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"Wer verschmutzt zahlt, wer vermeidet wird belohnt." Mit einer CO2-Steuer wäre das erreichbar, sagt Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

© Nestor Bachmann/picture-alliance/dpa

CO2-Steuer: „Ungerecht wäre es, nichts zu tun“

Eine gerechte CO2-Steuer ist möglich, sagt der Potsdamer Klimafolgenforscher Ottmar Edenhofer.

Herr Edenhofer, die französische Regierung hat ihre Pläne zur höheren Besteuerung fossiler Kraftstoffe auf Druck der Gelbwesten-Bewegung ändern müssen. Ist eine CO2-Steuer politisch nicht durchsetzbar?

Ein gerechter CO2-Preis ist machbar. Wenn man Haushalte mit geringem Einkommen überproportional belasten würde, wäre das unsozial und auch politisch nicht durchsetzbar. Aber man kann diese Haushalte entlasten, indem man etwa die Stromsteuer abschafft und jedem Bundesbürger einen Teil der Einnahmen zu gleichen Teilen rückerstattet. Das begünstigt gerade die Menschen mit geringem Einkommen viel stärker als die mit hohem Einkommen. Der Konflikt zwischen Klimapolitik und sozialem Ausgleich ist ein Scheinkonflikt.

Ist nicht absehbar, dass unbeliebte ökologische Abgaben Wählerstimmen kosten?
Die Deutschen wollen eine effektive Klimapolitik und sind auch bereit, dafür zu zahlen. Spätestens seit dem Dürresommer 2018 wissen doch fast alle, dass uns teure Wetterextreme drohen, wenn wir unser Klima nicht rasch stabilisieren. Die Politik ist mutlos, weil sie glaubt, die Wähler würden ihnen nicht mehr folgen. Die Politik muss den Leuten erklären, dass es nicht darum geht, Menschen zu bevormunden oder zu schröpfen. Es geht darum, dass sich durch einen CO2-Preis die Anstrengungen vieler Menschen zu einer gemeinschaftlichen Anstrengung aufaddieren und das so zu einem Erfolg wird. Bei einem CO2-Preis muss niemand fürchten, dass seine individuellen Anstrengungen verpuffen, weil andere mehr emittieren. Denn dann gilt: Wer verschmutzt zahlt, wer vermeidet wird belohnt.

Würden bei einer CO2-Steuer nicht am Ende doch Menschen mit niedrigem Einkommen als erste belastet?

Wenn wir die Einnahmen rückerstatten und etwa die Stromsteuer senken, würden einkommensschwache Haushalte nicht belastet werden. Wir haben dies für eine Vielzahl von Konstellationen durchgerechnet. Nehmen wir einen Ein-Personen-Haushalt in einer Kleinstadt mit sehr geringem Einkommen. Dieser gibt zwar über 17 Prozent seines Einkommens für Energie aus, doch profitiert er unterm Strich von Stromsteuersenkung und Rückerstattung. Selbst eine durchschnittliche vierköpfige Mittelstandsfamilie auf dem Land profitiert bei einem CO2-Preis von 50 Euro oder höher; bei geringeren CO2-Preisen wären die Belastungen mit höchstens 40 Euro im Jahr kaum spürbar.

Berlins Grüne wollen den Individualverkehr weitgehend abschaffen. Der richtige Weg?
Klar ist: Die Staus in den Großstädten werden zunehmen. Und das Problem kann nicht gelöst werden, indem man mehr Straßen baut. Wir wissen seit Langem, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen, so dass für die Menschen nichts gewonnen ist. Wir müssen deshalb die gegebenen Kapazitäten an Straßen besser nutzen. Das wird nur gehen, wenn wir den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und vielerorts eine City-Maut einführen.

Solche Maßnahmen können auch zu Ungerechtigkeiten führen, etwa für Pendler.
Es wäre doch gerechter, wenn diejenigen, die verschmutzen, auch bezahlen müssen. Ein CO2-Preis begünstigt umweltschonendes Verhalten und er verteuert klimaschädliches Verhalten. Aber es werden im Gegensatz zu allen anderen umweltpolitischen Instrumenten Einnahmen erzielt, mit denen man für diejenigen Menschen etwas tun kann, die sonst zu stark belastet würden. Es ist ja nicht strittig, dass wir die Emissionen drastisch senken müssen, um die Klimarisiken zu begrenzen. Wenn wir nicht über CO2-Preise lenken wollen, dann bleiben als Möglichkeiten noch Verbote oder Gebote, Subventionen oder Apelle. Führt man aber strengere Grenzwerte bei Fahrzeugen ein, müssen alle Käufer die Kosten tragen, gleichgültig ob sie viel oder wenig fahren. Bei der Festlegung solcher Grenzwerte werden aber keine Einnahmen erzielt, mit denen der Staat die Haushalte entlasten könnte. Wirklich ungerecht ist übrigens der Klimawandel, wenn wir jetzt nichts dagegen tun. Wer reich ist, kann sich höhere Versicherungskosten gegen Starkregenschäden oder den Strom für die Kühlung der eigenen Wohnung gut leisten. Wer arm ist, den trifft der Klimawandel viel härter. Nicht nur in Bangladesch, auch bei uns. Davor sollten wir die Menschen schützen.

Müssen sich individuelle Mobilität und Klimaschutz zwangsläufig ausschließen?
Nein. Aber wir brauchen dennoch mehr öffentlichen Nahverkehr und eine klügere Auslastung der gegebenen Straßenkapazitäten.

Zum Thema Flugverkehr herrscht eher Schweigen. Alle fliegen munter in der Welt herum. Lässt sich das über CO2-Abgaben überhaupt wieder zurückdrehen?
Ein CO2-Preis hat hier zwei Funktionen: Einerseits belohnt er Innovationen und Investitionen in kohlenstoffarme Treibstoffe und energiesparendere Maschinen. Andererseits beinhalten die Preise für Flugtickets dann auch die wahren ökologischen Kosten. Für ein zweistündiges Treffen in Washington lohnt sich ein Flug dann nicht mehr.

Wie lassen sich persönliche Freiheit und der für alle notwendige Klimaschutz miteinander vereinbaren?
Ein ungebremster Klimawandel bedroht Freiheit und Eigentum. Wenn extreme Wetterereignisse Haus und Hof regelmäßig zerstören und kein Versicherungsschutz mehr möglich ist, wird unsere Vorstellung von Eigentum sinnlos. Eine freie Marktwirtschaft ist nur möglich, wenn ich für meine Handlungen hafte und wenn Dritte durch mein Verhalten nicht geschädigt werden dürfen. Das Verursacherprinzip ist für das Funktionieren einer Marktwirtschaft grundlegend. Wer die Freiheit will, andere zu schädigen, kann sich auf seinen Egoismus berufen, aber nicht auf das Freiheitsverständnis der sozialen Marktwirtschaft

Populisten schüren die Angst vor einer Art Ökodiktatur. Ist das realistisch?
Wenn die Populisten die Freiheit fordern, andere zu schädigen und die ökologischen Grundlagen unserer Volkswirtschaften zu zerstören, dann verraten sie nicht nur die Grundprinzipien der Ethik, sondern auch die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Wir betreiben Klimapolitik vor allem, weil ein ungebremster Klimawandel erhebliche ökonomische Schäden hervorruft, die wiederum enorme politische und soziale Sprengkraft entfalten können. Durch den ungebremsten Klimawandel bürden wir zudem vor allem Menschen in den Entwicklungsländern Lasten auf, die sie nicht zu verantworten haben. Dies ist ungerecht und zerstört die Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben der Völker, die ohnehin schon brüchig geworden sind.

Die Aktivistin Greta Thunberg reist konsequent mit der Bahn. Wie wichtig ist dieses Signal?
Moralische Vorbilder sind wichtig. Trotzdem wäre es falsch, das Klimaproblem vor allem mit moralischen Appellen an den Einzelnen lösen zu wollen. Das Klimaproblem kann nur überwunden werden, wenn die Politik ihre Hausaufgaben macht. Das hat sie bisher verweigert. Aus dieser Verantwortung dürfen wir die Politiker nicht entlassen.

Die Fragen stellte Jan Kixmüller.

Jan Kixmüller

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