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Dämmung: In Schilf gekleidet

Schafswolle statt Styropor: Das Berliner Steinbeis-Institut entwickelt Dämmstoffe für Gebäude aus nachwachsenden Materialien.

Im November besuchten 23 Gymnasiasten aus dem slowakischen Poprad 23 Elftklässler des Berliner Dathe-Gymnasiums. Im Rahmen des Projekts „Umwelt baut Brücken – Jugendliche im europäischen Dialog“ recherchierten sie gemeinsam in Berlin die Bedeutung von nachwachsenden Dämmstoffen für die Isolierung von Gebäuden. Unterstützt wird der Austausch, an dem 34 deutsche und osteuropäische Schulen teilnehmen, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Aachener Izop-Institut. Den folgenden Text haben Anne-Kathrin Schmidt, Tom Goldmann und Susanne Tasler geschrieben.

„Wir wollen ein Haus, um das sich unsere Enkel streiten“, sagt Hans-Volker Huth, Leiter des Berliner Steinbeis-Transferzentrums für umweltbewusstes Bauen und Baustoffe. Aufmerksam sitzen die Schüler und Lehrer der deutsch-slowakischen Projektgruppe „Umwelt baut Brücken“ in einem hellen Seminarraum in Friedrichshain und hören ihm zu.

Der Kohlendioxidausstoß in Deutschland ist zu hoch, sagt Huth. Um ihn zu verringern, könnte man zum Beispiel auf umweltverträglichere Autos umsteigen. Noch wirksamer aber sei, Gebäude besser zu isolieren, um den Heizaufwand zu verringern. Auch die seit Oktober 2007 gültige neue Energieeinsparverordnung (EnEV) sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagt Huth. Die neue Verordnung sieht unter anderem einen Energieausweis für den Großteil deutscher Wohnhäuser vor, der Angaben zum Energiebedarf des jeweiligen Gebäudes beinhaltet. So können sich Mieter und Käufer besser informieren.

In den meisten Fällen verwendet man zur Außendämmung synthetische Materialien wie Mineralwolle oder Styropor.

Alternativen wie Zellulose, Holz, Flachs, Kork oder Schilf kann man in der Ausstellung des Steinbeis-Zentrums sehen und anfassen. Die Idee, mit solchen nachwachsenden Rohstoffen zu dämmen, ist keineswegs neu. Bereits vor 100 Jahren nutzte man sie, doch mit dem Zeitalter der synthetischen Chemieprodukte verloren sie an Bedeutung. In letzter Zeit rücken diese ökologischen Dämmstoffe allerdings wieder verstärkt ins Bewusstsein von Politikern und Forschern, da zu ihrer Herstellung kein Erdöl benötigt wird, wie es bei der Gewinnung synthetischer Stoffe der Fall ist. Da die Erdölressourcen knapper werden, sind die ökologischen Dämmstoffe eine wichtige Alternative. Für die nachwachsenden Dämmstoffe spricht auch, dass sie kompostierbar sind und somit in den Naturkreislauf zurückgeführt werden können. Die Entsorgung ist generell weniger aufwendig und preisgünstiger.

Aus diesen Gründen hat Hans-Volker Huth vor sieben Jahren gemeinsam mit dem Unternehmen In-Vitro-Tec einen ökologischen Dämmstoff entwickelt, der auf Chinaschilf (Miscanthus) basiert (s. Kasten). „Das Ganze ist ein Geheimrezept“, fügt Huth zwinkernd an. Die genaue Zusammensetzung des Stoffes will er nicht verraten. Noch ist das Gewächs als Dämmstoff auch nicht massentauglich. Momentan darf es in Gebäuden mit bis zu sieben Etagen verwendet werden. In den vergangenen Jahren forschten Huth und seine Mitarbeiter an einem System, um Altbauten nachträglich mit nachwachsenden Rohstoffen umzurüsten.

Ein Ergebnis seiner Arbeit kann man in der Nachbarschaft in Friedrichshain besichtigen. An die bestehende Fassade eines Hauses wurde eine umweltverträgliche Dämmung mit Holzverkleidung angebracht. Hans-Volker Huth klettert auf eine Leiter und zeigt die integrierte Messanlage, die die Wirksamkeit des Dämmsystems aufzeichnet. Obwohl es solche Möglichkeiten gibt, entscheiden sich die meisten Bauherren für synthetische Dämmstoffe. Die ökologischen Dämmstoffe machen nur zehn Prozent der jährlich in Deutschland verarbeiteten 35 Millionen Kubikmeter Dämmstoffe aus.

Die Entscheidung gegen die ökologischen Materialien liege zum einen am mangelnden Wissen der Verbraucher, schätzt Huth, zum anderen am noch recht geringen Angebot. So führen die üblichen Baumärkte diese Stoffe in aller Regel nicht. Ein weiteres Problem mag die hohe Anfälligkeit der Naturstoffe für Schimmel sein.

Außerdem herrscht die Meinung vor, die Brandgefahr und die Preise seien zu hoch. Zwar ist die Brandresistenz mineralischer Dämmstoffe wie Glaswolle am besten, mit Brandschutzmitteln erreicht man allerdings auch bei ökologischen akzeptable Werte. Der Preis vieler ökologischer Dämmstoffe ist tatsächlich höher als der von künstlichen, doch es gibt durchaus konkurrenzfähige Alternativen. Ein Grund dafür ist der steigende Erdölpreis, der die Kosten der synthetischen Materialien in die Höhe treibt. Diese Entwicklung wird vermutlich fortschreiten, sagt Huth. Er schätzt, dass sich die Alternativen bis in zehn Jahren auf dem Markt etabliert haben werden.

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