn es hier irgendwelche Auffälligkeiten gibt, könne ein Bluttest sinnvoll sein. Diese Bluttests hätten heute nur eine Genauigkeit von rund 80 Prozent, berichtete Teipel. „Sie können aber als Türöffner für weitere Untersuchungen dienen.“ Wenn sich hier Anlass zur Sorge ergebe, solle rasch eine MRT-Untersuchung folgen – auch, um einen Tumor auszuschließen.

Während eine Gruppe Älterer aus zu großer Besorgnis auf Tests drängt und bereit ist, dafür selbst zu zahlen, wird in Hausarztpraxen heute bei den tatsächlich Erkrankten die Diagnose Demenz zu selten gestellt. Das ist zumindest das Ergebnis einer primärärztlichen Versorgungsstudie, in die über 6800 Patienten aus 136 Hausarzt-Praxen in Mecklenburg-Vorpommern eingeschlossen wurden und über die Teipel beim Kongress berichtete. Unter diesen Teilnehmern der Delphi-MV-Studie, die im Schnitt 80 Jahre alt waren, hatten 1400 Personen nach den Kriterien der Forscher um Teipel eine manifeste Demenz. „Doch nur bei 40 Prozent von ihnen hatte der Hausarzt die Diagnose gestellt.“ Eine Diagnose, die praktische Bedeutung hat, auch wenn es heute noch keine heilende Behandlung gibt.

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