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Das Wechselspiel zwischen dem harten inneren und dem flüssigen äußeren Kern erzeugt das Magnetfeld der Erde, messbar über Satelliten im Orbit.

© ESA/ GFZ

Das Innere der Erde: Die Kernfrage

Der feste innere Erdkern könnte sehr jung sein, behauptet eine aktuelle Studie. Ist damit der Streit beendet?

Das Magnetfeld der Erde, das alles Leben vor der kosmischen Strahlung schützt, hat seinen Ursprung rund 2900 Kilometer unter der Oberfläche. Dort beginnt der flüssige äußere Erdkern, er besteht vorrangig aus Eisen und Nickel und wird von gewaltigen Strömungen durchzogen, die das Magnetfeld erzeugen. Noch tiefer, bei 5100 Kilometern, beginnt der feste innere Kern. Experimente im Labor und Modellierungen lassen vermuten, dass er über 5000 Grad heiß ist und ebenfalls aus Eisen und Nickel besteht. Und dass er nicht von Anfang an da war, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt aus der Schmelze zu erstarren begann. Wann genau, darüber streiten Geoforscher seit langem; die Daten lassen Schätzungen über eine beträchtliche Spanne zu: von 2,5 bis 0,5 Milliarden Jahre vor heute. Im Fachmagazin "Nature Geoscience" berichtet jetzt ein Team um Richard Bono von Gesteinsanalysen aus Kanada, die nahelegen, dass der feste Erdkern erst spät, nämlich vor 565 Millionen Jahren zu wachsen begann.

Die Modellierung der Erdgeschichte ist kniffelig

Um dessen Anfang auszumachen, wird die Erdgeschichte modelliert: Wie der junge, heiße Planet anfangs nur einen flüssigen Kern hatte. Wie darin Materie strömt und ein Magnetfeld erzeugt. Wie der Planet abkühlt, wie sich der feste Kern herauskristallisiert. Wie sich dadurch der Wärmefluss im Inneren verändert und wie sich das Magnetfeld entwickelt. Und wie bei jedem Modell steht dann die Frage, ob es Daten aus der Natur gibt, die es bestätigen oder widerlegen.
Tatsächlich können aus sehr alten Gesteinen die Eigenschaften des damals herrschenden Magnetfelds herausgelesen werden. Wenn beispielsweise eine vulkanische Schmelze erstarrt, richten sich bestimmte Minerale wie winzige Kompassnadeln entlang des Magnetfelds aus und zeigen bis heute, wie das Feld damals orientiert war. Auch die einstige Intensität des Feldes kann bestimmt werden. Die Proben werden dazu erwärmt und dadurch der alten Magnetisierung beraubt. Dann wird ein neues Feld mit bekannten Eigenschaften eingeprägt und die gespeicherten Intensitäten des alten und neuen Feldes miteinander verglichen, erläutert Florian Lhuillier, Experte für Paläointensitäten an der der Ludwigs-Maximilian-Universität München. "Die Methode ist aber ziemlich kniffelig und liefert in vielen Fällen keine eindeutige Aussage."

Vor 560 Millionen Jahren war das Magnetfeld vermutlich schwach

Richard Bono von der Universität Rochester (US-Staat New York) und Kollegen haben Proben des Intrusivkomplexes von Sept-Îles in Québec genommen und die Paläointensität bestimmt. Demnach war das Feld vor 565 Millionen Jahren sehr schwach, es hatte nur etwa ein Zehntel des heutigen Werts. Zudem hat es sich in jener Zeit sehr häufig umgepolt. Wie die Autoren schreiben, passe dieses Schwächeszenario sehr gut zu Simulationen, bei denen sich das Magnetfeld vorübergehend anormal verhält und schließlich das Wachstum des festen Kerns beginnt. Der brachte die Dinge wieder in Ordnung: Seine Wärme treibt die Konvektionsströme des äußeren flüssigen Kerns an, die ein stabiles Magnetfeld erzeugen. Das Urteil von Fachkollegen fällt verhalten aus. Üblicherweise werden für Messungen der Paläointensität komplette Gesteinsproben genutzt. Bono hat einzelne Kristalle (Plagioklas- und Klinopyroxen) mit magnetischen Einschlüssen isoliert und gemessen. Technisch bedingt fallen Störungen stärker ins Gewicht und die ermittelten Werte sind tendenziell schwächer, erläutert Andy Biggin von der Universität Liverpool. "Doch die Aussage, dass das Magnetfeld vor rund 560 Millionen Jahren schwach war, ist glaubwürdig. Experimente in unserem Labor an Gesamtgesteinsproben zeigen ebenfalls sehr geringe Intensitäten für die betreffende Zeit."

Vage Parameter führen zu großer Unsicherheit, wann der Erdkern zu wachsen begann

Die Schlussfolgerung, zu jener Zeit habe der feste Kern begonnen zu wachsen, teilt Biggin aber nicht. Das dürfte ihm auch schwer fallen, schließlich hat er 2015 in "Nature" eine Studie veröffentlicht, die eine Magnetfeldschwäche um 1,3 Milliarden Jahren vor heute mit dem Beginn der Kernbildung verbindet. Er kritisiert, dass Bonos Team eine neuere Studie außer acht lässt, wonach das Magnetfeld vor 1,1 Milliarden Jahren ziemlich stark war. "Das würde ihrem gewählten Modell widersprechen, das von einer beständigen Abnahme seit zwei Milliarden Jahren ausgeht", schreibt er. Zudem gebe es weitere neue Arbeiten, nach denen es vor 370 Millionen Jahren im Zeitalter des Devon ein ähnlich schwaches Feld gab wie vor 560 Millionen Jahren im Ediacarium. "Das unterstützt nicht gerade die Idee, dass ausgerechnet die Schwäche im Ediacarium zum Beginn der Entstehung des festen Kerns führte." Florian Lhuillier aus München ist ebenfalls skeptisch und hebt die Schwäche im Devon hervor, die Bono und Kollegen nicht berücksichtigen. "Da ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen", sagt er. Die Modelle zur Entwicklung des Erdinneren hätten Schwächen. "Einzelne Parameter wie die thermische Leitfähigkeit sind noch immer sehr vage, das führt zu der großen Unsicherheit, wann der innere Kern denn nun begonnen habe zu wachsen." Noch vor fünf Jahren hätten viele auf einen frühen Termin gesetzt, anders als jetzt.

"Gut möglich, dass in drei Jahren wieder ein anderes Alter favorisiert wird." Biggins stimmt zu: Aus Sicht der Modelle erscheint ein hohes Alter unwahrscheinlich. Dann wäre der Wärmefluss heute wohl zu gering, um die Strömungen und damit das Magnetfeld in seiner jetzigen Form zu erzeugen. "Trotzdem muss man feststellen, das ist ein sehr umstrittenes Thema und ich erwarte noch einige Überraschungen und Diskussionen, bevor man sich auf einen Zeitpunkt für die Geburt des festen Kerns einigt."

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