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Wer nach dem Kontakt mit Hochrisiko-Patienten die Sonderisolierstation der Charité verlassen will, muss vorher den Anzug mit einer Säuredusche desinfizieren.

© picture alliance / dpa

Coronavirus in Berlin: Die Isolierstation der Charité ist groß, aber im Pandemie-Fall zu eng

In Berlin können bis zu 20 Hochrisiko-Patienten gleichzeitig behandelt werden. Reicht das im Fall einer Coronavirus-Pandemie? Womöglich nicht.

Im Internet kursieren zwei Videos aus der Sperrzone um Wuhan: In dem einen sitzt ein junger Mann mit weißer Schutzmaske vor dem Bildschirm und berichtet von der Angst, die jetzt alle haben. In einem anderen verliert ein älterer Herr in einer Notaufnahme die Fassung. Er fühlt sich krank, er möchte sofort aufgenommen werden. Aber die Krankenschwestern am Empfang bleiben eisern. „Wir haben kein Bett mehr mehr frei. Es gibt keinen Arzt, der Zeit hat. Bitte gehen Sie.“

Der schreiende Mann hat vor Angst geweitete Augen. Die Augen der Krankenschwestern sind nicht zu sehen, sie tragen weiße Anzüge und virensichere Atemmasken. Es ist eine bedrückende Szene. Und sie zeigt, was in den Infektionsschutz-Plänen nicht steht: Wie schnell eine Epidemie eine Stadt überfordern kann.

Denn Menschen, bei denen ein Verdacht auf Infektion mit 2019nCoV vorliegt, müssen im Krankenhaus isoliert werden, damit sich die Erreger nicht weiter ausbreiten können. Und das kostet Platz und noch mehr Personal. Offenbar sind in Wuhan mit mehreren Hundert bekannten Fällen schon einige Krankenhäuser an ihre Grenzen geraten. Und wie ist Deutschland vorbereitet?

Sars-Patienten wurden in Sonderisolierstationen behandelt

Für das Management von neuen, gefährlichen Erregern zuständig ist die sogenannte „Stakob“, ein ständiger Arbeitskreis am Robert-Koch-Institut. Der Arbeitskreis koordiniert ein Netz aus Kompetenzzentren und Kliniken, die auch die allergefährlichsten Infektionen handhaben können, etwa Ebola oder Lungenpest.

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Vor allem tagen in der Stakob die Vertreter der Kliniken, die sogenannte Sonderisolierstationen betreiben. In diesen Spezialeinrichtungen tragen alle Mitarbeiter luftdichte Anzüge. Um sie zu verlassen, müssen sie durch eine Desinfektionsschleuse. Luft- und Abwassersysteme werden durch Spezialfilter gereinigt. Alles was mit den Kranken in Kontakt kommt, Bettwäsche, Kleidung, Spritzen, wird erst in einem großen Autoklaven sterilisiert und dann verbrannt.

[Die aktuelle Entwicklung rund um die Ausbreitung des Coronavirus lesen Sie bei uns im Newsblog]

Wenn sich neue Erreger als außergewöhnlich tödlich erweisen, dann muss die Isolierung der Kranken ganz strikt und ansteckungssicher erfolgen: Patienten mit Sars – dem Corona-Virus, das 2002 für weltweite Infektionen sorgte – wurden in diesen hermetisch abgeriegelten Bereichen behandelt. Allerdings gibt es keine klaren Regeln, wann ein neues Pathogen gefährlich genug und damit „reif“ für die Sonderisolierstation ist. Die Experten müssen anhand der vorliegenden Daten abschätzen, wie sie die Infektionskette am effektivsten unterbrechen können.

Platz nur für 20 Patienten - für die 160 Pflegekräfte nötig wären

Hochsicherheitstrakte gibt es in Deutschland nur an sieben Kliniken – für etwa 30 Patienten. Das ist voraussichtlich zu wenig für eine so hochansteckende, luftübertragbare Infektion wie das neue Virus aus Wuhan. Hinzu kommt: Die Betreuung auf einer Sonderisolierstation ist sehr personalintensiv. Im Krankenzimmer müssen immer zwei Fachleute anwesend sein, ein Arzt und ein Pfleger. Durch die belastende Situation im Anzug können sie nicht länger als drei Stunden arbeiten. Ein einziger Patient braucht also acht Ärzte und acht Pfleger pro Tag.

Ins Innere der Hochisolierstation der Berliner Charité kommt man nur mit Schutzanzug, den man vor der Eingangsschleuse (1) überzieht. Hinaus darf nur, wer den Anzug zuvor in der Ausgangsschleuse (2) in der Säuredusche desinfiziert hat. Ob bei der Visite der Patienten (4), im Labor (5), Operations- (6) oder Kühlraum (7), der Schutzanzug bleibt stets an. Das Wasser wird sterilisiert (8), die Luft gefiltert (9), und die ganze Station steht unter Unterdruck, damit keine Viren entkommen.
Ins Innere der Hochisolierstation der Berliner Charité kommt man nur mit Schutzanzug, den man vor der Eingangsschleuse (1) überzieht. Hinaus darf nur, wer den Anzug zuvor in der Ausgangsschleuse (2) in der Säuredusche desinfiziert hat. Ob bei der Visite der Patienten (4), im Labor (5), Operations- (6) oder Kühlraum (7), der Schutzanzug bleibt stets an. Das Wasser wird sterilisiert (8), die Luft gefiltert (9), und die ganze Station steht unter Unterdruck, damit keine Viren entkommen.

© Brian Sipple/Technology Review

Die Sonderisolierstation an der Berliner Charité ist mit Abstand die größte. Hier sollen im Notfall 20 Patienten gleichzeitig versorgt werden können. Dafür wären 160 Mitarbeiter pro Tag für die ganze Station nötig – unter der Hand gestehen die Ärzte ein, dass nicht klar ist, ob das im pandemischen Notfall mit der ohnehin dünnen Personaldecke überhaupt geleistet werden kann.

Doch es braucht ausreichend Mitarbeiter, denn nur so kann sichergestellt werden, dass sie sich nicht anstecken und die Erreger nach draußen verschleppen. Wenn Ärzte oder Pfleger die Station betreten wollen, müssen ihnen Helfer vorher in einer Schleuse einen luftdichten Anzug anlegen, der die Atemluft mit einem kleinen Motor am Rücken über einen virendichten Filter ansaugt. Der Anzug schützt, aber das Plastikvisier ist klein, die Sicht schlecht und dicke Handschuhe machen tastende Untersuchungen des Patienten fast unmöglich. Eine Hochisolierstation ist also nicht nur aufwändig und kostenintensiv, sondern auch anstrengend.

Die Behandlungsregeln, die die Stakob jetzt herausgegeben hat, sind für die Krankenhäuser praktikabler: Der erste deutsche Wuhan-Patient wurde in München-Schwabing in einem Isolierzimmer mit Unterdruck behandelt. Damit soll verhindert werden, dass die beim Husten entstehenden infektiösen Aerosole, feine Tröpfchennebel voller Viren, den Raum verlassen. Der Druckunterschied erzeugt einen Saugeffekt in Richtung Krankenzimmer, infektiöse Luft kann nicht entweichen. Solche Unterdruckzimmer sind überall in Deutschland vorhanden – und sie werden regelmäßig benutzt, etwa um Menschen mit offener Tuberkulose zu isolieren.

Gasmasken wie aus dem 1. Weltkrieg

Um die Übertragung der infektiösen Tröpfchen zu verhindern, sollten die Kranken nach einer Empfehlung der US-Seuchenschutzbehörde CDC einen Mundschutz und das medizinische Personal virendichte Masken zu tragen, die nicht nur den Mund, sondern auch die Augen schützen. Diese Masken erinnern an Gasmasken aus dem 1. Weltkrieg.

Und sie machen die Pflege zu einer aufwändigen Prozedur: Die Masken könnten mit einem ansteckenden Film überzogen sein, deswegen müssen sie nach dem Verlassen des Zimmers in einer Schleuse untergebracht werden, genau wie der Overall, den man in dem Zimmer tragen muss. „Deswegen gibt es hier auch die Empfehlung, dass sich immer dieselben Pfleger um die Infizierten kümmern“, sagt Marylyn Addo vom Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), „und sonst um keine anderen Patienten, damit die nicht angesteckt werden.“

Hintergrund über das Coronavirus:

Addo leitet als Oberärztin die Infektiologie am UKE, gerade hat sie ihre Mitarbeiter über das neue Virus unterrichtet. „Nach den bisherigen Daten ist 2019nCoV wirklich nicht mit Sars vergleichbar“, sagt sie. „Wir bekommen jeden Abend die Daten zur Letalität gemeldet. Demnach sterben etwa zwei von 100 Patienten – bei Sars waren es fünf mal so viele. Und es trifft vor allem Menschen mit Vorerkrankungen. Das ist eine gefährliche Infektion, aber keine für die Sonderisolierstation.“

Das sieht der junge Mann in dem Video aus Wuhan offenbar anders: „Es ist schlimmer als Sars. Die krank sind, gehen doch gar nicht mehr ins Krankenhaus. Wie auch – ohne Benzin fürs Auto und ohne Bus.“

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