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Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes Anfang Februar in Germersheim. In den Kasernen vor Ort waren zu dem Zeitpunkt Deutsche aus Wuhan untergebracht.

© Thomas Lohnes / AFP

Umgang mit der Ausbreitung von Covid-19: Es geht nicht nur um ein Virus

Sind wir in der freien Welt in der Lage, die Epidemie mindestens ebenso effektiv zu bekämpfen wie das autoritäre China? Von der Antwort wird viel abhängen.

Was man über das Coronavirus weiß, was man aus guten Gründen vermutet, und die jüngsten Meldungen über Ausbrüche in Korea, im Iran und in Norditalien, legen eines nahe: Das Virus namens Sars-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Krankheit Covid-19 sind wohl nicht mehr komplett einzudämmen.

Das Virus wird auch Deutschland erreichen, und zwar über die bisherigen Fälle hinaus, in denen die Eindämmung noch funktionierte. Es ist wahrscheinlich längst da. Und es wird außer Deutschland und den genannten Ländern auch viele andere erreichen.

Das Coronavirus wird Deutschland erreichen. Es ist wahrscheinlich längst da

Dieser Meinung sind inzwischen so ziemlich alle Wissenschaftler, die sich mit Viren und Epidemien auskennen. Dazu kommt, dass auch der Ausbruch in China alles andere als nachhaltig eingedämmt ist.

Die drakonischen Maßnahmen dort scheinen die Zahl der Neuerkrankungen reduziert zu haben. Doch ob das auch für die Zahl der „nur“ Infizierten gilt, weiß niemand. Und irgendwann wird es unvermeidlich sein, die Maßnahmen zurückzufahren. Dann können die Zahlen auch wieder steigen. Und wo es jene Maßnahmen nicht gibt – also fast überall sonst auf der Welt – gilt das Gleiche.

Hintergrund über das Coronavirus:

Das Virus ist offenbar leicht übertragbar. Vieles spricht dafür, dass es auch Menschen weitergeben, die keine Symptome haben. Man weiß nicht genau, wie hoch die prozentuale Sterblichkeit ist. Aber dass das Virus mittlerweile mehr als 2600 Menschenleben gefordert hat, das weiß man.

Es ist ernst.

Panik verhindert keine einzige Ansteckung, keinen einzigen Todesfall

Jetzt in Panik zu verfallen würde allerdings keine Neuinfektion, keinen Todesfall verhindern, eher im Gegenteil. Überlegt und rational zu reagieren, geleitet von den bekannten Fakten, aber auch dem Bewusstsein, dass man vieles noch nicht weiß, ist die einzige erfolgversprechende Möglichkeit, mit der Situation umzugehen.

Was heißt das? Zum Beispiel, dass jede einzelne Person sich die ohnehin geltenden, aber immer weitgehend ignorierten Vorbeugemaßnahmen gegen Influenza-Übertragung zu eigen machen müsste.

Das heißt zum Beispiel: regelmäßig die Hände waschen und konsequent zu Hause bleiben, wenn man erkrankt ist. Es heißt auch, dass man den Mitbürger, der im Supermarkt das Kühlregal vollniest, recht klar auf sein Fehlverhalten hinweist.

Es heißt, dass den Bürgern überall konsequent geholfen werden muss, Ansteckungen zu vermeiden. Das geht vom Arztpraxis-Personal, das Gesichtsmasken und Desinfektionsmittel bereitstellen müsste, über Arbeitgeber, die Angestellten so gut es geht ermöglichen sollten, von zu Hause zu arbeiten. Es geht weiter mit Behörden, sie Bürgern mehr Optionen als üblich bieten sollten, sich die Hände zu waschen, in Wartebereichen Abstand von einander zu halten und die Fenster aufzumachen. Und vieles mehr.

Es heißt, dass Institutionen und Politik alles tun müssten, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen und um Erkrankten zu helfen.

Können wir das?

Das Virus stellt auch die Systemfrage

Von der Antwort hängt vieles ab: Menschenleben, die wirtschaftliche Entwicklung, und auch, ob letztlich vielleicht doch Panik ausbricht. Aber es geht noch um mehr.

Können wir das? Die Frage bedeutet auch: Können wird das hier im freien Westen gut genug? Sind wir in der Lage, einer solchen Epidemie ähnlich effizient oder gar erfolgreicher zu begegnen als ein Staatswesen wie das autoritäre China, das in einer Weise willens und fähig ist, Bürger zu kontrollieren, zu dirigieren, ihre Freiheit einzuschränken, wie es das in der Geschichte noch nicht gegeben hat?

Das Coronavirus stellt auch die Systemfrage. Man kann Covid-19 als prototypisches Problem des 21. Jahrhunderts betrachten: Es ist global. Es ist mit Wissenschaft, Technologie, Kooperation, menschlichem Verstand und der Bereitschaft, Verhalten zu ändern, wahrscheinlich lösbar – so wie die Folgen des Klimawandels, des Artenschwundes, der Migration, der Mikroplastik-Verschmutzung, der Medikamenten-Resistenzen, der Digitalisierung oder des Wandels der Arbeitswelt.

Der Unterschied ist die Unmittelbarkeit. Sie macht das Virus zum Testfall: Sind wir als freie, aufgeklärte, über unbeschränkten Zugang zu Informationen verfügende verantwortliche Einzelbürger, sind wir als Gemeinwesen, sind unsere Institutionen und unsere Volksvertreter, ist unser Gesundheits- und Wirtschaftssystem in der Lage, jetzt das Notwendige zu tun?

Besser wäre das. Nicht nur für die Gesundheit.

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