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Verlockende Falle. Was nach weit entfernten Sternen aussieht, sind winzige Pilzmücken, die von selbst leuchten, um Beutetiere anzulocken.

© Wikimedia Commons

Bizarrer Beutefang: Angelnde Glühwürmchen

Mit Licht locken Insekten in Neuseeland des Nachts ihre Beute an und fangen sie mit Klebstoff aus ihrem Urin.

Der Sternenhimmel ist einfach fantastisch. Über den Köpfen der Staunenden funkeln tausende Lichtpünktchen, die wunderschöne Muster bilden. Nur ähneln diese so gar nicht den Sternbildern, die sonst am Firmament stehen. Kein Wunder, schließlich steckt hinter dem vermeintlichen Himmel nicht etwa der Weltraum, sondern nur die Felsdecke einer Kalkstein-Höhle in Neuseeland. Und die funkelnden Sterne entpuppen sich als Lichter von Glühwürmchen, die gerade ihr Abendessen fangen wollen. Dazu werfen sie klebrige Angelschnüre aus, die sie aus Harnstoff und Wasser selbst gesponnen haben, berichten Janek von Byern von der Wiener Universität, Victoria Dorrer von der Technischen Universität Wien und ihre Kollegen in der Online-Zeitschrift „PLOS One“.

Weil man den funkelnden Glühwürmchen-Himmel relativ bequem in einem Boot sitzend beobachten kann, das die Anwohner über einen unterirdischen See treideln, sind diese „Glowworms“ längst zu einer der bekanntesten Touristen-Attraktionen Neuseelands geworden. Auch für Wissenschaftler ist das eine günstige Gelegenheit, das faszinierende Leben dieser Tiere zu erforschen, die zur Gattung Arachnocampa gehören und gemeinhin „Pilzmücken“ genannt werden. Mit den Glühwürmchen Europas sind die leuchtenden Insekten Neuseelands nur entfernt verwandt.

Jeder "Stern" ein leuchtender Hinterleib

Die Lichter des „Sternenhimmels“ in den Höhlen des Landes und auch in einigen feuchten, düsteren Wäldern produzieren übrigens nicht die Mücken selbst, sondern ihr Nachwuchs. Schlüpfen diese Larven aus dem Ei, sind sie kaum einen halben Zentimeter lang. Erst einmal spinnen diese Winzlinge ein kleines Nest, das sie an der Decke der Höhle oder im Wald unter dem Wurzelteller eines umgestürzten Baumes befestigen. Die Larven schaukeln in der Behausung dann wie in einer Hängematte.

Im Hinterleib produzieren die Insekten ein „Luciferin“ genanntes Biomolekül, das vom Enzym „Luciferase“ zum Leuchten angeregt wird. Jeder „Stern“ an der Höhlendecke ist also der Hinterleib eines Glühwürmchens, in dem das Luciferin-Licht funkelt. Genau wie eine Straßenlampe in Mitteleuropa Nachtfalter und anderes Getier anlockt, zieht auch das weißblaue Licht im Hinterleib der neuseeländischen Glühwürmchen Sandfliegen, Stechmücken und eine ganze Reihe anderer Insekten wie magisch an. Das Abendessen kommt also wie von selbst und der Mücken-Nachwuchs muss es nur noch fangen.

Dazu wiederum lassen die Kleinen aus ihren Nestern eine Art Angelleine hängen, die auf dem ersten Blick den Fäden von Spinnen ähnelt. Bis zu einem halben Meter sind diese Fäden lang, von denen jedes Glühwürmchen mehr als hundert produzieren kann. Sie hängen einen halben Zentimeter voneinander entfernt wie ein Vorhang herab.

Der Klebefalle können kleine Tiere kaum entrinnen

Im Wald sind die Fäden erheblich kürzer, damit sie sich im Wind nicht ineinander verheddern. In regelmäßigen Abständen glitzern an diesen Angelleinen winzige, rund einen Millimeter große Tröpfchen. „Diese Tröpfchen sind sehr klebrig“, sagt Janek von Byern. Mit diesem Leim fangen die Glühwürmchen ihre Beute. Der Vorhang unter dem Nest der Mückenlarven funkelt also nicht nur im blauweißen Licht aus dem Hinterleib der Tiere, sondern ist auch noch eine Klebefalle, der kleine Tiere kaum entrinnen können.

Diese Tröpfchen sind so klebrig, dass sie auch die Geräte der Forscher schlagartig verpappten. Erst mit Trockeneis, minus 78 Grad Celsius kaltem Kohlendioxid, konnten die Forscher diese Klebrigkeit weit genug verringern, um die Fäden mit Hilfe der Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie genauer untersuchen zu können.

Die Fäden selbst sind aus Seide. Die Larven produzieren sie nicht so wie Spinnen mit Hilfe von Drüsen am Hinterleib, sondern sie kommen aus ihrem Maul. An diesen Seidenfäden setzt sich dann Wasser aus der extrem feuchten Höhlen- oder Waldluft ab, das zu kleinen Tröpfchen kondensiert. Einerseits versorgt sich der Mücken-Nachwuchs auf diese Weise mit Flüssigkeit. Andererseits mischen die Larven in diese Wassertröpfchen offensichtlich Kristalle aus Harnstoff aus ihrem Urin. Diese Substanz macht die Tröpfchen so extrem klebrig, dass kleinere Beutetiere kaum eine Chance haben, dem Leim zu entkommen.

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