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Kinder sitzen in einer Grundschule über ihren Aufgaben und tragen dabei Mund-Nasen-Schutz,

© Oliver Dietze/dpa

Update

Debatte um Schule und Corona: KMK-Präsidentin Prien will Maßnahmen lockern

Bildungspolitikerin Karin Prien sieht wegen Corona-Maßnahmen ein "Klima der Angst" in Schulen. Virologin Isabella Eckerle widerspricht ihr.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien (CDU), vertritt seit ihrem Amtsantritt zum Jahresbeginn einen strikten Kurs, die Schulen auch in der Omikron-Welle unbedingt offenzuhalten. Das eint Prien, die Bildungsministerin in Schleswig-Holstein ist, mit ihrer Vorgängerin, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

Gleichwohl gab es bis zu den Sommerferien im vergangenen Jahr noch bundesweit flächendeckende Schulschließungen – bei Inzidenzwerten, die um ein Vielfaches unter den aktuellen lagen.

Ihre Haltung gegen Schulschließungen begründet Prien mit dem „Recht auf Bildung“ sowie mit psychosozialen Belastungen von Kindern und Jugendlichen. Jetzt warnt die KMK-Präsidentin jedoch vor einer „Kultur der Angst an den Schulen“. Diese sieht sie in den Corona-Maßnahmen begründet – und plädiert für schrittweise Lockerungen. Wenn für die gesamte Bevölkerung geltende Maßnahmen ab Mitte Februar, Anfang März gelockert würden, müsse dies auch für Schulen gelten, sagte Prien laut Nachrichtenagentur dpa der „Bild“-Zeitung (Samstag).

„Sport und Musikunterricht muss wieder in vollem Umfang stattfinden. Das Testen muss schrittweise enden. Spätestens Ende März reichen wahrscheinlich auch zwei Tests pro Woche.“ Die Testpflicht müsse allmählich zur „Testmöglichkeit“ werden, so Prien. Auch die Maskenpflicht müsse nach und nach fallen, zuerst im Klassenraum am Platz, dann im Gebäude.

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Tatsächlich würde Priens Vorschlag ein Zurück zu den Hygiene-Maßnahmen in etwa vom Frühherbst 2021 bedeuten, als das strengere Test- und Maskenregime nach den Sommerferien teilweise gelockert wurde und die Omikron-Welle noch nicht angerollt war.

Karin Prien gestikuliert in einem Interview.
Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, ist seit Jahresbeginn auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

© imago images/Uwe Steinert

Auf Twitter wird Priens Vorschlag allerdings kontrovers diskutiert, ihr Lockerungsappell gilt vielen zumindest als verfrüht. Die Virologin Isabella Eckerle konterte per Tweet, „Entscheidungsträger, die Menschen vor ,Angst & Panik‘ bewahren wollen, sind paternalistisch, infantilisieren & bevormunden Menschen.“ Sie vermutet, damit solle „von politischen Fehleinschätzungen“ abgelenkt werden. Eckerle adressierte mit ihrem Tweets nicht Prien persönlich.

Ein Porträtbild.
Isabella Eckerle ist Leiterin des Zentrums für Viruserkrankungen am Universitätskrankenhaus Genf.

© picture alliance/KEYSTONE/Anthony Anex

Kontroverse um Prien-Äußerung zu Kindersterblichkeit

Eckerle, Leiterin des Zentrums für neuartige Viruserkrankungen an der Universitätsklinik Genf, vermisst bauliche Veränderungen und eine bessere Ausstattung von Schulen, um hohe Infektionszahlen unter Kindern und Jugendlichen präventiv senken. Dies sei seit den ersten Schulschließungen und zuletzt in den Sommerferien 2021 politisch versäumt worden. Konkret fehlten noch immer „Maßnahmen wie Luftfilter, kleinere Gruppen, digitale Lösungen etc.“

Eckerle kommentierte auch eine weitere Äußerung Priens auf Twitter. Ausgangspunkt ist der Tweet einer Nutzerin mit dem Wortlaut: „Wir haben in den letzten 4 Wochen 17 tote Kinder gehabt. 17 - in VIER Wochen. Und es geht immer schneller. Bis Oktober 21 hatten wir 27 tote Kinder, seit Oktober 38.“

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Darauf erwiderte Prien am Freitagabend: „Bitte differenzieren: Kinder sterben. Das ist extrem tragisch. Aber sie sterben mit COVID_19 und nur extrem selten wegen COVID_19.“ Diese Antwort zog zahlreiche - teils auch beleidigende - Reaktionen nach sich. Viele warfen der Politikerin Empathielosigkeit vor und verlangten eine Entschuldigung – bis hin zum Rücktritt.

Am Sonntagabend teilte Prien mit, sie habe ihren Twitter-Account "vorläufig deaktiviert". Bei ihren vielen Terminen im Land erlebe sie "eine andere Kultur". Diese sei "auch kritisch und mit anderen Vorstellungen von den richtigen Lösungen, aber zivilisiert und mit Respekt im Umgang".

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Virologin Eckerle sieht im Gegensatz zu Prien „astronomische Inzidenzen bei Kindern“ und schreibt im Zusammenhang mit deren Tweet: „Ich vermute, wir sind bei der Diskussion um die akzeptable Rate an Morbidität & Mortalität einer impfpräventablen Infektionskrankheit bei Kindern erst am Anfang.“

Eckerle: Sehr hohes Infektionsgeschehen bei den Kindern

Auf Nachfrage des Tagesspiegels erklärt Eckerle am Sonntag zu den "astronomischen Inzidenzen": "Die Sieben-Tage Inzidenz pro 100.000 Einwohner ist in der Altersgruppe 5-14 aktuell über 3000. Man hat hier eine tendenziell bessere Erfassung des Infektionsgeschehens durch regelmäßigere Testung als bei den Erwachsenen, aber es zeigt eben auch, dass es gerade ein sehr hohes Infektionsgeschehen bei den Kindern gibt."

Die von der Twitter-Nutzerin genannten Zahlen verstorbener Kinder ordnet Eckerle so ein: Das Robert-Koch-Institut nenne mit Stand 9. Februar 2022 35 verstorbene Kinder Alter von 0-9 und 30 Kinder Alter von 10-19 - dies aber ohne zeitliche Aufschlüsselung. Im RKI-Bericht von Oktober 2021 werden Eckerle zufolge 27 Tote in der Altersgruppe 0-19 genannt.

"Kinder sollten generell nicht an Covid-19 sterben, auch wenn die Todesfälle nur einen geringen Prozentsatz an den Gesamtzahlen ausmachen", kommentiert Eckerle Priens Bitte, hinsichtlich der Todesfälle unter Kindern "zu differenzieren". Leider sei auch weiterhin davon auszugehen, dass "auch seltene Komplikationen weiter zunehmen", erklärte Eckerle gegenüber dem Tagesspiegel.

Dazu könnten das "aktuell starke Infektionsgeschehen in diesen Altersgruppen, zunehmende Lockerungen sowie eine schwache Impfempfehlung und niedrige Impfraten von unter 12-Jährigen führen". Eckerle verweist auch auf andere Komplikationen wie PIMS oder Longcovid bei Kindern, die erstgenommen werden müssten, "gerade weil hier noch nicht alle Aspekte wissenschaftlich verstanden sind".

Präsident des Lehrerverbands warnt vor zu frühen Lockerungen

Ihren Vorstoß, Corona-Maßnahmen in den Schulen zurückzufahren, hatte Prien gegenüber „Bild“ so begründet: Der Höhepunkt der Omikron-Welle sei in ersten Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Berlin, Bremen und Hamburg bereits überschritten. „Das zeigt sich erfreulicherweise auch in den rückläufigen Infektionszahlen bei den 5- bis 18-Jährigen.“

Zuvor hatte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, erklärt, die Omikronwelle habe den Schulbetrieb nach wie vor fest im Griff. Die Infektionszahlen dürften nicht durch zu frühe Lockerungen nochmals hochgetrieben und dadurch der flächendeckende Präsenzunterricht erneut gefährdet werden.

KMK-Zahlen zufolge waren in der vergangenen Woche in Deutschland etwa sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler und rund drei Prozent der Lehrkräfte entweder infiziert oder in Quarantäne. Auch einige Schülervertreter hatten mit einem offenen Beschwerdebrief und einer Internetaktion unter dem Motto #WirWerdenLaut der Politik einen „Durchseuchungsplan“ vorgeworfen. Sie sprechen sich gegen die Präsenzpflicht aus und fordern kleinere Lerngruppen, PCR-Pooltests und Luftfilter in allen Schulen. Prien hatte sich danach mit Schülervertretern ausgetauscht. (mit dpa)

Anmerkung der Redaktion: Dass Isabella Eckerle KMK-Präsidentin Karin Prien auf Twitter nicht direkt adressierte, fehlte in früheren Versionen dieses Artikels. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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