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Johan Rockström

© Soeren Stache/dpa

Coronakrise und Klimaschutz: „Das Virus kann nicht isoliert betrachtet werden“

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, bringt die Coronakrise mit der Klimafrage zusammen. Im Interview erklärt er, wie das die Generationen verbinden könnte.

Der schwedische Resilienzforscher Johan Rockström (54) hat 2018 zusammen mit dem Ökonom Ottmar Edenhofer die Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) von Gründungsdirektor Hans Joachim Schellnhuber übernommen. Rockström ist vor allem für seine Arbeiten zu den planetaren Grenzen bekannt ist. Er wird von Clarivate Analytics zu den meistzitierten Forschern der Welt gezählt.

Herr Rockström, Sie haben für eine Studie die Corona-Pandemie mit der Klimakrise verglichen. Mit welchem Ergebnis?
Erst einmal hat sich gezeigt, wie plötzlich sich auf globaler Ebene die Dinge ändern können. Die Erde ist sehr klein, alles ist miteinander verbunden. Etwas, das sich auf einem Markt in China entwickelt hat, kann sich in wenigen Wochen weltweit ausbreiten – und eine globale Krise auslösen. Zudem hat diese Krise in beispielloser Weise die Fähigkeit der Menschen gezeigt zu mobilisieren und zu handeln. 500 Milliarden Euro Investition aus Europa zum Kampf gegen Covid, das ist einmalig – und wesentlich mehr als für den globalen Klimafonds zur Verfügung steht.

Ihr Schluss daraus?
Ich hoffe, dass wir nie wieder eine Debatte zur Finanzierung des Klimaschutzes führen müssen, denn das wäre geradezu pathetisch. Warum sollte man darüber streiten, das Klima für die Zukunft der Menschheit zu stabilisieren, wenn weltweit 11 Trillionen Euro zum Schutz vor einem Virus zur Verfügung gestellt werden, das letztendlich nicht so schädlich für die Menschheit sein wird wie die Klimakrise?

Was lernen wir also aus der Krise?
Dass alles sehr eng miteinander verbunden ist. Wir haben eine Gesundheitskrise, doch der Hintergrund dafür ist, dass das Virus durch die Zerstörung von Ökosystemen – verschärft durch den Klimawandel – überhaupt erst aufgetaucht ist. Das Virus kann nicht isoliert betrachtet werden, die Zerstörung von Ökosystemen,  eine nicht nachhaltige Landwirtschaft und nicht nachhaltige Lebensmittelmärkte, verbunden mit einer hypervernetzten globalen Handels- und Reisewelt haben dazu geführt, dass das Virus von der Tierwelt auf die Menschheit übergegriffen hat. Auch nicht nachhaltiges Management des Klimas und der Ökosysteme stecken hinter der Pandemie.

Was folgt für Sie daraus?
Wir haben aus der Coronakrise gelernt, schnell und angemessen zu handeln. Wenn wir Corona als Krise ernst nehmen, dann müssen wir genauso aktiv das Klimaproblem anpacken. Natürlich lernen wir daraus auch, wie wichtig Daten, Wissenschaft und Monitoring sind. Aber es geht auch darum, zu erkennen, was eigentlich die wirklichen Krisen sind, die wir angehen müssen – und wie wir darin handeln.

Eine Aufgabe für die Politik?
Nicht nur, sondern eine Aufgabe für alle. Wir müssen erkennen, dass Systeme zerstört werden können, wenn man zu viel Druck auf sie ausübt. Im Klimaschutz kann nicht nur Effizienz und Optimierung im Vordergrund stehen, wir müssen auch die verschiedenen Systeme schützen,damit Eisschilde oder der Regenwald nicht unwiderruflich zerstört werden. Die Coronakrise hält uns genauso wie die Klimakrise vor Augen, dass der Teufel kaum zu stoppen ist, wenn man ihn erst einmal aus der Flasche gelassen hat. Wir müssen die Systeme der Erde konservieren und schützen, bevor die Kipppunkte überschritten werden.

Johan Rockström (r.) empfing 2019 Umweltaktivistinnen Greta Thunberg (2.v.l) und Luisa Neubauer mit Ottmar Edenhofer (l.) am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Johan Rockström (r.) empfing 2019 Umweltaktivistinnen Greta Thunberg (2.v.l) und Luisa Neubauer mit Ottmar Edenhofer (l.) am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

© Jörg Carstensen/dpa

Sie argumentieren auf Grundlage einer wissenschaftlichen Untersuchung, wie sind Sie zu den Erkenntnissen gelangt?
Unser Paper basiert auf einem Vergleich von Studien verschiedener Forschungsgruppen weltweit. Wir haben Ergebnisse aus der Gesundheits- und Klimaforschung gegenübergestellt, um die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der beiden Krisen zu erkennen. Es gibt einige Studien, welche die Verbindungen zwischen Diversität und Covid aufzeigen.

Ein Ergebnis ist auch die Empfehlung einer Art Generationenvertrag zu Corona und Klima.

Das ist vielmehr eine Moral, die sich aus dem wissenschaftlichen Vergleich ergibt. Wir müssen heute mit einer globalen Gesundheitskrise klar kommen, die in erster Linie die älteren Menschen in unserer Gesellschaft trifft. Das sind vornehmlich die Menschen, die heute an der Macht sind und das Geld verteilen – d.h., sie befinden auch über die Maßnahmen gegen die Klimakrise. Die jungen Menschen müssen und sollten heute in der Coronakrise mehr Solidarität mit den Älteren zeigen, um eine zu starke Übertragung des Virus zu dämpfen. Und umgekehrt sollten sich die Älteren für Klimaschutz stark machen, in Solidarität mit der jüngeren Generation. Wenn wir Corona- und Klimakrise zusammen denken, kommen wir schnell zu dem Schluss, dass junge und alte Generation nur gewinnen können, wenn sie sich gemeinsam engagieren. Die Jungen müssen die Älteren in der Coronakrise  schützen und die Älteren  den jungen Menschen einen lebenswerten Planeten  hinterlassen, indem unwiderrufliche Klimaänderungen vermieden werden. Es stellt sich auch die Frage, wer zum Beispiel die 500 Milliarden Euro, welche die Europäische Union in das jüngste COVID-19-Rückgabepacket investiert hat, zurückzahlen wird.

Und?
Nun ja, die Rechnung wird natürlich den jungen Menschen überlassen. Die ältere Generation muss sich die Frage stellen, welche Verantwortung sie trägt, wenn sie einen so riesigen Schuldenberg plus die künftigen unvermeidlichen Auswirkungen des Klimawandels zurücklässt. Vor diesem Hintergrund ist die Idee für dieses Abkommen entstanden.

Die junge Generation könnte nun aber das Covid-Problem vernachlässigen, weil es sie nicht primär betrifft.
Das mag sein, andererseits findet man die Klimaskeptiker verstärkt unter den Älteren – der Generation, die das größere Covid-19-Risiko haben. Diejenigen, die heute das Klimaproblem lösen könnten, sind nicht in der nachwachsenden Generation zu finden, weil dort noch nicht die Entscheidungsträger und Geldgeber zu finden sind. Und an diesem Punkt sollte man deshalb zu einem Interessenausgleich kommen.

Deutschland gilt in der Coronakrise als vorbildlich. Was heißt das für das Klimaproblem?
Deutschland hat die Coronakrise bislang auf sehr verantwortungsvolle und wissenschaftliche Weise bewältigt. Und Deutschland hat einerseits eine ambitionierte Klima-Agenda, flankiert von der EU, die weltweit die ambitionierteste Klima-Policy hat, nämlich eine 55 Prozent Reduktion der Treibhausgas-Emissionen in zehn Jahren.

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Andererseits ist Deutschland  die viertgrößte Wirtschaftskraft der Welt, ein Industrie- und Exportland, das einen signifikanten Anteil seiner Energie aus der Kohle gewinnt. Wenn also Deutschland den Umbruch schafft, dann kann das jedes Land. Das ist ein Grund, warum alle Welt nun gebannt auf Deutschland schaut.

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