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Das Bild zeigt in hellen Farben die heiße Materie, die um das Schwarze Loch rotiert und dabei Strahlung aussendet. Das Loch selbst ist nicht zu sehen, denn dort kommt keine messbare Strahlung heraus.

© EHT Collaboration/European Southern Observatory/esa 

Das dunkle Herz der Milchstraße: Erstes Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie

Das Zentrum der Galaxie ist ein gewaltiges Schwarzes Loch. Sein Abbild eröffnet neue Möglichkeiten, die Gravitation besser zu verstehen.

In unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, leuchten schätzungsweise 200 Milliarden Sterne. Dazu kommen jede Menge Planeten, Monde und Asteroiden, die alle um eine kosmische Drehachse rotieren. Zusammengehalten wird alles durch die Gravitation: Die Massewirkung zwingt benachbarte Himmelskörper auf Kurs und vereitelt ihre Flucht.

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Damit das galaktische Karussell funktioniert, argumentieren Forscher, muss sich in seinem Zentrum ein sehr massereiches Schwarzes Loch befinden. In den vergangenen Jahren haben sie etliche Hinweise auf diesen Schwerkraftgiganten namens Sagittarius A*, kurz Sgr A*, zusammengetragen – etwa Beobachtungen von Sternbewegungen in dessen unmittelbarer Nähe.

Heiße Materie rotiert um das Objekt

Jetzt legt ein internationales Forschungsteam des „Event Horizon Telescope“ (EHT) ein Beweisfoto vor. Es wurde auf mehreren Pressekonferenzen weltweit sowie in einer Sonderausgabe des Fachjournals „Astrophysical Journal Letters“ vorgestellt.

Das Bild zeigt in hellen Farben die heiße Materie, die um das Schwarze Loch rotiert und dabei Strahlung aussendet. Dort, wo es besonders hell ist, ist viel Materie. Das Loch selbst ist nicht zu sehen, denn dort kommt keine Strahlung heraus, die von der Erde aus zu messen wäre. Es lässt sich aber erahnen als der dunkle Fleck, um den die Materie herumwirbelt.

Schwarze Löcher und ihre Umgebung abzubilden ist sehr aufwendig. Bisher gelang das erst einmal, bei dem Exemplar im Herzen der Galaxie M87. Die EHT-Kollaboration hatte das Bild vor drei Jahren publiziert. Weltweit wurde es auf Titelseiten und in den TV-Hauptnachrichten gezeigt, längst ist es zu einer Ikone der Astrophysik geworden. Das Porträt von Sgr A* sieht diesem sehr ähnlich, obwohl es gehörige Unterschiede zwischen beiden Objekten gibt.

Mit 27.000 Lichtjahren gar nicht so weit weg

Das Schwarze Loch in M87 ist 53 Millionen Lichtjahre entfernt und hat rund 6,5 Milliarden Sonnenmassen. Sgr A* ist mit 27.000 Lichtjahren viel näher und ein Leichtgewicht mit 4,3 Millionen Sonnenmassen. „Wir haben zwei sehr unterschiedliche Galaxien und zwei unterschiedliche Schwarze Löcher, aber irgendwie sehen sie sehr ähnlich aus, wenn man nahe genug herankommt, um den Rand dieser Schwarzen Löcher zu betrachten“, sagt Sera Markoff, Professorin für Theoretische Astrophysik an der Universität Amsterdam und Ko-Vorsitzende des EHT Science Council. „In diesem kleinen Maßstab verblasst die Komplexität der Umgebung dieser Schwarzen Löcher und enthüllt diese einfachen Objekte, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wurden.“

Auch Mariafelicia de Laurentis von der Universität Neapel, die zum EHT-Team gehört, ist begeistert: „Es ist beeindruckend, wie gut die Größe des Rings mit Vorhersagen aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmt.“ Die Beobachtungen eröffneten neue Möglichkeiten, um supermassereiche Schwarze Löcher und die Gravitation insgesamt viel besser zu verstehen.

In zehn Tagen kaum Bewegung

Wenn Erwartungen so gut erfüllt werden, ist Skepsis angebracht. Zumal die Auswertung der Messdaten noch schwieriger war als bei M87. Dort hatten es die Forscherinnen und Forscher mit einem wahren Gemütsobjekt zu tun. Das Gas in seiner Umgebung braucht Tage bis Wochen, um das Schwarze Loch einmal zu umrunden. Während der Beobachtungszeit vom 4. bis 14. April 2017 hat sich kaum etwas bewegt. Sgr A* wurde zur gleichen Zeit beobachtet. Es ist aber viel leichter, die Umlaufbahn der Materie kleiner, die Umkreisung dauert nur Minuten. Das Bild drohte verschwommen zu werden.

Das Event Horizon Telescope
Das Event Horizon Telescope

© Tagesspiegel /Nils Klöpfel • MPIfR • Stand: Mai 2022

Hinzu kommt: „Wir schauen in die Scheibe der Milchstraße hinein“, sagt Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn (MPIfR) und Gründungsvorsitzender des EHT Kollaborationsrats. „Da ist viel Materie, an der die Strahlung auf dem Weg zur Erde gestreut wird.“ Das Resultat ist ein waberndes, flackerndes Bild.

Mehr noch: Das Bild basiert nicht auf Daten von einem Radioteleskop, sondern von acht Geräten, die auf mehreren Kontinenten verteilt sind und gleichzeitig gemessen haben. Deren Daten werden anschließend kombiniert. Die Forscher haben somit ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde (siehe Grafik). Very Long Baseline Interferometry, kurz VLBI, heißt diese Methode.

Wie ein Donut auf dem Mond

Erst damit erreicht der EHT-Verbund eine Auflösung, mit der die in ihrer Ausdehnung verhältnismäßig kleinen Schwarzen Löcher und ihre Umgebung erkennbar sind. Als Maß für die herausragende Winkelauflösung ihres Verfahrens hatten die EHT-Forscher 2019 eine Orange ausgewählt, die man theoretisch von der Erde aus auf dem Mond ausmachen könne. Dieses Mal ist es ein Donut. Oder, wie es bei der Präsentation in Garching hieß: Man könnte von hier aus Blasen in einem Glas Bier in New York erkennen.

Mehrere Teams machten sich unabhängig voneinander an die Datenauswertung, testeten ihre Ergebnisse wieder und wieder, berichtet Zensus. Das macht ihn so sicher, dass das Resultat robust ist, das Bild die Realität im Zentrum der Milchstraße abbildet. Wobei es nicht wirklich ein Schnappschuss ist, sondern eine Zusammensetzung vieler Einzelbilder: Regionen, in denen während der Serie häufig Materie detektiert wurde, sind heller, die übrigen Bereiche entsprechend dunkler.

So schön das Bild ist, die rund 300 beteiligten Wissenschaftler wollten nicht nur ein Postermotiv kreieren. Sondern besser verstehen, was dort bei Sgr A* geschieht. „Wir sehen, dass der Ursprung der von uns detektierten Submillimeter-Strahlung in einer bestimmten Region um das Schwarze Loch liegt“, sagt Zensus. „Das ist wichtig für Kollegen, die in anderen Wellenlängen beobachten.“

Erst die Verknüpfung verschiedener Methoden, die sogenannte Multi-Messenger-Astronomie, ermöglicht es, die physikalischen Prozesse tiefgründig zu erforschen und zu verstehen. Da geht es beispielsweise um Jets, Ströme aus Plasma, die senkrecht zur rotierenden Materiescheibe ins All hinausgeschleudert werden. Wie sie entstehen, ist noch nicht geklärt, offenbar spielen starke Magnetfelder eine Rolle. Weitere Messungen, auch mit einem verbesserten EHT, könnten hier helfen.

Die Russische Akademie ist aktuell nicht dabei

Erste Schritte zum Upgrade sind gemacht. Inzwischen sind drei weitere Radioteleskope in Frankreich, Arizona und Grönland dem EHT-Verbund beigetreten. Jedes Jahr im April messen sie gemeinsam. Einzige Ausnahme war 2020, wegen der Covid-19-Pandemie musste die Kampagne ausfallen. Drei weitere Anlagen könnten folgen, darunter eine in Afrika. Dies ist geografisch wichtig für die Beobachtungen und wäre zudem ein Treiber für die Entwicklung der Wissenschaft auf dem Kontinent.

Laut Zensus gab es auch die Idee, über die Russische Akademie der Wissenschaften ein weiteres Teleskop einzubinden. Wegen der bekannten Sanktionen wird das vorerst nicht weiterverfolgt. Langfristig würde der Bonner Forscher ohnehin am liebsten ins All gehen. Mit einem Radioteleskop auf einem Satelliten, das die Erde in weitem Bogen umrundet und die Anlagen hier unten ergänzt, ließe sich das virtuelle Teleskop deutlich vergrößern. „Das würde zu erheblich besseren Daten und Bildern führen.“

Bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa habe man die Idee schon vorgestellt, sagt der Forscher. Selbst wenn sie sich schnell überzeugen ließe, würde ein solcher Satellit aber wohl kaum in den nächsten zwei Jahrzehnten starten.

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