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Ein weiblicher Anglerfisch der Art Melanocetus johnsonii ist nur 75 Millimeter groß, aber das Männchen, das an ihrem Bauch hängt, ist mit 23,5 Millimetern sogar noch kleiner.

© Edith A. Widder

Bizzarres Paarungsverhalten von Anglerfischen: In "Liebe" verschmolzen

Beim Anglerfisch-Sex wächst das Männchen mit Haut und Blutgefäßen mit dem Weibchen zusammen. Jetzt wissen Forscher, wie die Tiefseefische es machen.

Das Paarungsverhalten mancher Tiefsee-Anglerfische darf getrost als ungewöhnlich bezeichnet werden: Sehr kleine männliche Tiere verschmelzen vorübergehend oder für immer mit wesentlich größeren weiblichen Exemplaren, Haut und Blutkreislauf der Fische wachsen zusammen.

Damit es dabei nicht zu Abstoßungsreaktionen auf das fremde Gewebe kommt, ist das Immunsystem der Fische im Vergleich zu anderen Wirbeltieren massiv umgebaut, berichten Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik (Freiburg) im Fachmagazin "Science".

Haut und Blutkreislauf verschmelzen

Tiefsee-Anglerfische kommen in allen Ozeanen der Erde in einer Tiefe unterhalb von 300 Metern vor. Sie haben zahlreiche bemerkenswerte Anpassungen entwickelt, um das Leben in der Dunkelheit zu meistern, etwa bei der Partnersuche, schreiben die Forscher um Jeremy Swann.

Treffen zwei Tiere aufeinander, heftet sich das sehr viel kleinere männliche an das weibliche an, entweder nur vorübergehend oder dauerhaft. Verschmelzen Haut und Blutkreislauf miteinander - nicht bei allen Arten ist das der Fall - wird das Männchen komplett vom Weibchen abhängig und bezieht Nährstoffe nur von ihm. Im Gegenzug liefert das Männchen Spermien zur Befruchtung der Eier. Diese Form des Sexualparasitismus sei im Tierreich einzigartig.

Bei diesem 46 Millimeter großen Anglerfisch-Weibchen der Art Photocorynus spiniceps hat sich ein 6.2 Millimeter großes Männchen am Rücken angedockt.
Bei diesem 46 Millimeter großen Anglerfisch-Weibchen der Art Photocorynus spiniceps hat sich ein 6.2 Millimeter großes Männchen am Rücken angedockt.

© Theodore W. Pietsch, University of Washington

Das Team um Swann untersuchte nun das Genom von 31 Tieren, die zu insgesamt 10 Arten von Tiefsee-Anglerfischen mit unterschiedlichen Verschmelzungsstrategien gehörten. Die Forscher schauten dabei vor allem auf genetische Merkmale, die mit dem Immunsystem in Verbindung stehen und fanden deutliche Unterschiede zwischen verschmelzenden und nicht verschmelzenden Arten.

Abstoßungsreaktion des Immunsystems gebremst

So fanden sie bei Arten, die nur vorübergehend miteinander verschmelzen, keine funktionsfähigen Gene aus der Gruppe der aicda-Gene. Diese spielen bei der Reifung von Antikörpern eine Rolle.

Einigen Anglerfisch-Arten, die eine dauerhafte Verbindung miteinander einigen, fehlten darüber hinaus sogenannte rag-Gene, die mit der Ausbildung von Antigen-Rezeptoren in Verbindung stehen. Antikörper und Antigen-Rezeptoren sind zentrale Bestandteile des sogenannten erworbenen Immunsystems, das spezifisch auf eindringende Fremdeiweiße reagiert und einen zentralen Teil der Immunabwehr der Wirbeltiere ausmacht.

Können angeborener und anpassbarer Teil des Immunsystems voneinander getrennt werden?

Der zweite Arm der Immunabwehr ist die sogenannte angeborene Immunabwehr. Dazu gehören etwa Haut und Schleimhäute als Barrieren gegen Keime, Fresszellen, die eingedrungene Erreger verschlingen oder bakterientötende Stoffe. Die angeborene Immunantwort reagiert auf alle Erreger oder Fremdstoffe gleich, weshalb sie auch als unspezifische Immunantwort bezeichnet wird.

Ihre Untersuchung wecke Zweifel an der bisherigen Annahme, dass der erworbene und der angeborene Teil der Immunantwort nicht ohne schädliche Konsequenzen voneinander getrennt werden könnten, schreiben die Wissenschaftler.

Bei den Tiefsee-Anglerfischen ermögliche die Umstrukturierung des Immunsystems das Verschmelzen der Partner und damit die ungewöhnliche Paarungsstrategie der Fische. Die Forscher vermuten, dass auch das angeborene Immunsystem der Tiefsee-Anglerfische modifiziert wurde, um weiterhin die Abwehr von krankmachenden Erregern zu ermöglichen. Anja Garms, dpa

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