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Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin.

© Imago

Blogger gegen Professor der HU Berlin: Jeden Dienstag kommt „Münkler-Watch“

Anonym werfen Blogger dem Politologen Herfried Münkler rassistische und sexistische Tendenzen vor. Der Professor der Berliner Humboldt-Universität wehrt sich gegen "Münkler-Watch": Seine Vorlesungen würden entstellt wiedergegeben.

Rassismus, Sexismus und Militarismus in einer Vorlesung an der Humboldt-Universität? Mit diesem Vorwurf sieht sich Herfried Münkler, Professor für Theorie der Politik, seit Beginn des Semesters regelmäßig konfrontiert. Mehrere Personen, nach eigenen Angaben Bachelor-Studierende im zweiten Semester, haben im Internet gemeinsam eine „Münkler-Watch“ errichtet. Dort wollen sie Münkler, in den Medien und in der Politik wegen seiner scharfsinnigen Analysen aktueller Kriege ein gefragter Experte, politischer Abwege entlarven – als Beispiel dafür, „wie das deutsche Bildungsbürgertum verroht“, wie unter „hu.blogsport.de – Extremismus in der Mitte“ zu lesen ist.

Bei jeder Vorlesung sind die Blogger dabei

Jeden Dienstag um 10 Uhr, wenn Münkler über „Politische Theorien und Ideengeschichte“ liest, sind auch Betreiber von „Münkler-Watch“ im Hörsaal. Sie schreiben mit und/oder nehmen die Vorlesung auf, dokumentieren den Inhalt online und kritisieren ihn, etwa weil Münkler für Überlegungen von Machiavelli oder des nationalsozialistischen Staatsrechtlers Carl Schmitt Sympathie gezeigt habe, weil er sich über geschlechtergerechte Sprache lustig gemacht habe oder weil er Kritik an dem von ihm vermeintlich gepflegten „alte weiße europäische Männer“-Kanon mokant zurückgewiesen habe: Dass in seiner Literaturliste „die klassischen Namen immer mal wieder dabei seien“, ließe sich nicht vermeiden: „Sie können da einwenden: nur europäische Autoren. Keine Afrikaner“, hat Münkler laut „Münkler-Watch“ gesagt und dafür unter den Studierenden verständnisvolles Lächeln geerntet.

Herfried Münkler wehrt sich

Münkler verwahrt sich gegen die anonymen Anschuldigungen. Als „erbärmlichen Feigling“ adressierte der Professor den unsichtbaren Gegner am vergangenen Dienstag im Hörsaal. Münkler spricht von „Denunziationsmethoden, gegen die man gar nicht ankommen kann“. Die Blogger würden den Inhalt der Vorlesungen und die angeblichen Zitate „bis ins Gegenteil entstellen“, sagt er auf Anfrage: „Würden sie ihre Einträge als Protokolle abgeben, würden sie dafür eine Fünf bekommen.“ Auch wollten die Blogger keine Ironie verstehen: „Sie putzen den Sprachduktus der Vorlesung raus.“

Der Politologe vermutet Trotzkisten hinter dem Blog

Münkler vermutet hinter dem Blog eine Gruppe junger Trotzkisten, die im vergangenen Jahr den HU-Osteuropahistoriker Jörg Baberowski attackiert hatte. Die Trotzkisten würden den Begriff des Studenten jetzt „für sich usurpieren“, weil die Öffentlichkeit ein vermeintlicher Konflikt „Studierende gegen Professor“ mehr interessiere als ein Konflikt „Trotzkisten gegen Professor“, sagt Münkler: „Das haben sie ja auch geschafft.“

Eine öffentliche Diskussion lehnen die Blogger ab

Als im vergangenen Jahr bereits ähnliche Vorwürfe gegen Münkler laut wurden, hatte er eine öffentliche Diskussion angeboten, bei der er sich seinen Kritikern stellen wollte. Diese lehnten das damals ab. Das Argument: Münkler sei ihnen rhetorisch überlegen. Münkler hält das für absurd: „Wenn sie überzeugt sind, die besseren Argumente zu haben, gibt es keinen Grund einer Diskussion auszuweichen.“ Auch jetzt hält er das Angebot aufrecht – noch: „Mit dem fortschreitenden Prozess der Denunziation beginnt einem natürlich die Lust darauf zu vergehen.“ Die Gruppe will aber auch künftig nicht darauf eingehen: „Das Machtgefälle, dem Studis ausgesetzt sind, verschwindet nicht, nur weil es auf einmal ganz viele Gesprächsangebote gibt“, teilt sie auf Anfrage per Mail mit.

Warum Münkler seine Vorlesung nicht ändern will

Nun gehören Proteste gegen Professoren zur Geschichte der Universitäten. Einen Höhepunkt bildete im Zuge der 68er Revolte das berühmte „Busen-Attentat“ gegen den Philosophen Theodor Adorno, dessen Vorlesung in Frankfurt von drei entblößten Studentinnen gestört wurde. Das hält Münkler aber für nicht vergleichbar. „Die Studierenden damals haben mit Frivolität gespielt, um Adornos Verklemmtheit sichtbar zu machen. Das hatte auch eine ironische Dimension – was den Vorwürfen jetzt leider völlig abgeht.“ Die Aktivisten haben auch nicht vor, Münklers Vorlesung zu unterbrechen, wie sie auf Nachfrage erklären: „Wir wollen unsere Mitstudierenden nicht vom Lernen abhalten. Deshalb werden wir die Vorlesung nicht sprengen oder so. Wir haben nicht 1968.“

Münkler: "Ich werde mich nicht unterwerfen"

Münkler spricht gleichwohl von einem „Kampf, den ich jeden Dienstag mit mir ausfechte“. Denn natürlich denke er darüber nach, wie er sich bei seinem Vortrag unangreifbar machen könne. Allerdings sollten die Teilnehmer der Vorlesung nicht unter dem Konflikt leiden, etwa indem er die Vorlesung bewusst trocken gestalte, auf Ironie oder auf anschauliche Beispiele verzichte. Er habe daher nicht vor, irgendetwas zu ändern: „Ich werde mich nicht vorauseilend unterwerfen.“

In den Kommentaren zu Münkler-Watch ist die Stimmung geteilt. So bedankt sich eine Claudia Volmerhaus für den Blog: „Ich habe schon ca. 2004 eine Münkler-Vorlesung nach 4 Sitzungen verlassen, weil ich seinen Sexismus und sein Menschenbild nicht ertragen habe.“ Ein Arnold Koettler beschimpft die Blogger hingegen als „feigen Haufen von Nerds der Angst hat für sein großes Maul Farbe zu bekennen“. Überhaupt wird oft kein Verständnis dafür geäußert, dass die Kritiker anonym bleiben. „Münkler-Watch“ erklärt dazu auf Anfrage: „Keiner von uns hat Lust, eine eventuelle Arbeitsmarktperspektive wegen postadoleszenter Revoluzzerei zu riskieren“. Hinzu würden die „geschätzten eine Million informellen Mechanismen“ kommen, „mit denen Profs Studis bei Bedarf das Leben schwer machen können“.

HU-Wissenschaftler werden nicht zum ersten Mal angegriffen

Es ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler der HU aus dem linken Spektrum angegriffen werden. So wurde dem Soziologen Michael Makropoulos, damals Vertretungsprofessor an der HU, im Februar in einem anonymen offenen Brief vorgeworfen, seine Vorlesung „Soziologische Theorie“ sei „eurozentristisch“ und blende Genderaspekte aus.

Proteste gegen den Historiker Jörg Baberowski

Im vergangenen Jahr hatte eine trotzkistische Studierendenorganisation gegen den HU-Historiker Baberowski protestiert. In einem Schreiben an den HU-Präsidenten warf sie Baberowski vor, eine offene Debatte über den von ihm eingeladenen umstrittenen Trotzki-Biografen Robert Service unterdrückt zu haben. Außerdem verbreite Baberowski „die berüchtigten reaktionären Thesen von Ernst Nolte“ aus dem Historikerstreit, erklärten sie mit Blick auf einen Essay von Dirk Kurbjuweit im „Spiegel“ vom Februar 2014. Dieser zitiert Baberowski mit den Worten: „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht.“ Außerdem hat Baberowski demnach gesagt: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam.“

Schon im vergangenen Jahr war Münkler kritisiert worden

Münkler selbst war schon im vergangenen Juli von der Fachschaft Sozialwissenschaften der HU wegen vermeintlich „rassistischer und kriegstreiberischer Argumentation“ auf Facebook kritisiert worden. So habe Münkler in einem Text für die Publikation „Review 2014“ des Auswärtigen Amtes dafür plädiert, die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands selbstbewusst zu kommunizieren. Dort habe Münkler auch vor den Folgen „gewaltiger Flüchtlingsströme“ gewarnt: Europa sei „infolge seiner Wertbindungen nicht in der Lage, diese Flüchtlingsströme an seinen Grenzen zu stoppen und zurückzuweisen, wie man dies bei einem militärischen Angriff versuchen würde“, zitiert ihn die Fachschaft. Damit gieße er „Öl in das Feuer eines rassistischen Diskurses“.

Am heutigen Dienstag geht Münklers Vorlesung mit dem Thema „Souveränität und Infrastruktur der Macht“ weiter. „Das ist hartes Brot“, sagt er. „Aber ich werde versuchen, es mit ein bisschen Butter schmackhafter zu machen.“

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