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In China sind - trotz Schutzmaßnahmen - fast 30 Prozent der an Covid-19 Erkrankten Klinikmitarbeiter oder medizinisches Personal. Ein medizinischer Mitarbeiter. Allerdings steckten sie sich wohl vor allem außerhalb der Kliniken an.

© Pu Xiaoxu/XinHua/dpa

Coronavirus und die medizinische Versorgung: Quarantänemaßnahme für Ärzte lockern?

Wenn Ärzte und Pfleger vorsorglich in Quarantäne müssen, leidet die Versorgung von Patienten. „Improvisation“ sei jetzt nötig, sagt Charité-Virologe Drosten.

Ärztinnen, Pfleger, Sanitäter – medizinisches Personal ist in der Covid-19-Epidemie einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Zahlen von Ende Februar zufolge haben sich in China mehr als 3000 Klinikmitarbeiter infiziert, wenn auch zumeist außerhalb der Klinik. Mindestens acht sind gestorben – darunter auch Li Wenliang, einer der Ärzte, die frühzeitig vor der neuartigen Viruserkrankung gewarnt hatten. Etwa 29 Prozent aller Infizierten in China gehörten zum medizinischen Personal.

[Hier finden Sie die neuesten Zahlen zur Coronavirus-Epidemie. Ständig aktualisiert.]

Es liegt auf der Hand, dass das nicht nur für die Betroffenen ein Problem darstellt, sondern auch für die Bekämpfung der Seuche und die Behandlung der übrigen Bevölkerung. So zeigt eine Studie, dass in den Regionen Chinas, in denen die medizinische Versorgung besonders litt, die meisten Todesfälle zu beklagen waren.

In Deutschland wird daher nun nicht nur darüber nachgedacht, wie die Akteure im Gesundheitssystem bestmöglich geschützt werden können. Womöglich sollen auch ob die Quarantäneregeln für Verdachtsfälle im medizinischen Personal angepasst werden, um frühzeitig Mangelversorgung zu verhindern.

Drosten: „Pragmatische Lösungen“

Bisher sollen auf Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) Kontaktpersonen von diagnostizierten Infizierten für 14 Tage in häuslicher Quarantäne bleiben. Weil das so auch für Personal in Krankenhäusern und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung gilt, befinden sich in Tübingen, Hamburg, Saarbrücken und Heinsberg bereits diverse Ärzte und Pfleger in Quarantäne. Ist es möglich, diese Personen bevorzugt zu testen und sie bei negativem Testergebnis auch vor Ablauf der Quarantänefrist zurück an den Arbeitsplatz zu schicken?

Christian Drosten, Virologe an der Charité Berlin spricht sich für „pragmatische Lösungen“ aus. Man müsse „in der aktuellen Lage auch einmal improvisieren“. Er äußert die Idee, „die Isolierungszeit auf acht Tage zu verkürzen“. Das sei, den bisherigen Erkenntnissen zufolge, die „Kern-Inkubationszeit“. Mit 14 Tagen gehe man zwar „auf Nummer sicher“, aber in der Praxis sei das „kaum tolerabel“. Irgendwann werde man eingestehen müssen: „Man kann nicht alle Übertragungen aufhalten, also konzentrieren wir uns auf den Kern der Sache.“

Drosten schlägt vor, das medizinisches Personal, das Kontakt mit einem Infizierten hatte, solle „jeden Morgen selbst einen Abstrich abnehmen“, der dann getestet wird. Sobald jemand positiv getestet werde, könne er zu Hause isoliert werden. „Das erhält die Arbeitsfähigkeit des restlichen Teams und gefährdet niemanden“, so Drosten, denn der Test zeige das Virus deutlich früher an, als der Patient infektiös werde.

„Wenn viel Personal getestet werden muss, kann man auch Pool-Testung machen, also zum Beispiel 100 Abstriche auf einmal testen und bei positivem Ausgang die positive Einzelprobe identifizieren“, sagt Drosten. „Alles das ist praktikabler als ganze Notaufnahmen zu schließen." Ein solches Vorgehen werde gerade mit dem RKI besprochen, aber das brauche halt seine Zeit.

Menschen dürfen nicht gefährdet werden

Petra Dickmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Risikokommunikation in „Public Health“ und „Health Security“ am Universitätsklinikum Jena bezweifelt, dass es bereits „genug Evidenz“ gibt, um zu definieren, ab welcher Virusmenge ein Getesteter noch nicht oder nicht mehr infektiös ist.

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Außerdem sei es „aus der Perspektive der Risikokommunikation nicht nachvollziehbar, warum Menschen mit einer nachgewiesenen Erkrankung nicht in Quarantäne sollen – außer sie werden in der Krankenversorgung dringend gebraucht.“ Nur weil Menschen sonst als Arbeitskräfte fehlen, dürften weder sie noch andere Menschen gefährdet werden.

Ein Szenario der Personalknappheit habe es zwar noch nicht gegeben, sagt der Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen der Klinik Schwabing in München, Clemens Wentdner. Aber sollte dieser Fall eintreten, erwägt er durchaus, einen Arzt oder Pfleger, der in Kontakt mit einem Infizierten stand und negativ auf das Virus getestet wurde, aus der Quarantäne zu holen und bei täglicher Testung wieder einzusetzen. „Wenn dann aber im Laufe einer andauernden Testung eine Positivität entstehen würde, dann hätte die Klinik ein neues Problem, da dann viele weitere Kontaktpersonen erzeugt würden.“ (mit smc)

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