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Die Queen: Alle Hummeln, die im frühen Frühjahr etwa auf Krokussen Nektar und Pollen sammeln, sind junge Königinnen, die gerade versuchen, eine Kolonie zu gründen. Je bessere Nistmöglichkeiten, je mehr Krokusse sie finden, desto besser die Chancen.

© P. Haringsma

Dave Goulson über Bienensterben und Bienenleben: Stress, Gift und Fastenkuren für die Bestäuber

Bienen sind des Menschen Freund und Helfer. Doch das beruht längst nicht mehr auf Gegenseitigkeit.

Dave Goulson ist einer der wenigen verbliebenen, erfolgreichen Sachbuchautoren, die auf ihrem Gebiet auch wissenschaftlich zur Spitze gehören. Sein Buch über Hummeln kennen viele. Aber auch eines dazu, wie man privat Insekten – vor allem Bienen – helfen kann, hat er geschrieben.

Um die Ursachen dieser Hilfsbedürftigkeit und Konsequenzen für die Bestäubungsdienste der Bienen für die Nahrungsmittelproduktion geht es nun in seinem jüngsten Fachartikel. Zusammen mit seiner Kollegin Elizabeth Nicholls von der University of Sussex im englischen Bristol ist dieser jetzt in der Zeitschrift „Science“ erschienen.

Demnach stört der Mensch die Partnerschaft von Blütenpflanzen, die Bienen Nahrung liefern, und Bienen, die Pflanzen bei der Fortpflanzung helfen, massiv auf verschiedenen Ebenen. So bedecken Äcker, Plantagen, Wiesen und Weiden rund ein Drittel aller Landflächen.

Landnutzung

Auf 79 Prozent davon wüchsen Mais, Reis und Weizen, so Goulson und Nicholls. Diese werden vom Wind bestäubt und liefern Bienen weder Nektar noch Pollen. Selbst pollen- und nektarreiche Blütenmeere, Sonnenblumenfelder etwa, sind alles andere als bienenfreundlich. Ein Überangebot gibt es dort nur für wenige Wochen. Davor und danach ist das Feld nur ein Hindernis – und wertlos für die Insekten.

Ähnliches gilt für Monokulturen auf Obstplantagen und Gemüsefeldern. Sie brauchen wie Sonnenblumen Bestäuber, die aber auch oft in Form von Honigbienenvölkern extra bereitgestellt werden müssen. Mit ihren großen Individuenzahlen und weil sie per Schwänzeltanz massenweise Sammlerinnen zur Nahrungsquelle rekrutieren, können sie das Überangebot effektiv nutzen. Auch Vorräte für magerere Zeiten legen sie an – anders als einzeln oder in kleinen Völkern lebende Wildbienen und Hummeln, die ein einigermaßen über die warme Jahreszeit verteiltes Nahrungsangebot brauchen.

Bestäubermasse und Bestäuberklasse

Das fehlt in der modernen Landwirtschaft häufig, was auch daran liegt, dass neben den Ackerfrüchten wachsende andere Pflanzen mechanisch oder mit Herbiziden niedergehalten werden. Von Imkern – oft gegen Gebühr – bereitgestellte Honigbienen können zudem, wenn sie überhaupt verfügbar sind, den nötigen Bestäubungsservice manchmal gar nicht leisten. Untersuchungen zeigen jedenfalls, dass eine vielfältige Mischung von Wildbienenarten in Gärten, bei Obstbäumen und anderen Kulturen in dieser Dienstleistung viel effektiver ist und dies sich auf die Erträge auswirken kann.

Dave Goulson.
Dave Goulson.

© Univ. Sussex:

Dazu kommt, dass Pestizide auch von Bienen aufgenommen werden. Etliche dieser Substanzen beeinflussen – das haben Studien in den vergangenen Jahren gezeigt – offenbar das Verhalten, den Orientierungssinn, den Sammel- und auch den Fortpflanzungserfolg der Bestäuber. Goulson und Nicholls vermuten hierin eine wichtige Ursache für den Rückgang der Wildbienen.

Wo es blüht, aber zu viel bläst

Ebenfalls bienenfeindlich seien Lebensräume zerschneidende breite Straßen, Lagerhallen oder Golfplätze – vor allem für Arten, die nur kurze Strecken fliegen. Und Randstreifen viel befahrener Straßen meiden sie ebenfalls oft, selbst wenn es dort grünt und blüht. Grund sind starke Turbulenzen in der Luft. Auch für elektromagnetische Felder, ausgehend etwa von Funkmasten und Hochspannungsleitungen, gibt es laut den Autoren Hinweise auf eine störende oder schädigende Wirkung für Bienen.

„Allerdings haben die Probleme der Wildbienen nicht erst mit der industrialisierten Landwirtschaft begonnen“, erklärt die Direktorin des Länderinstituts für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin, Elke Genersch. Eine Untersuchung historischer Sammlungen in den USA habe gezeigt, dass Hummeln in Nordamerika bereits zurückgingen, als Siedler begannen, die Landnutzung umzustellen.

Ungestörte Nistplätze im Boden

Es fehlten dann etwa die hohlen Bäume der einstigen Urwälder, in denen etliche Wildbienen-Arten ihre Nester anlegen. Dazu kam zunehmende Versiegelung der Böden, in denen viele andere Spezies nisten. „Eine ähnliche Veränderung lässt sich auf den Halligen vor der Nordseeküste beobachten“, erklärt Genersch: „Früher krabbelten dort aus dem Sand überall Sandbienen, aber seit die Wege gepflastert wurden, sind die Bienen verschwunden.“

Allein mit Blühstreifen oder einer „Bienenweide“ als Vorgarten ist den Wildbienen daher noch lange nicht geholfen. „Zusätzlich brauchen die Insekten auch noch Nistmöglichkeiten“, sagt Genersch. Das können sogenannte „Bienenhotels“ sein. Für Hummeln genügen auch Mäuselöcher, die von ihren Vorbesitzern verlassen wurden.

Frühe Blüher für frühe Flieger

Auch Sandbienen hilft es, im Garten nicht alles umzugraben und Löcher nicht gleich wieder zu verfüllen.

Wachsen im Garten zudem Kornellkirschen und Krokusse, deren frühe Blüten reichlich Nahrung bieten, haben Hummelköniginnen im Frühjahr gute Chancen, einen neuen Staat zu gründen. Und auch früh aktive solitäre Wildbienen können dann ihre Larven mit ausreichend Proviant versorgen.

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