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Junge Frau mit Lichtbrille.

© pa/obs/Goodlite

Chronobiologie: Der Winter macht der inneren Uhr zu schaffen

Wer morgens draußen Licht tankt, beugt nicht nur dem Winterblues, sondern auch Schlafstörungen vor. Auch Blaulicht kann helfen.

Die Tage werden kürzer, die Dunkelheit beginnt früher und dauert umso länger. Spätestens seit dem Ende der Sommerzeit wundert sich so mancher, warum es schon wieder dunkel wird – nachdem es gar nicht so richtig hell geworden ist. Auch gute Straßenbeleuchtung, zaghaft auftauchende Weihnachtsdekorationen und gemütliches Licht im heimischen Wohnzimmer können nichts daran ändern, dass vielen die dunkle Jahreszeit zu schaffen macht.

„Über ihren Einfluss auf die menschliche Stimmung wird schon seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts geforscht, schon länger werden Winterdepressionen mit starkem Licht behandelt, doch erst vor wenigen Jahren sind wir dabei auf ursächliche Zusammenhänge gestoßen", sagt Frederik Bes, Leiter der Elektrophysiologie der Schlafmedizin am Berliner St. Hedwig-Krankenhaus.

Der Chronobiologe und Psychophysiologe spricht von der Entdeckung der fotosensitiven Ganglienzellen. Die Nervenzellen, die Russell Foster und seine Arbeitsgruppe vom Imperial College in London zunächst bei Mäusen ausmachten, bilden eine dritte Klasse lichtempfindlicher Zellen in der menschlichen Netzhaut, neben den altbekannten Zapfen und Stäbchen. Sie enthalten, wie 2007 entdeckt wurde, das Fotopigment Melanopsin. Werden die fotosensitiven Ganglienzellen angeregt, dann senden sie ihre Signale an den Suprachiasmatischen Nukleus, einen Bereich im Zwischenhirn. Hier sitzt die zentrale Stelle, die unsere „inneren Uhren“ an- und abschaltet.

Wenn es zu dunkel ist, kommt der 24-Stunden-Rhythmus durcheinander

„Licht hat einen enormen Einfluss auf die biologische Uhr“, sagt Bes. „Unter Lichtmangel flacht unser 24-Stunden-Rhythmus ab.“ Durch neue Forschungen kennt man nun auch das gewisse Etwas am Tageslicht, das Lampen meist nicht bieten können und das die lichtempfindlichen Zellen an die Arbeit treibt: Es ist sein hoher Blauanteil. „Seit der Entdeckung dieser Zusammenhänge widmen sich zahlreiche experimentelle Studien dem variablen Blaulicht“, berichtet Bes.

Gleichzeitig wird es schon für eine neuartige Lichtregie in Krankenhäusern eingesetzt, wo die Menschen oft für einige Zeit nicht nach draußen können. So wurden im Bettenhausneubau „Vinzenz von Paul“ des St. Hedwig-Krankenhauses in Berlin-Mitte in Patientenzimmern und Gemeinschaftsräumen des Zentrums für Altersmedizin Leuchten installiert, deren Lichtstärke und -farbe per Computersteuerung der Tageszeit und dem normalen Tageslicht angepasst werden können. Tagsüber sind bis zu 1500 Lux und eine starke weiß-bläuliche Komponente in Betrieb. Das kann vor allem Patienten mit einer Demenz helfen, zu deren Symptomen oft eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus gehört.

Bes findet, dass es eigentlich auch in Büros Standard sein sollte, passend zur Tageszeit Licht mit hohem Blauanteil zuschalten zu können. „Das verbessert nachweislich nicht allein die Stimmung und die Wachheit, sondern auch den nächtlichen Schlaf“, sagt der Chronobiologe. Dass unsere Vorfahren gezwungen waren, auch im Winter früh aufzustehen und das natürliche Tageslicht auszunutzen, könnte sie also ein Stück weit vor saisonalen Depressionen und Schlafstörungen geschützt haben.

Ein Gutes hat die „Winterzeit“, die bis 1980 das ganze Jahr über galt, auf jeden Fall: Sie vergrößert die Chance, noch vor der Arbeit ein Bad im natürlichen Tageslicht zu nehmen. „Jeder sollte versuchen, schon in den Morgenstunden möglichst viel davon abzubekommen“, rät Bes. Wahrscheinlich ist das doppelt gesund, bedeutet Draußensein in der kalten Zeit zugleich doch immer, in Bewegung zu bleiben.

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