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Sind die Impfzentren bald verwaist, weil wichtige Daten zur Impfquote fehlen?

© Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Fehlende Coronadaten: Blind gegenüber Impflücken in den Landkreisen

Immer mehr Menschen in Deutschland werden geimpft. Doch in welchen Regionen die Kampagne hinterherhinkt, weiß keiner. Denn die Daten fehlen.

Von Yannik Achternbosch

Die Impfkampagne geht voran. 50 Prozent der Deutschen haben mittlerweile eine erste Coronaimpfung bekommen. Knapp ein Drittel der Bevölkerung ist vollständig gegen das Virus geimpft. Mit Fortschreiten der Impfkampagne stellt sich jedoch auch die Frage, wie erfolgreich die einzelnen Landkreise impfen und in welchen Gebieten eventuell weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden müsste. Für diese Überzeugungsarbeit bräuchte es jedoch belastbare Zahlen zum Impffortschritt in den einzelnen Kreisen und Städten – doch genau diese Daten fehlen in den meisten deutschen Bundesländern. Die nötigen Daten werden bisher kaum erhoben.

[Fallzahlen aus Berlin und Deutschland live – Auf unserer interaktiven Karte können Sie die Zahl der täglichen Neuinfektionen tagesaktuell verfolgen]

Dabei ließe sich nur mit mit diesen genauen Daten erkennen, wo sich beispielsweise ein ganzer Landkreis mit Impfgegner:innen nicht impfen lässt. Auch lokale Lieferengpässe würden erst mit Verzögerung auffallen. So könnten diese Probleme viel zu spät erkannt werden.

Zu Beginn der Impfkampagne meldeten noch einige Landkreise selbst Zahlen der durchgeführten Impfungen. Spätestens seit Beginn der Impfungen in Arztpraxen nimmt die Zahl dieser Meldungen jedoch stetig ab. Oft umfassen die angegeben Werte lediglich die Impfungen in den Impfzentren. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet den Impffortschritt nur für Bundesländer und gesamt Deutschland.

Das Tagesspiegel Innovation Lab sammelt seit Start der Impfungen in Deutschland neben den aktuellen Coronazahlen der Landkreise auch die Angaben zu Impfungen. Weil diese Meldungen immer unregelmäßiger kamen und Ungereimtheiten im Vergleich zu den Daten des RKI auftraten, haben wir nachgefragt. Das Ergebnis der Recherche: Da die Zahlen in den Landkreisen sehr unterschiedlich und nicht systematisch erhoben werden, sind sie kaum vergleichbar. Belastbare Zahlen aus den Bundesländern zu bekommen, ist fast unmöglich.

Die meisten Länder haben keinen Überblick

Ernüchternd ist die Suche nach Impfdaten aus Landkreisen. Fragt man bei den Gesundheitsministerien der anderen Länder, erhält man - wenn überhaupt - meist die gleichen Antworten. Gibt es Planungen einer zentralen Sammlung von verimpften Dosen auf Landkreisebene? “Für Thüringen ist das nicht vorgesehen, weil wir gar nicht über die vollständigen Daten verfügen”, teilt die Pressesprecherin des thüringischen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie mit. 

Auch das zuständige Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie aus Rheinland-Pfalz hat keinen Überblick über die verimpften Dosen pro Landkreis. Die Impfungen würden dort “in 32 Impfzentren, durch bis zu 40 mobilen Impfteams, in Kliniken, Einrichtungen der Alten- und Eingliederungshilfe, onkologischen Praxen und ambulanten Dialysezentren, in der JVA und bei der Polizei” durchgeführt, Detailangaben zu den einzelnen Landkreisen würden dabei nicht erhoben. In Niedersachsen antwortete man trotz mehrmaliger Nachfrage gar nicht auf die Tagesspiegel-Anfrage. In Brandenburg blieben die Anfragen an das Innenministerium unbeantwortet.

In vier Bundesländern klappt die Erfassung 

Positiv stechen zwei der großen Flächenländer heraus: In Nordrhein-Westfalen erheben die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (KVNO) und Westfalen-Lippe (KVWL) für alle Landkreise und kreisfreien Städte sehr detailliert und tagesaktuell Zahlen zu den durchgeführten Impfungen, im Fall der KVWL sogar unterteilt nach Arztpraxen, Impfzentren und mobilen Teams. Auch aus Baden-Württemberg gibt es wöchentlich aktuelle Zahlen zu den verimpften Dosen pro Kreis.

Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen informieren zumindest über die verimpften Dosen in den Impfzentren der jeweiligen Kreise. Doch mit der steigenden Zahl an Impfungen in Arztpraxen sind diese Angaben wenig belastbar. Deswegen werden sie auf unserer interaktiven Coronakarte nicht mehr angezeigt. Damit die Daten weiterhin aktuell und vergleichbar mit den Angaben des RKI sind, haben uns deshalb entschieden, auf unserer interaktiven Karte nur noch die Angaben aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin anzuzeigen. 

In Sachsen-Anhalt bleiben die Daten intern

Die Stadtstaaten Berlin und Hamburg informieren täglich über verimpfte Dosen, in Bremen fehlt die Aufschlüsselung zwischen der Stadt Bremen und Bremerhaven.

Bis zum vergangenen Wochenende hatte auch das Land Sachsen-Anhalt den Impfstand der einzelnen Landkreise gemeldet. Doch nun teilte es mit, dass es vorerst keine tagesaktuellen Impfzahlen aus den Landkreisen mehr veröffentlichen werde, weil die Impfzentren diese nun direkt an das RKI melden. Intern würden die Daten weiterhin erfasst. Doch ob und wann man diese Informationen in Zukunft öffentlich teile, sei noch nicht entschieden.

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Mit den meist ernüchternden Antworten aus den Ländern blieb die Bundesebene als letzte Hoffnung. Auf Anfrage teilt das RKI mit, dass eine solche Datensammlung zu Impfungen in Landkreisen auch dort nicht existiert. Impfzentren und impfende Ärzt:innen melden zwar durchgeführte Impfungen an das RKI, Ärzt:innen übermitteln dabei jedoch nicht die Postleitzahl des Impflings, weswegen eine Zuordnung zu Kreisen und Städten schlicht unmöglich ist.

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Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ließ auf Anfrage mitteilen, dass dem Ministerium und dem RKI monatlich die Zahl der durchgeführten Impfungen in den Impfzentren übermittelt werde. Weitere Nachfragen zu möglichen Plänen für die zentrale Erhebung von Impfquoten in Landkreisen und kreisfreien Städten blieben beim Bundesgesundheitsministerium unbeantwortet.

Das Problem ist bekannt

Die Datenlücke scheint dem BMG und dem RKI bewusst. Gegenüber Report Mainz sagte das BMG, dass “aus Sicht des Robert Koch-Instituts (RKI) zeitnahe Daten auf regionaler Ebene wünschenswert [wären], um lokale Impflücken zu erkennen”. Problematisch ist dabei vor allem, dass impfende Ärzt:innen nicht täglich die Zahl der geimpften Patient:innen und deren Postleitzahlen an eine zentrale Stelle melden müssen.

Stattdessen erfolgt eine solche Meldung erst mit der Abrechnung der Praxen am Ende jedes Quartals an die Kassenärztliche Vereinigung. Erste Informationen aus diesen Abrechnungsdaten sind also nicht vor Anfang Juli zu erwarten.

Eine Lösung ist nicht in Sicht

Bis dahin kann nicht beantwortet werden, wie groß die Fortschritte in den einzelnen Regionen wirklich sind. Ein Blick in die wenigen Bundesländer, aus denen sinnvolle Daten zu den Impfungen auf Landkreis-Ebene verfügbar sind, zeigt, dass es regional bereits jetzt große Unterschiede in der Impfquote gibt. Es ist davon auszugehen, dass diese Unterschiede in ähnlicher Form auch in den anderen Bundesländern existieren. 

Für das aktuelle Fortschreiten der Impfkampagne dürfte das noch nicht relevant sein, überall gibt es genug Impfwillige, die sich um eine Impfdosis bemühen. Doch irgendwann dürfte ein Großteil der Impfwilligen mit einem kompletten Impfschutz versehen sein. Genau für diesen Zeitpunkt wäre es wichtig, zu wissen, in welchen Regionen Lücken im Impfschutz bestehen. Pläne für eine Erhebung Impfdaten in den Landkreisen wären für diesem Moment hilfreich. Doch weder auf Länder- noch auf Bundesebene existieren diese. 

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