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Der britische Premier Boris Johnson hat am Montagabend nochmals vor der Gefahr der Delta-Variante gewarnt.

© Kenzo Tribouillard/dpa

Delta-Variante breitet sich schnell aus: Johnson verschiebt Lockerungen um vier Wochen

Die Ausbreitung der Delta-Variante besorgt den britischen Premier Boris Johnson. Der angekündigte „Freedom Day“ wird erst einmal auf den 19. Juli verlegt.

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Es war keine Überraschung mehr, als der britische Premier Boris Johnson am Montagabend vor die Mikrofone trat: Der 21. Juni wird kein „Freedom Day“, an dem die Maßnahmen gegen das Coronavirus fast komplett fallen. Johnson gab bekannt, dass die Maßnahmen stattdessen bis zum 19. Juli verlängert werden.

Der Grund: die Delta-Variante, die zuerst in Indien aufgetreten ist. Sie wird mittlerweile in mehr als 90 Prozent der neuen Fälle nachgewiesen. Zum Vergleich: In Deutschland waren es zuletzt rund drei Prozent.

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Johnson sagte am Montagabend, dass er „besorgt“ sei über die Ausbreitung der Variante. Diese Ausbreitung hat dafür gesorgt, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Großbritannien, die sich über Wochen um die 20 Fälle pro 100.000 Einwohner bewegte, auf nun 74 gestiegen ist. In Deutschland liegt die Inzidenz inzwischen unter 20.

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Die Zahl der Fälle steige um 64 Prozent pro Woche, sagte Johnson am Montagabend. In den am schlimmsten betroffenen Gegenden in Großbritannien verdoppelte sich die Fälle sogar jede Woche, so der Premier.

Auch die Zahl der Corona-Infizierten, die ins Krankenhaus eingewiesen werden, steigt, ebenso wie die Zahl der Corona-Intensivpatienten, die beatmet werden müssen. Waren es Ende Mai zwischenzeitlich deutlich weniger als 100 Krankenhauseinweisungen pro Tag, ist diese Zahl zuletzt auf an die 200 gestiegen. Patienten, die beatmet werden müssen, gibt es mittlerweile 160 – Ende Mai waren es noch 120. Das zeigen offizielle Daten der Gesundheitsbehörden.

Dass diese Entwicklung beunruhigend ist, zeigt wiederum ein Blick nach Deutschland, wo die Zahlen den Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) zufolge weiter stark sinken. Gab es hierzulande Ende Mai noch rund 1700 beatmete Corona-Intensivpatienten, sind es nun nur noch rund die Hälfte. Krankenhauseinweisungen gibt es weniger als 80 pro Tag.

Diese Zahlen decken sich mit der Untersuchung schottischer Forscher, die sie im Fachblatt „Lancet“ veröffentlicht haben. Demnach verdoppelt sich das Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, bei einer Infektion mit der Delta-Variante.

Zudem scheinen Impfungen etwas weniger wirksam gegen die zuerst in Indien nachgewiesene Mutation zu sein. Demnach schützt Biontech/Pfizer zu 79 Prozent gegen Delta im Vergleich zu 92 Prozent gegen die zunächst in England nachgewiesene Alpha-Variante. Bei Astrazeneca liege der Schutz bei 60 Prozent im Vergleich zu 73 Prozent.

Delta-Variante lässt trotz Impffortschritts Infektionszahlen ansteigen

Die Delta-Variante durchbricht also den Impfschutz eher als andere Varianten. Deshalb ist der Impffortschritt in Großbritannien plötzlich nur noch von geringerem Wert. Bereits mehr als 60 Prozent der britischen Bevölkerung ist mindestens einmal geimpft und so theoretisch vor schweren Covid-19-Verläufen geschützt. Rund 45 Prozent der Briten hat schon beide Impfdosen erhalten. In Deutschland ist erst ein Viertel der Bevölkerung voll geimpft.

Dr. Jim McMenamin ist Leiter der nationalen Covid-19-Initiative bei Public Health Scotland und sagte dem britischen „Guardian“, die Ergebnisse zeigten, dass zwei Dosen des Impfstoffs immer noch „hochwirksam“ gegen die Delta-Variante seien. Er forderte die Menschen deshalb dazu auf, sich beide Impfungen geben zu lassen. „Wir haben die Möglichkeit, der Bedrohung entgegenzuwirken, indem wir die Inanspruchnahme beider Impfstoffdosen fördern“, sagte er.

Um Aussagen über die Sterberate im Zusammenhang mit der Delta-Variante treffen zu können, bräuchte es jedoch mehr Daten. Dennoch würden bereits erste Anzeichen darauf hindeuten, dass gerade, weil die ältere Bevölkerung durch die Impfung besser geschützt ist, nun die Mehrzahl der Krankenhausaufenthalte die jüngere Bevölkerung treffe.

Die Aufenthalte seien jedoch kürzer als in früheren Wellen. Der Aufbau einer deutlichen Immunantwort nach einer Impfung, dauere laut den Autor:innen der Studie zudem mindestens 28 Tage nach Erhalt der ersten Impfung. Das Risiko einer Krankenhauseinweisung sinke dann etwa um 70 Prozent.

Auf der Insel selbst regte sich rasch heftiger Widerstand gegen die Verlängerung der Corona-Maßnahmen und damit verbundenen weiteren Beschränkungen. Der Singer-Songwriter Frank Turner schrieb bereits am Montag auf Twitter, die Verzögerung werde für einige Betriebe in der Branche den „endgültigen Kollaps“ bedeuten.

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Der Komponist Andrew Lloyd Webber hatte bereits zuvor gegen eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen, die für Theater eine nur halbvolle Auslastung ihrer Häuser bedeuten, gewettert. „Kommt zum Theater und nehmt uns fest“, sagte der 73-Jährige vergangene Woche im Interview mit dem „Telegraph“ auf die Frage, was er tun werde, wenn die Regierung die geplanten Lockerungen verschieben würde.

Aziz Sheikh, einer der Hauptautoren der schottischen Studie und Professor für Forschung und Entwicklung im Bereich der Primärversorgung an der Universität von Edinburgh, sprach sich jedoch angesichts der Bedeutung der zweiten Impfdosis dafür aus, die Aufhebung der letzten verbleibenden Covid-Beschränkungen zu verzögern.

„Wenn es eine Verzögerung gibt, denke ich, dass uns das die Möglichkeit gibt, die Abdeckung zu erweitern, was unglaublich wichtig für diejenigen ist, die im Moment nur eine Dosis bekommen haben. Es wird die Möglichkeit geben, den Anteil der Bevölkerung mit zwei Dosen zu erhöhen, und was wir wollen, ist eine Zeitspanne, in der die Menschen tatsächlich ihre Immunantwort maximieren können“, sagte er dem im „Guardian“.

Jede Art von Verzögerung könne hilfreich sein, denn das werde helfen, die Übertragung in der Bevölkerung zu kontrollieren. „Insgesamt würde ich also jede Verzögerung, die angekündigt werden könnte, sehr unterstützen“, so Sheikh.

Delta-Variante zeigt andere Symptome als frühere Corona-Typen

Anscheinend wurden zuletzt häufiger Kopfschmerzen, eine laufende Nase und eine raue Kehle gemeldet, wie der britische Nachrichtensender „BBC“ am Montag berichtete. Das geht aus den Daten einer britischen App zur Überwachung von Corona-Symptomen hervor.

Tim Spector vom King's College London leitet die Zoe Covid Symptoms-Studie in der die gemeldeten Symptome ausgewertet werden. Dem Sender BBC sagte er: „Seit Anfang Mai haben wir uns die häufigsten Symptome der App-Nutzer angeschaut – und sie sind nicht mehr dieselben wie zuvor.“

Zwar gehöre Fieber noch immer dazu, aber der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, der bislang als typisches Corona-Symptom galt, sei weniger gängig. Zeitlich passe dies mit der Verbreitung der Delta-Variante zusammen. Für einige jüngere Menschen könne sich Covid-19 somit stärker wie eine einfache Erkältung anfühlen, fügte Spector hinzu. Er rief Betroffene dazu auf, sich in jedem Fall testen zu lassen.

Die Regierung in Deutschland hat bereits auf die Virus-Entwicklungen im Vereinigten Königreich reagiert. Wegen der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante wurde Großbritannien erneut als Virusvariantengebiet eingestuft. In der Folge dürfen lediglich deutsche Staatsbürger und wenige andere Ausnahmefälle überhaupt einreisen, müssen sich aber für 14 Tage in Quarantäne begeben.

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